Straßburg – Teil 3 und Schluss

An meinem letzten Straßburger Tag konnte ich dann doch noch Freundschaft mit dem Münster schließen. Wiederum am zeitigen Vormittag fand ich es dieses Mal geöffnet, Nonnen eilten zur Messe in einer Seitenkapelle und der Sicherheitsmensch am Eingang wies auch mich nicht ab.

Da saß ich dann endlich glücklich fast allein in der großen Kirche. Beim Anblick der hypergotischen Westfassade mag man nicht vermuten, dass der östliche Teil – Chor, Apsis und ein Teil der Querschiffe – in einem prächtigen romanischen Stil erbaut sind. Dorthin setzte ich mich und versuchte mich wieder einmal in Perspektive. Vor Ort zog ich nur Bleistiftlinien, Schattierungen und Farbe kamen erst zu Hause dazu. Für die Schatten blieb ich bei Graphit in Form von wasserlöslichen Graphitstiften und ganz zum Schluss noch etwas Aquarellfarbe mit Graphitpigment.

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Der romanische Chorraum des Straßburger Münsters am Morgen.

 

Abends dann der Gegenentwurf zur sorgfältig ausgemessenen Perspektive: ein kleiner Versuch, die Atmosphäre der Stadt einzufangen, natürlich wieder von einem Restauranttisch aus, der dieses Mal auf eine belebte Straßenkreuzung schaute.

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Vor dem Restaurant „Chaîne d’or“ in Straßburg.


Von Schwäbisch Hall nach Winnenden

Hinter Schwäbisch Hall folgt der Pilgerweg noch ein wenig dem Kochertal, um dann zur ehemaligen Wallfahrtskirche in dem Dorf Rieden abzubiegen. Dort habe ich wohl an die zwei Stunden zugebracht, und einen der Altäre gezeichnet.

 

Am nächsten Tag bin ich etwas vom Pilgerweg abgewichen, weil es nicht immer einfach ist, Zwischenübernachtungen zu finden.

 

Am einzigen sehr heißen Tag der Tour konnte ich ein bisschen Zug fahren und habe dann in Murrhardt Zeit, ausgiebig einen romanischen Wasserspeier zu studieren.

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Am nächsten Morgen breche ich früh auf und kraxle durch die Hörchbachschlucht – das Schild „Nur für geübte Wanderer“ finde ich erst beim Ausgang. Später eine schöne Rast am Wanderheim Eschelshof.

 

Am vorletzten und letzten Wandertag geht es von Backnang hügelauf, hügelab durch zersiedelte Dörfer und dazwischen unerwartet schöne Streuobstlandschaften nach Winnenden.

 

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Irgendwo im Streuobstland.

 


Von Rothenburg bis Schwäbisch Hall

Wieder zu Hause habe ich die Bilder der letzten Wanderung gesichtet, einiges noch ein wenig überarbeitet und vor allem neu gescannt – die Qualität der Unterwegs-Fotos von den Bildern lässt leider oft zu wünschen übrig.

Hier noch mal ein kurzer, chronologisch geordneter Überblick über die ersten fünf Wandertage. Die Wegstrecke lässt sich auf der Seite der Deutschen Jakobswege  nachlesen, an der ich mich auch orientiert habe.

Am ersten Wandertag waren gleich 20 km zu schaffen; früh aufgebrochen und voll guter Vorsätze habe ich dann doch einiges zu Papier gebracht.

Eines meiner Lieblingsbilder dieser Reise entstand dann am Nachmittag, als das anfangs kühle Wetter sich erwärmte und ich eine selige Stunde in einer Wiese voller hüfthoher Knabenkräuter saß.

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Orchidee im Wald vor Schrozberg.

Schrozberg auf der Hohenloher Ebene hat ein Schloss, in dem – vielleicht – mal Götz von Berlichingen für kurze Zeit gewohnt hat. Ansonsten überwiegt die Moderne, vor allem die aus den 70er Jahren. Am nächsten Tag, auf dem Weg nach Langenburg, war ich von den Windrädern im Wald fasziniert.

Das Schloss in Braunsbach war dann das Gegenteil von hochherrschaftlich, sondern erfrischend unsaniert und schlichtweg in Wohnungen aufgeteilt. Am nächsten Tag lief ich unter der berühmten Kochertalbrücke hindurch, einer der größten Brücken ihrer Art weltweit.

Von Braubach lief ich durch schöne Wälder bis nach Schwäbisch Hall. In der Kirche St.Michael war ich froh, die Perspektive ganz gut erfasst zu haben – dafür ist es bei der Bleistiftskizze geblieben. Und während die Public Viewer in den Kneipen ringsum immer stiller wurden, weil Deutschland gegen Mexiko verlor, friemelte ich an einem besonders aufwendigen Fachwerk herum.

 

 

 

 


Streuobstwiesen

Die letzten beiden Tage bin ich hügelauf hügelab durch schier endlose Streuobstwiesen gelaufen, einen kleinen Garten Eden von unerwarteter Schönheit. (Unerwartet, denn die Orte sind meist gesichtslose Eigenheimsiedlungen, die die alten Dorfgrenzen schon lange überschritten haben und aus den Tälern die Hügel hinaufwuchern.)

Immer wieder nehme ich mir vor, eine Zeichnung von dieser Landschaft zu machen, und immer wieder „passt es nicht“, ist zu windig, zu sonnig oder es fehlt ein geeigneter Sitzplatz. Bis dann kurz vor Winnenden doch noch eine Bank an genau der richtigen Stelle auftaucht, gegen den Wind die ungeliebte quietschgrüne Jacke aus dem Rucksack geholt wird und es losgehen kann …

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Auf einer Wiese unterhalb von Bürg bei Winnenden.


Perspektive

Heute habe ich ein bisschen Perspektive geübt. Bei meiner Rast in Unterweissach saß ich neben einem alten Dorfbrunnen, dahinter das obligatorische Fachwerk-Rathaus, und weil ich Zeit hatte – es gab schließlich keine Hitze mehr, vor der ich davonlaufen musste – machte ich mich daran, alles fein säuberlich auszumessen.

Am Ende war ich wieder einmal fasziniert davon, wie sich mein Auge auch nach jahrelangem Training immer wieder täuschen lässt. Da gibt es die Kirchtürme, die trotz sorgfältigsten Messens mal wieder nicht aufs Bild passen, und immer wieder Anfälle von Bedeutungsperspektive: was wichtig und auffällig ist, stellen wir größer dar. In diesem Fall war ich überrascht, wie klein das Rathaus im Gegensatz zu dem Brunnen war: seine auffällige Farbigkeit und Struktur hatte es größer erscheinen lassen. (Ganz zu schweigen von dem selbstverständlich zu groß geratenen Türmchen.) 

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Rathaus und alter Dorfbrunnen in Unterweissach.


Ein perfekter Tag

Heute bin ich wieder den ganzen Tag durch ein ausgedehntes Waldgebiet gelaufen. Der Wärme wegen war ich früh auf, kurz vor sechs auf dem Weg und um acht hatte ich schon eine ziemlich abenteuerliche Schlucht hinter mich gebracht. (Das Schild: „Nur für geübte Wanderer“ sah ich erst nach dem Ausgang.) 

Dann ging es stetig bergauf, über Forststraßen und Pfade, bis zum „Wanderheim Eschelhof“. Der prosaische Name mit dem Anklang an Jugendherbergstee und Hausordnung täuschte: es war ein nachgerade märchenhafter Platz auf einer Wiese mitten im Wald, zwischen Obstbäumen und Hecken. Ein liebevoll restaurierter alter Hof mit Fachwerk und geschnitzten alten Holztüren, die Gartenpforte stand einladend offen, ein Rastplatz im Schatten eines Walnussbaums… ; und natürlich war ich dort wieder mal allein. (Irgendwann kam kurz eine junge Frau mit dem Auto, erledigte irgend etwas und verschwand wieder, ohne von mir Notiz genommen zu haben.)

Wenn ich einen perfekten Wandertag entwerfen sollte, sähe er so aus, mit einem Start am frühen Morgen, mit schattigen Waldwegen und einer Pause unter Bäumen, bei leichtem Wind …

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Auf dem Eschelhof.

 


Am Weg 2

Gestern, nach Morgenrast mit Weitblick, führte mein Weg den ganzen Vormittag durch den Wald, nur kurz von ein paar Häusern – hier Weiler genannt – unterbrochen. Ich kam schnell voran, so dass ich einige Kilometer vor dem Ziel an einer blühenden Wiese nach einer Pflanze zum Zeichnen Ausschau hielt. Am liebsten würde ich sie ja alle abbilden, die wunderbaren Wegrandbegleiter, gerade jetzt im Juni …

Neben dieser Wiese war wiederum ein Rastplatz mit Tisch eingerichtet, mitten im Nirgendwo, und dort setzte ich mich mit einer Flockenblume hin und begann konzentriert zu zeichnen. Bis ein Auto neben mir hielt, ein junger Mann ausstieg und dreimal fragte: „Hamsch a Hund gsähe?“ Was, wie? Ach einen Hund, nein hab ich nicht gesehen, leider. Ich habe mir später immer wieder vorgestellt, wie ich wohl aus der Sicht der jungen Burschen ausgesehen haben mag, so mit Wanderhut, Zeichenmaterial und Tablet an einem Tisch am Waldrand … 

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Am Weg

Wann immer es geht, versuche ich bei einer Rast zu zeichnen, was ich sehe. Keine spektakulären Ansichten, keine lange gesuchten Blickwinkel – die Übung heißt in diesem Fall, das Besondere im Alltägliche zu sehen. Da das auch immer mal schiefgeht, greife ich in diesem Fall zur Postkarte.

Gern rastet die Pilgerin auf Friedhöfen, wenn sie an einer Kirche gelegen sind. Immer findet sich eine Bank, windgeschützt und im Schatten, auch wenn die Kirchentür verschlossen ist. 

Auch in Tullau hatte ich das Kirchlein im Rücken, ohne Friedhof, dafür mir Blick auf ein unsaniertes Fachwerkhaus mit üppigem Garten und Backofen darin. 

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Manchmal allerdings ist der Blick vom Rastplatz nicht alltäglich,  wie hier oberhalb von Westheim, wo ein perfekter Grillplatz mit Tisch und Bänken die Aussicht feierte – früh um acht war ich selbstverständlich allein an dem Ort. (Wie überhaupt weitgehend auf meinen Wegen. Andere Pilger habe ich keine getroffen, Wanderer sehr vereinzelt, eher Radfahrer.)


Im Kochertal

Von Schwäbisch Hall hat sicher jeder schon einmal etwas gehört, wo es liegt, wissen vermutlich die wenigsten (es sei denn, sie leben hier irgendwo um die Ecke). Schwäbisch Hall (eigentlich nur „Hall“, der Zusatz kam erst spät) liegt am Kocher, einem gar nicht so kleinen Fluss, der sich ein bis zu 200m tiefes Tal in die umgebenden Kalksteinebenen gegraben hat.

Autofahrer kennen vielleicht die Kochertalbrücke, eine spektakuläre Stahlbetonbtücke, die das Tal in großer Höhe überspannt.

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Kochertalbrücke im Regen.

Schwäbisch Hall ist eine schöne Stadt, der man den Reichtum einer alten Salzstadt noch heute ansieht. Fachwerk über Fachwerk, ich konnte mich gar nicht satt sehen, und habe mich dann für ein besonderes prächtig dekoriertes Haus entschieden, um dann feststellen zu müssen, dass weder meine Geduld noch die Feinheit meiner Zeichenmaterialien den vielen üppigen Schnitzereien, Dekoren, Masken und Zierleisten gewachsen waren.

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Besonders üppig dekoriertes Fachwerkhaus in Schwäbisch Hall.

 


Unterwegs

Seit vier Tagen bin ich wieder unterwegs, ein Tag Anreise und drei Gehtage, von Rothenburg o.d.T. südwestwärts über die Hohenloher Ebene, dem Jakobsweg folgend, der hier in der Gegend wiederum dem Schwäbischen Hauptweg Nr.8 folgt, eine für südwestdeutsche Verhältnisse dünn besiedelte Gegend mit ausgedehnten Waldgebieten.

Im Zug habe ich mir erst einmal damit die Zeit vertrieben, den Inhalt meiner Zeichentasche abzubilden.

 

Die Überraschung des ersten Wandertages war die Pflanzenwelt. Am frühen Nachmittag saß ich selig in einer Wiese voller z.T. hüfthoher Orchideen, besonders prächtiger Exemplare des Knabenkrauts.

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Bevor ich am nächsten Tag, gestern, aufbrach, trödelte ich noch ein bisschdn herum und versuchte dem Ort Schrozberg etwas liebenswertes abzugewinnen. Schließlich zeichnete ich, was ich sah – getreu dem Motto der Urban-Sketching-Bewegung – und das war in diesem Fall ein 70/80-Jahre Wohnblock mit tchibobrauner Ladenzeile gegenüber der geschlossenen Kirche.

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Gegenüber dem Pilgerrastplatz in Schrozberg, sozusagen das Ortszentrum.

Heute staunte ich nicht schlecht, als ich, kaum war ich von meiner Übernachtung im Tal wieder auf die Hochebene gestiegen, hinter den Bäumen ein paar Rotorblätter sich bewegen sah. Und wirklich: der fürstlich-hohenlohische Wald steht voller Windräder! Sie drehten sich heute nur langsam und sahen ein bisschen aus wie Wesen aus einer anderen Welt.

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Windräder im Wald, eine Überraschung.