Amaryllis am Abend

Die großen Zwiebeln der Amaryllis hatten nach der Blüte am hellen Fenster ausgetrieben, bis sie im Sommer auf den Balkon durften. Ab August wurden sie nicht mehr gegossen, im Oktober wanderten sie auf den Platz am Fenster zurück, um im Winter erneut zu blühen.

Theoretisch ist das ganz einfach. 

Praktisch pflegen meine noch der Winterruhe, während ab Dezember in allen Geschäften blühbereite Zwiebeln stehen. Dieses Jahr war ich nicht einmal dazu gekommen, sie in hübsche Gefäße zu setzen; sie standen, scheinbar ohne sich zu rühren, im hässlichen grauen Plastikkasten am Fenster, während ihre zugekauften Kolleginnen sich bereits in schönster Pracht zeigten.

Heute habe ich sie endlich umgetopft und mich an den fleischigen Blütenknospen erfreut, die sich aus fünf von acht Zwiebeln dem Licht entgegen schieben. Die zu zeichnen, wird in den nächsten Tagen Zeit sein – heute Abend habe ich mich erst einmal einer ganzen Zwiebel gewidmet.

Angeregt ist sie Zeichnung auch durch Albrecht Risslers großartiges Buch „Zeichnen, was da so rumliegt“. Großer dicker weicher Bleistift und kein klitzekleines bisschen Farbe – da kriege ich ein bisschen Herzklopfen, ob das wohl auch wirklich geht …


Die Saison beginnt

Letztes Wochenende habe ich nach einem Winter voller Stillleben die Sketching-Saison eröffnet. Zuerst, am Samstag, im Staatlichen Museum Schwerin. Mit einem vorab vereinbarten Termin (und natürlich mit Maske) darf man rein – und trifft, wie zu erwarten in einem Kunstmuseum in der Provinz, sehr wenige Menschen. (Man könnte dort glatt in Quarantäne gehen.)

Wie immer suchte ich mir ein Bild zum Abzeichnen. Die Wahl fiel auf „Althagen im Schnee“ von Friedrich Wachenhusen. Da ich nicht in Mecklenburg aufgewachsen bin, habe ich immer noch tiefe Wissenslücken, was die regionale Malerei angeht – so kannte ich auch diesen Schweriner Maler, einen der Begründer der Ahrenshooper Künstlerkolonie, bisher nicht.

Das Bild – im Original natürlich farbig – zeigt einen Winternachmittag mit hoch aufgetürmten, den Horizont eindüsterndernden Schneewolken und ein paar Bauernhäusern im Vordergrund. Stille und Kälte sind mit Händen zu greifen. Beim Abzeichnen sah ich bald, dass das Bild perfekt komponiert ist, maß-voll nach dem Goldenen Schnitt aufgebaut in allen Dimensionen. Dass ich es beim Abzeichnen erst einmal verhauen habe, steht auf einem anderen Blatt. Ich entschloss mich zu Hause zur Korrektur, habe sie aber so ausgeführt, dass meine ursprüngliche Zeichnung sichtbar blieb.

Friedrich Wachenhusen, Althagen in Schnee. Abzeichnung mit Tinte und wasserlöslichen Markern.

Am nächsten Tag wurde es ernst: wir waren zum gemeinsamen Zeichnen draußen verabredet. Es war kalt und dank der Zeitumstellung auch noch sehr morgens, als wir uns am Schweriner Bahnhof trafen. Wir blieben erst einmal dort, wo wir den Windschatten des Bahnhofsgebäudes vermuteten und zeichneten ein paar alte Bahngebäude. Mein erster Versuch endete mit heißem Tee auf dem Skizzenbuch; den zweiten führte ich mit den am Vortag schon bewährten Aquarellstiften aus. Die Farbe kam heute zu Hause.

Der Gott des Urban Sketching nahm unser Opfer an: nach dem Kaltstart fanden wir eine wirklich windgeschützte Stelle in der Schelfstadt. Das schiefe Haus wollte ich schon immer mal zeichnen.

Schiefes Haus in Schwerin. Aquarellstifte von Faber Castell (und ein bisschen wasserlösliche Kreide) im Stillman&Birn Nova Trio.

Kormorane

Obwohl ich in Greifswald studiert habe und seit über zehn Jahren in Schwerin lebe, sah ich die ersten Kormorane nicht in Norddeutschland, sondern in den Rheinauen bei Karlsruhe. Es muss im zeitigen Frühjahr 2010 gewesen sein, mithin im „Jahr des Kormorans“, was ich damals allerdings noch nicht wusste. An den Schweriner Seen sind sie mir in diesem Winter zum ersten Mal aufgefallen. Ein Blick in den „Kormoranbericht Mecklenburg-Vorpommern“ bestätigt den Eindruck: die Zahl der Wintergäste hat wegen der milden Witterung stark zugenommen.

Wirkliche Vor-Ort-Studien waren bei dem bis vor kurzem noch kalten Wetter nicht möglich; so habe ich aus einem bisschen eigenem Gekritzel und Fotos aus dem Netz versucht, einige typische Silhouetten in Gouache zu skizzieren.

Mit ihren krummen Schnäbeln und ihrem schwarzen Gefieder sehen die Vögel ein bisschen unheimlich aus. Gern sitzen sie auf Ästen oder Buhnen über dem Wasser, manchmal in einer seltsamen und charakteristischen Haltung mit ausgebreiteten Flügeln und seitlich verdrehtem Kopf. Damit sie besser tauchen können, saugen sich ihre Federn schnell voll Wasser – und werden dann quasi zum Trocknen aufgehängt.

Die zahlreichen Wintergäste wurden vom Kälteeinbruch Mitte Februar eiskalt erwischt; einige Tage lang herrschte an einem kleinen Wasserloch am Schweriner Pfaffenteich ein unglaubliches Gewimmel. Hier konnte ich auch einen Kormoran gravitätisch über das Eis watscheln sehen – ein wirklich erheiternder Anblick! Und anscheinend eher selten, ein Referenzfoto habe ich nicht gefunden, so dass ich mich an mein eigenes und ein flüchtige Skizze gehalten habe. Auch schwimmend bieten die Vögel ein ungewohntes Bild: der Hinterleib samt Schwanz befindet sich unter der Wasseroberfläche; sie sehen aus wie überladene Schiffe.