Amaryllis No.3

Vor fünf Wochen habe ich eine schlummernde Amarylliszwiebel gezeichnet – inzwischen ist Bewegung in die Gesellschaft auf dem Fensterbrett gekommen. Von acht übersommerten Zwiebeln haben stolze sechs Blütenknospen angesetzt, eine davon ist gerade abgeblüht, drei sind dabei, sich zu entfalten. Immer mal wieder habe ich kleine Skizzen gemacht, in der letzten habe ich die Pflanzen nummeriert, um den Überblick nicht zu verlieren.

Dieses ist die Nummer 3, im Abstand von zwei Tagen. Ich habe mich wiederum der vergleichsweise strengen Kreuzschraffurtechnik bedient, dieses Mal allerdings noch ein bisschen Farbe eingebracht. Das Format ist klein: 12×12 cm misst das Skizzenbuch, das ich in der letzten Zeit gern und viel genutzt habe.


Amaryllis am Abend

Die großen Zwiebeln der Amaryllis hatten nach der Blüte am hellen Fenster ausgetrieben, bis sie im Sommer auf den Balkon durften. Ab August wurden sie nicht mehr gegossen, im Oktober wanderten sie auf den Platz am Fenster zurück, um im Winter erneut zu blühen.

Theoretisch ist das ganz einfach. 

Praktisch pflegen meine noch der Winterruhe, während ab Dezember in allen Geschäften blühbereite Zwiebeln stehen. Dieses Jahr war ich nicht einmal dazu gekommen, sie in hübsche Gefäße zu setzen; sie standen, scheinbar ohne sich zu rühren, im hässlichen grauen Plastikkasten am Fenster, während ihre zugekauften Kolleginnen sich bereits in schönster Pracht zeigten.

Heute habe ich sie endlich umgetopft und mich an den fleischigen Blütenknospen erfreut, die sich aus fünf von acht Zwiebeln dem Licht entgegen schieben. Die zu zeichnen, wird in den nächsten Tagen Zeit sein – heute Abend habe ich mich erst einmal einer ganzen Zwiebel gewidmet.

Angeregt ist sie Zeichnung auch durch Albrecht Risslers großartiges Buch „Zeichnen, was da so rumliegt“. Großer dicker weicher Bleistift und kein klitzekleines bisschen Farbe – da kriege ich ein bisschen Herzklopfen, ob das wohl auch wirklich geht …


Amaryllis auf wechselndem Grund

Vielleicht lag es am warmen letzten Jahr, dass von fünf meiner übersommerten Amaryllis-Zwiebeln drei zum Blühen kamen – ohne professionelle Gärtnersteuerung alle auf einmal Mitte Februar. Da standen sie dann wie Tänzerinnen an einem etwas kühleren Fenster und waren leider trotzdem viel zu schnell verblüht. Zwei Wochen hatte ich immerhin Zeit, sie abzubilden.

Unter der Hand geriet mir die Zeichenaktion zu einem kleinen Materialtest. Die schiere Größe der Blüten ermunterte mich zu Formaten weit jenseits von Stillman&Birn’s ungewöhnlichen und von mir favorisierten 18×25 Zentimetern, ich holte lange nicht genutzte Zeichenbücher und Aquarellblöcke aus dem Schrank – und brauchte für die größeren Formate natürlich auch mehr Farbe, als die halben Näpfchen meines „Handtaschenkästchens“ von Schmincke hergeben.

Gezeichnet mit wasserfester roter und grüner Tinte in einem alten Skizzenbuch von Vang, dessen schönes glattes, cremeweißes Papier mich wieder einmal begeistert hat. Koloriert mit Aquarellfarbe

Die Aquarellfarben der koreanischen Firma Miejello verwende ich selten. Sie verhalten sich anders als meine gewohnten Schmincke-Farben, deckender, weniger fließend; außerdem sind sie ziemlich bunt. (Was auch daran liegt, dass sich in meinem Satz nur Ein-Pigment-Töne befinden.) So ist auch die Blütenstudie ein bisschen schwer und massig geraten, fast wie ein Gouache.

Studie einer Amaryllisblüte. Aquarellfarben von Mijello auf Stillman&Birn Zeta, A4

Diese Kompositionsstudien sind auf einer Doppelseite des A4-Buches entstanden, mit wasserfester Tinte und Polychromos-Farbstiften.

Aus der Kompositionsstudie gingen zwei Aquarelle hervor. Das erste war noch wie Fahrradfahren mit Stützrädern – deren Rolle übernehmen hier die Tintenstriche.

Aquarellfarben von Miejello und White Nights auf Hahnemühle Bütten rau, umrahmt von ein bisschen wasserfester Tinte in graublau.

Beim zweiten war ich mutiger und habe sogar auf eine Vorzeichnung mit Bleistift verzichtet. Das Papier ist ein Schwergewicht von Hahnemühle, Akademie Aquarell, durchgeleimte 425 Gramm.

Ein Versuch in Aquarell.



Powells Hakenlilie – von der Skizze zum Bild

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Powells Hakenlilie – crinum x powellii – ein Amaryllisgewächs, das in Madeiras Wäldern vielfach verwildert zu finden ist.

Das Bild ist eine Erinnerung an meine Reise nach Madeira. Ich habe es mit nur vier Farbtönen von Schmincke Horadam – Cölinblauton, Ultramarin, Magenta und Indischgelb (in der Untermalung ist noch eine Spur Cadmium Zitrone) auf getöntem 300g-Bockingford-Papier gemalt.

90% oder mehr meiner Bilder sind „Skizzen“, Zeichnungen oder Aquarelle, die vor Ort entstehen und allenfalls nach- aber nicht umgearbeitet werden. Lediglich auf botanische Studien verwende ich eine längere Vorarbeit, doch auch sie entstehen letztlich „am Modell“. Für das Bild der Hakenlilien bin ich einen anderen Weg gegangen, habe die vor-Ort-Studie verändert, komprimiert und umgewandelt, bevor ich begann, sie im Stil der „Negativmalerei“ (z.B. nach Brenda Swenson) aufs Papier zu bringen. (Eine Premiere, bisherige Versuche scheiterten an zu komplexen Motiven oder mangelnder Vorbereitung.)

Da ich das so selten mache, habe ich Teile des Prozesses nachgezeichnet:


Mensch, Kaktus und Ritterstern

Am vierten Tag meiner Reise ging der Weg in den Botanischen Garten von Madeira. Das ist wörtlich zu nehmen, denn mein Hotel befindet sich in relativer Nähe dazu – es liegen nur zweihundert Höhenmeter dazwischen. Das ist in Funchal nicht viel. Also auf die Füße und los. Ich hatte den Ort in sehr schöner Erinnerung, leider wurde der Eindruck dieses Mal von Menschenscharen getrübt, die ein Bus nach dem anderen ausspieh. (Merke: Touristen sind immer die anderen.) Außerdem – der Park liegt schon 400 m über dem Meer – ging ein ordentlich kühler Wind.

Die weißen Lilien haben mich dann in ihren Bann gezogen. Ich erinnerte mich noch daran, im August weiße Amaryllen im Wald oberhalb von Funchal gesehen zu haben – sie hatten mich so fasziniert, dass sie mir später sogar im Traum erschienen sind!

Später habe ich mich dann zwischen den Mauern der Sukkulentenabteilung vor dem Wind verkrochen. Und da ich einen Größenvergleich für den Kaktus brauchte, kam mir der nächste mützentragende Rentner gerade recht. So hat sich dann alles noch gut gefügt (und fand seine krönende Fortsetzung in einem Orchideengewächshaus, doch das ist die nächste Geschichte.)