St.Petri über dem Wasser

Wie ein weißer Marmordom soll im Mittelalter die Feldsteinkirche über dem Wasser geleuchtet haben.

So steht es an einer Informationstafel neben der Kirche geschrieben.

Ich hatte nördlich von Bad Segeberg auf dem Dorf übernachtet, war durch das mal mehr, mal weniger hüglige Hinterland geradelt, bis der Große Plöner See so tiefblau vor mir lag, dass ich überlegte, ob ich nicht doch die Sonnenbrille aufhatte.

Es war ein kurzer Glücksmoment, bevor Wassergrundstücke die Sicht versperrten (Ach, Allmende …); einige Kilometer weiter wies der Weg zur Kirche.

Ich stand staunend: ein heiliger Hügel, ein Kraftort, von Eichen bestanden, wie es sich gehört. Der Schutzheilige der Kirche, Simon der Fischer, war nach den Evangelien der erste Schüler Jesu; später bekam er den Namen Petrus: „Der Fels“. Besser hätte es kaum passen können.


Von Schwerin nach Gadebusch …

… ist es nicht weit, mit dem Rad eine Nachmittagstour, gerade gut für den ersten Tag meiner diesjährigen Radreise. An der eigenen Haustür loszufahren und dabei Zeit zu haben ist ein erholungsfördernder Luxus.
Gegen Mittag fuhr ich los, nach Westen aus der Stadt hinaus auf vertrauten Wegen, erinnerte mich bei den ersten Dörfern an eine Radtour vor zwei Jahren, während der ich einige Dorfkirchen „eingesammelt“ hatte und erschöpft von Sonne, Wind und den langgestreckten Hügeln wieder zu Hause angekommen war.

Dieses Mal waren die Hügel – man kennt das – kürzer und niedriger (auch blies der Wind wieder aus Osten, was nun hinter mir lag) und schneller als erwartet kam ich in Vietlübbe an.

Die einzigartige Dorfkirche mit dem gleichschenklig kreuzförmigen Baukörper hatte ich schon 1980 einmal besucht; zum Zeichnen war ich, mittlerweile Schwerinerin, 2016 hingefahren. Dieses Mal nahm ich mir die spitzgieblige und so ganz und gar unromanische Außenansicht mit ihrem hohen Dachreiter vor.

Bis zu meinem Tagesziel Gadebusch war es nur noch ein Katzensprung; auch dort steht eine noch teilweise romanische Backsteinkirche. Ich fand sie, zu meiner Freude, geöffnet. Sie ist im Innern freundlich und licht. Schnell fand ich ein Zeichenobjekt, eine frisch aussehende und untypisch rot gewandete Madonna, die als Flachrelief einmal die Seitenwange eines Chorgestühls geziert hatte.

Das Motiv war schneller gefunden als gezeichnet, die aufsichtsführende Dame lud mich ein, am nächsten Vormittag zur Andacht wiederzukommen.

Ich nahm die Einladung gern an und saß am nächsten Vormittag zwischen fünf Damen, deren Altersdurchschnitt ich mit meinen 64 Jahren deutlich senkte. Danach stellte ich die Zeichnung weitgehend fertig, bevor ich mich auf den Weg nach Ratzeburg machte.


Treffurt II

Vor knapp zwei Wochen bin ich aus Treffurt Richtung Hannoversch Münden gefahren, nach Norden, Richtung Heimweg. (Zwei Tage lagen noch vor mir.) Es war der dritte Oktober, Feiertag, der Ort noch stiller als am Vortag (wenn das möglich ist) und in einer seltsamen Wetterlage mit warmem Südweststurm und aufziehendem Regen gefangen. Ich war zur Kirche hochgefahren, ich umkreiste sie wie am Vortag auf der Suche nach einem Zeichenblick, den ich, bei extremer Hanglage und verwinkelter Bebauung, nicht fand, ebensowenig wie eine geöffnete Kirchentür.

So wurde es wieder einmal Fachwerk, gebeugt und geneigt, bescheidener als die großen Bürgerhäuser um den Marktplatz herum.

In dem seltsamen Wetter verzogen sich noch einmal die Wolken, mit eins saß ich in der stechenden Sonne und machte mich schnell davon, den Hügel hinunter, mit einem halbfertigen Bild; heute habe ich die Farbe ergänzt. (Und das schöne Breitformat dazu genutzt, endlich mal einen neuen Seitentitel einzuziehen, so dass es nun gleich zweimal da ist.)

Kurz oberhalb des Marktplatzes, in der einzigen Straße, die ich noch nicht abgelaufen war, fand ich den Kirchenblick. Das Türmchen, das hinter dem Kirchenschiff hervorlugt, gehört zur Burg Normannstein, die etwas höher am Hang steht und früher über die drei Furten des Ortes Treffurt (Drei-Furt) gewacht hatte.


Kirchenburg

Als wir im Frühjahr von Meiningen aus zur Werra-Radtour aufbrachen, kamen wir zuerst durch Walldorf. Ich war überrascht – den Begriff „Kirchenburg“ hatte ich immer mit Siebenbürgen assoziiert, doch eigentlich war es nur der Bezeichnung, die mich verwunderte: In allen Zeiten und an vielen Orten boten Kirchen mit ihren dicken Mauern und hohen Türmen den Menschen Zuflucht vor Krieg und Raub. Manchmal war auch erst die Burg da und dann kam die Kirche; so war es in Walldorf gewesen. Aus einem strategisch wichtigen Flussübergang an der Nordgrenze des Frankenreiches entwickelte sich ein Königshof, der später zu einer bischöflichen Festung ausgebaut wurde.

Man errichtete eine erste Kapelle, der später eine Kirche folgte. Zur eigentlichen Kirche wurde die Anlage erst im Spätmittelalter. Im Dreißigjährigen Krieg wurde sie geplündert und brannte das erste Mal ab, wurde wieder aufgebaut, um 2012, vor kurzem erst und mitten im Frieden, noch einmal abzubrennen.

Inzwischen ist sie wieder aufgebaut.

Es war ein schöner blauer Tag, herrliches Zeichenwetter, als ich vor zwei Wochen noch einmal mit Zeichenzeit nach Walldorf kam. Ich fing zwei Skizzen an, in unterschiedlichen Büchern – nur eine, diese, führte ich fort; die Farbe kam, wie so oft, zu Hause.


Berlin, Berlin (Teil 2)

Berlin, Berlin, dein Herz kennt keine Mauern

John F. und die Gropiuslerchen, 1987

Für den Sonnabend stand die Mauergedenkstätte Bernauer Straße auf meinem Programm. Vor einiger Zeit war ich mal mit der Straßenbahn dort entlang gefahren, hatte das Areal kurz wahrgenommen, war aber nicht ausgestiegen. Jetzt erfuhr ich, dass es nur noch wenige Stellen im Berliner Stadtgebiet gibt, in denen Reste der Grenzanlagen (die „Mauer“ war nur ein Teil davon) erhalten sind.

Ich saß im Schatten eines der noch jungen Bäume, links von mir die Bernauer Straße, unspektakulär, Straßenbahn in der Mitte, auf der anderen Seite ein typischer Westberliner Bau aus den 70ern oder 80ern. Rechts von mir eine lange Reihe von übermannshohen Eisenstäben, den Verlauf der Mauer nachzeichnend, ein Stück weiter ein Stück originaler Beton. Hinter den Stäben – die so locker gesetzt sind, dass man durch sie hindurchgehen kann – und der Mauer eine Parkanlage auf dem Gelände, das einmal der „Todesstreifen“ war.

Die meisten Besucher und Besucherinnen waren jung, so jung, dass sie in Zeiten des geteilten Berlins noch nicht geboren waren. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es sich anfühlt, die Stadt Berlin (und ganz Deutschland) nur als Ganzes kennengelernt zu haben. Ich selbst war anderthalb Jahre alt, als die Mauer gebaut wurde; viele der Erinnerungen aus meiner frühen Oranienburger Kindheit haben mit der Erschütterung und dem Schmerz der Erwachsenen zu tun, denen ein ganzer familiärer Hintergrund abgetrennt worden war.

Als ich mit der Zeichnung fertig war, folgte ich weiter der Straße. Es gibt ein Dokumentationszentrum, das ich nur streifte, um mich der „Kapelle der Versöhnung“ zuzuwenden.

Dort, wo jetzt dieses Kapelle steht, im ehemaligen Todesstreifen, befand sich eine Kirche. Dass sie nach 1961 nicht mehr genutzt werden durfte, versteht sich von selbst; 1985 wurde sie gesprengt. Bald nach der Wende begann man mit dem Wiederaufbau als „Kapelle der Versöhnung – glücklicherweise nicht im preußischen Pseudokulissenstil. Hier hätte lange genug viel zu viel Beton gestanden, als dass man diesen Baustoff noch gern gesehen hätte – man entschied sich für einen ovalen Baukörper aus Stampflehm, verkleidet mit einem lichten Holzgitter.

Hinter der Kirche gibt es einen Gemeinschaftsgarten, und in den setzte ich mich, etwas stadt- und pflastermüde, und versuchte diesen so seltsamen wie nährenden Ort aufs Papier zu bringen.


Kloster Möllenbeck

Im landwirtschaftlich geprägten, dünn besiedelten Niedersachsen des frühen Mittelalters waren die Klöster lange vor den Städten da. Gestiftet wurden sie vom lokalen Adel, der sich gute Bedingungen im Jenseits und handfeste Einflussnahme im Diesseits erhoffte.

Diese Einflussnahme war – uns heutige wundert es – war häufig eine weibliche Angelegenheit. Während die Männer anderweitig und meist kriegerisch beschäftigt waren, gründeten die Frauen Klöster, aus deren Rückhalt sie die Interessen der Familie wahrnahmen.

So ist für das Jahr 896 die Gründung des Kloster Möllenbeck durch eine Edelfrau namens Hildburg beurkundet. Auf dem Bild sind Fragmenten einer sehr viel später entstanden Grabplatte mit dem Bild der Hildburg zu sehen.

Die heute sichtbare Anlage ist Ergebnis der bekannten Abfolge von Zerstörung und Wiederherstellung, von Umwidmung, Abriss und Neuaufbau. Das Kernkloster mit Wohngebäuden, Kreuzgang und Kirche ist seit der Frühen Neuzeit weitgehend unverändert geblieben. Die Gebäude beherbergen ein Jugendfreizeitheim, nur die Kirche ist öffentlich zugänglich. Beim Eintreten ist die Besucherin überrascht: es handelt sich um eine evangelisch-reformierte Kirche, bilderlos und sehr schlicht eingerichtet.

In einer Scheune des ehemaligen Wirtschaftshofes gibt es heute ein kleines, sehr schönes und anheimelndes Hotel mit einem Gartenrestaurant. Ich kam an einem Tag, an dem das Restaurant geschlossen hatte, ich setzte mich in der stillen und friedlichen Stimmung unter die alten Eschen und begann zu zeichnen.

Als ich die Farbe weitgehend auf dem Blatt hatte, hörte ich auf. Seitdem habe ich in der letzten Woche immer mal ein paar Striche daran gezeichnet; heute ist es nun fertig geworden.


Zweimal Denkmal

Zum Tag des offenen Denkmals hatte ich in Schwerin die Auswahl zwischen dem Logenhaus der Schweriner Freimaurer – ich hatte es vor Jahren einmal von außen gezeichnet – und zwei von den drei Kirchen, die ich im Frühjahr erradelt hatte. Bei den Freimaurern würde es, so fürchtete ich, voll werden und ich vielleicht nicht zum Zeichnen kommen; ich entschied mich für die Kirchen.

Als ich an der Kirche von Kirch Stück ankam, sah ich es deutlich vor meinem inneren Auge, das Datum: 11.09.22. Es war allerdings erst der 4. Umkehren? Ich erinnerte mich, dass die zweite Kirche, nur wenige Kilometer entfernt, im März ganz ohne Denkmalanlass offen gewesen war; so auch an diesem Tag. Die Trebbower Kirche ist der gleiche Bautyp wie die im stillen, (gott)verlassenen Prestin – ein schlichter Hallenbau ohne Turm, mit Spitzdach, gerundetem Chorraum, einem kleinen Sakristeianbau an der Südwand und einem frei stehenden Glockenstuhl.

Still war es auch hier, eine belebte und bewohnte Stille. Am Friedhofstor schon begrüßte mich das „Offene-Kirche“-Schild, es passte zur einladenden und freundlichen Atmosphäre des Ortes.

Dorfkirche Groß Trebbow bei Schwerin, aquarelliert in meinem etwas „wilden“ Leporello.

Bevor ich hineinging, ließ ich mich im Moos unter alten Bäumen nieder und stellte dieses Bild fast fertig; zuhause vertiefte ich nur die Schatten ein wenig.

Im Innern erwartet die Besucherin freundlich-naives Barock an Kanzel und Altar; Voluten, Knorpelwerk und pausbäckige Engel. Als Kanzelträger, im dunklen Untergrund, erst auf den zweiten oder dritten Blick sichtbar, fungiert eine düstere Maske mit gelben Augen.

Am folgenden Sonntag war dann wirklich der Tag des Offenen Denkmals und ich radelte noch einmal ins nahe gelegene Kirch Stück, um die vielfach im Vorbeifahren gesehene Kirche endlich einmal von innen kennenzulernen. Für eine Dorfkirche ist sie bereits im Mittelalter wertvoll ausgestattet worden, u.a. beherbergt sie eine der ältesten Glasmalereien Mecklenburgs.

Meine Blicke wurden sofort von dem grob in Granit gehauenen Taufstein angezogen. Man weiß nichts zuverlässiges über diese Steine; sie künden von Vorfahren, die außer ihnen nichts Steinernes und auch nichts Schriftliches hinterlassen haben und denen man später das Etikett „Heiden“ aufdrückte. Ich habe solche Taufsteine schon mehrfach gezeichnet, in Mecklenburg und sogar in Franken.

An der Stirnseite der Kirche steht ein fröhlich-bunter gotischer Altar mit der üblichen Aufreihung von Heiligen in den Seitenflügeln. Der Mittelteil ist von erzählenden Szenen rund um Jesu Hinrichtung ausgefüllt; dazu kommt der heilige Georg, dem die Kirche geweiht war. In schönster Märchenmanier erlegt er den Drachen, während die Prinzessin für den guten Ausgang der Geschichte betet.

St.Georg erlegt den Drachen – Mittelteil des Altaraufsatzes der Kirche in Kirch Stück bei Schwerin. Diese Seite des Leporellos hatte ich mich einem Papier grundiert, in dem Blattstücke verarbeitet sind.

Rückblick 2: In der Stille

Im März hatte ich einen Anlauf genommen, der für Monate der einzige bleiben sollte: Mit dem Fahrrad die Kirchen der Umgebung zu besuchen und zu zeichnen, einen kleinen Pilgerweg vor Ort zu zelebrieren … Schön wäre das gewesen, theoretisch. Praktisch bin ich an unverplanten Wochenenden gern eine Einsiedlerin, die je nach Jahreszeit Balkon, Ofenplatz oder Sofa bewohnt und zeichnend an Stillleben und Pflanzen ihre Freude hat. Die verplanten, man ahnt es, gehören Freunden und Familie.

Manchmal lässt sich etwas verbinden, wie vor vier Wochen, als ich eine Freundin besuchte, die im tiefsten mecklenburgischen Hinterland lebt, zwischen Schwerin und der Seenplatte. Ich befragte meinen Kirchenführer und fand eine Dorfkirche, die fast am Weg lag, in Prestin.

Gezeichnet mit allerlei Buntstiften im quadratischen S&B Nova, das sich langsam füllt.

Es war gegen Mittag und heiß, dabei noch luftig (die Schwüle würde erst kommen im Lauf des August) und unfassbar still. Der leichte Wind raschelte in den Blättern, mehr war nicht zu hören.

Eine bescheidene Kirche ohne Turm, halb Feldstein, halb Fachwerk, und links daneben, auf meinem Bild nicht sichtbar, die Grabkapelle des Adelsgeschlechts, das hier einst das Sagen hatte. Vielleicht hatten dessen Nachfahren auch die neuen Dachziegel und die Renovierung bezahlt, denn die Kirche war zwar verlassen, aber keineswegs verfallen. Die Kirchentür war verschlossen, im Schaukasten gilbte eine Telefonnummer neben dem Plan der Gottesdienste, die in den Nachbardörfern stattfinden.

Zu Hause schaute ich mir das Foto in meinem Bildband noch einmal an, der mir als Wegweiser dient: Fast der gleiche Blickwinkel, etwas größer der Abstand; die Linde, in deren Schatten ich gesessen hatte, war mit im Bild, blattlos, winterlich. Der große Nadelbaum, der mir halb den Blick versperrt hatte, fehlte noch. Stattdessen, und ich brauchte etwas, um den Unterschied zu sehen, standen Grabsteine im Vordergrund, zahlreiche Grabsteine – ein ganz normaler Dorffriedhof. Wird die Pacht für ein Grab nicht verlängert, muss oft auch der Stein entfernt werden. Das Foto wird um 1980 herum aufgenommen sein – vierzig Jahre später sind nicht nur die Dörfer halb verlassen, auch die Friedhöfe beginnen zu verkahlen. Die nach dorfeinheitlichen Regeln (deren Wirkmacht nur unterschätzt, wer nie auf dem Dorf gelebt hat) gestalteten Gräber (Buchsbaum, Bergenien, Begonien; im Frühjahr Stiefmütterchen und vor Totensonntag das Tannengrün) werden weniger, mit ihnen die Regelhüterinnen …

Was bleibt, ist die Stille.


Zwei von einundfünfzig

Seit einigen Wochen bin ich stolze Besitzerin eines E-Bikes. In der Woche radele ich zu meiner neuen Arbeit (nach dreizehn Jahren Pendeln mit dem Auto) und am Wochenende fahre ich damit über Land. Damit ich auch ein paar interessante Ziele habe, mache ich aus diesen Landpartien einen kleinen Pilgerweg zu den Dorfkirchen um Schwerin – Zeichnung selbstverständlich inbegriffen. Wegweiser ist ein Bildband mit 51 Kirchen, den mir vor dreißig Jahren ein Freund anlässlich meiner damaligen Übersiedlung nach Mecklenburg schenkte.

So ist zumindest der Plan.

Letztes Wochenende war es zum ersten Mal soweit, und natürlich hatte ich mir viel zu viel auf den Teller getan. Drei Kirchen hatte ich mir vorgenommen und eine ganz ordentlich Radstrecke. Am Ende kam ich erschöpft, mit Sonnenbrand und drei viertel- bis halbfertigen Skizzen zurück.

An der ersten Kirche bin ich schon ungezählte Male vorbei gefahren. Sie liegt wenige Kilometer nördlich von Schwerin direkt an der Straße nach Wismar auf einem Hügel, der weit ins Land blickt. Sie wirkt verloren dort, fast ohne Dorf an einer lebhaft befahrenen Fernverkehrsstraße; dabei ist sie groß und stattlich für eine Dorfkirche. Innen soll sie reich ausgestattet sein mit einem prächtigen Schnitzaltar und kostbaren mittelalterlichen Fenstern, doch ich hätte mir einen Schlüssel holen müssen, um hineinzukommen. Stattdessen setzte ich mich auf die gegenüberliegende Straßenseite in den kalten und windigen Schatten und schaffte gerade mal eine Umrisszeichnung. Die schaute ich zu Hause etwas unentschlossen an, bis ich mich heute doch dazu durchrang, sie mit einer reduzierten Palette ein bisschen zu kolorieren.

Dorfkirche von Kirch Stück bei Schwerin

Der Weg zum nächsten Ort führte über einen hübschen Feldweg durch eine Allee, vorbei an einem kleinen See und noch einem: Groß Trebbow am Trebbower See, und mitten im Ort eine zauberhafte kleine Kirche ohne Turm in einem grünen und von Frühlingsblumen übersäten Friedhof. Leider ging das Bild ziemlich schief, doch da mir der Ort so gut gefiel, beschloss ich wiederzukommen und ihm einen ganzen Nachmittag zu schenken. (Die Kirche war, als einzige von den dreien, geöffnet und innen licht und voller Bauernbarock, der allein den Weg wert gewesen wäre.)

Am letzten Ziel hatte ich mehr Glück: In Cramon stand genau an der richtigen Stelle eine Bank und ich konnte in Ruhe die Farben rausholen und mit zumindest einer Farbschicht beginnen. Erst danach kam der Füller ins Spiel. Heute habe ich Farbe und Form noch ein bisschen vertieft und mich mit der reduzierten Palette an das erste Bild angelehnt.

Kirche von Cramon

Cramon liegt – wenig überraschend – am Cramoner See, einem langgestreckten Gewässer in einem tief eingeschnittenen Endmoränengraben, gut versteckt vor der Fernstraße. So war ich dort schon oft vorbeigefahren, ohne Dorf, See und Kirche je gesehen zu haben und ohne zu erfahren, dass der Großvater des Schriftstellers Uwe Johnson auf diesem Friedhof begraben liegt.