Im Zauberwald und in der Stadt
Veröffentlicht: 7. Oktober 2021 Abgelegt unter: Bewohntes Gelände 10, Pflanzen, Reiseskizzen | Tags: Pilgerweg, Pilze, Schweiz, Stuttgart 2 KommentareNachdem ich mit der Rhätischen Bahn durch den Tunnel gefahren war, ging der Weg am nächsten Tag ab Susch durchs Unterengadin weiter. Das Dorf liegt auf 1400 Höhenmetern, und der Weg führte an der nördlichen Talseite bergan – es war schattig und kalt. Vom Anstieg wurde mir bald warm, und ich erfreute mich an dem Zauberwald um mich herum: uralte Fichten und Lärchen, riesige Felsblöcke, Preiselbeeren und – Pilze! Sehnsüchtig hatte ich in den Wäldern des Rheintals danach gesucht, doch nur vereinzelt ein paar kleine Boviste oder ein Schopftintling gefunden. Hier hingegen schienen sie aus den Wegrainen zu quellen, Täublinge, Massen von Schafporlingen, Edelreizker … Natürlich hatte ich keine Möglichkeit, sie mitzunehmen und womöglich zuzubereiten, also winkte ich freundlich in ihre Richtung und pflückte mir ab und zu eine Preiselbeere.
An einem Holzplatz fand ich eine größere Menge an goldbraunen Pilzen, die ich noch nie gesehen hatte: besonders beeindruckte mich der leuchtend braune, weiche Ring. Wie ein Pantherpilz, der in braune Farbe gefallen war … Meine App hatte dazu auch nichts zu sagen, so machte ich einige Fotos und eine Bleistiftskizze.

Erst zu Hause wusste eins meiner Pilzbücher Rat: Es waren Goldbraune Glimmerschüpplinge, die mich so beeindruckt hatten. Keine Wunder, dass sie schwer zu bestimmen waren: hatten sie zwar reichlich Goldbraun an sich, doch weder Glimmer noch Schuppen. Beides war den schon recht alten Exemplaren im Regen verloren gegangen. Glimmerschüpplinge sind relativ selten; sie enthalten Blausäure, die zwar beim Kochen verdampft, doch sind Vergiftungen beobachtet worden.
Richtig ins Staunen geriet ich angesichts der seltsamen blattartigen grünen Pilze, die ich zwischen Moos und Preiselbeeren wachsen sah. Auch hier galt: Bleistiftskizze und Fotos, denn die netzunabhängige App war ratlos. Fündig wurde ich bereits abends im Hotel: es waren gar keine „normalen“ Pilze, sondern Flechten, Symbionten aus Alge und Pilz, und zwar die seltene „Grüne Blattflechte“, Peltigera malacea. Das Bild habe ich dann aber erst zu Hause fertiggestellt.

Auf dem Heimweg hatte ich einen Tag in Stuttgart pausiert. Auf einer Baumscheibe in einem ländlichen Vorort fand ich den „Falschen Schwefelröhrling“ (ich habe keine Ahnung, wie der richtige aussieht), auch „Gelber Hexenröhrling“ genannt. Hier wusste die App gleich Bescheid. Nach einem ausgefüllten Tag hatte ich abends im Hotel noch Lust, den Pilz zu zeichnen und holte ihn mir ins Zimmer – doch ich hatte die Rechnung ohne das gelbe Lampenlicht gemacht. So kamen wieder Fotos und Farbproben ins Spiel, dieses Mal im Bad – zum Fertigstellen war am nächsten Tag im ICE ausreichend Zeit.