Stadtwanderung

Eine Stadtwanderung hatte ich mir schon lange vorgenommen. Heute war es endlich so weit. Gegen zehn ging ich los, zuerst Richtung Innenstadt. Die erste Rast legte ich auf der Mecklenburgstraße ein, der Schweriner Fußgängerzone. Das „Puppenhaus“ mit seinen leuchtend blauen Terrakottafiguren lag im schönsten Vormittagslicht. Es ist ein Bau des Backsteinexpressionismus (wie das berühmte Hamburger Chilehaus).

Blaue Terrakotta auf ziegelrotem Grund – das „Puppenhaus“ an der Schweriner Mecklenburgstraße.

Der Weg führte weiter zum Alten Friedhof. Versteckt an einem Seitenweg blickt dort das Grab des Schweriner Stadtbaumeisters Demmler von einem Hügel ins Land. Dieses Grabgebäude ist so bemerkenswert wie bizarr, ist es doch über und über mit Freimaurersymbolen bedeckt. Demmler hatte in Schwerin etwa die Position wie Schinkel in Preußen. Er muss eine beeindruckende Persönlichkeit gewesen sein; sein Charisma ist auch aus zeitgenössischen Abbildungen noch zu ahnen. Er war ein Liberaler, später Gründungsmitglied der jungen Sozialdemokratie und eben Freimaurer. (Trotz seiner linken Ambitionen hatte er einen guten Draht zum Herzog, was den Hofschranzen überhaupt nicht passte.)

Die meisten der Symbole habe ich mit einem bisschen Googeln entziffern können; am bekanntesten sind, auf der oberen Stufe nur angeschnitten sichtbar, Zirkel und rechter Winkel, die so etwas wie „Liebe und Gerchtigkeit“ bedeuten.

Am Grabmal des Schweriner Stadtbaumeisters Demmler finden sich zahlreiche Freimaurersymbole.

Ich wanderte weiter über den Friedhof, fand einen schicken neuen Radweg mit Rastplätzen und Schautafeln, entschloss ich aber nach einem Blick in den Himmel zur Rückkehr Richtung Innenstadt, ohne Zeichnung; der Regen erwischte mich trotzdem.

Nachdem der abgezogen war, fand ich mich nicht ganz zufällig vor dem Logenhaus der Schweriner Freimaurer wieder. Wennschon, dennschon. Es steht in etwas versteckt einer Seitenstraße neben dem Dom.

Das Logenhaus der Schweriner Freimaurer in der Schlachterstraße 17a.

Albertinum

Als ich vor einem Jahr in der großen DDR-Schau des Dresdner Albertinums war, hatte ich mir vorgenommen, mich bei meinem nächsten Besuch den Skulpturen der ständigen Ausstellung zu widmen. Viele sind es, sehr viele, durch alle Zeiten und Größen, von Antike bis Postmoderne, von handlich bis monumental.

Meine erste Wahl fiel auf den 1911 entstandenen „Siegerknaben“ von Sascha Schneider. Die Jugendstilästhetik mit ihrem Materialmix hatte es mir angetan.

Von ganz anderer Art ist Christian Volls „Frau, sich den BH öffnend“. Die 60 cm kleine Statue aus rotem Ton trennen nur elf Jahre von dem ätherischen Knaben – und mit ihnen ein ganzes Zeitalter. Der in Karslruhe wirkende Christian Voll schuf ein Kunstwerk von ganz anderer Erotik: erdverbunden, wahrhaftig und sehr menschlich. Ganz glücklich saß ich vor der Figur, die sich ihren Platz im Schaudepot mit vielen anderen teilen musste – und wegen dieses Ortes auch einen Inventarzettel trägt.

Beide Bilder sind im grauen Stillman&Birn Nova Buch entstanden, und zwar vor Ort mit einem sepiabraunen Polychromos-Buntstift. Farbe kam dann später: für den Knaben habe ich verschiedene Marker kombiniert und die Frau ist mit Aquarell und Deckweiß koloriert.