Rückblick: Eisenach

Seltsamerweise war ich 2023 drei Mal in Eisenach. Zuerst, Ende April, ein Abstecher von der Werra-Tour, als Nachlese dazu ein paar Stunden im September und zum guten Schluss einige Seminartage (samt angehängtem Wochenende) im November. Gezeigt habe ich davon bisher nur ein Frühlingsbild.

Im September saß ich bei strahlendem Sonnenwetter zwischen vielen Menschen auf dem Marktplatz und zeichnete, was ich in dieser Woche überall zeichnete: Fachwerk. Zu mehr kam ich an diesem Tag nicht.

Im November war mehr Zeit. Zuerst für den Blick aus meiner Hotellobby:

Ich hatte in diesen Tagen auch Muße für einiges, was die Stadt an Museen zu bieten hat. Mein Favorit war das Bachhaus, in dem ich mehrere Stunden zubrachte. Ein klug präsentierter Wissensschatz, untermalt von Bachscher Musik an zahlreichen Hörstationen, und als Höhepunkt eine kleine Präsentation von Originalinstrumenten.

Dieses kleine Aquarell entstand auf der Grundlage einer flüchtigen Bleistiftskizze und eines Fotos.


Allerleigrau

Ein langer grauer Januar ist endlich zu Ende! Als ich mich vorhin daran machte, die Skizzen zu scannen, die „nebenbei“ mit dem kleinen Gepäck – Miniskizzenbuch „Art Creation“ 12×12 cm und vier Kugelschreibern – entstanden sind, fand ich eine andere Kugelschreiberskizze wieder: Am 03. Januar, auf dem Heimweg von meinem „Neujahrsretreat“, war ich noch bei Barlach in Güstrow eingekehrt. In der Gertrudenkapelle hatte ich schon mehrfach gezeichnet, jedes Mal mit dem Gefühl, an einen Ort von besonderer Stille und Sammlung geraten zu sein. (An einen Ort auch, an dem noch keine Angst vor Kartoffelbrei und Tomatensuppe herrscht: Mit Hinweis auf mein Malzeug durfte ich den Rucksack mit ein die Ausstellung nehmen, in der ich lange allein [allein!] saß, wenn man von der Aufsicht per Kamera im Nebengebäude absieht.)

So kam ich zu einer Zeichnung von Barlachs „Lesenden Mönchen“, und natürlich gefiel mir besonders, wie es Barlach gelungen war, einen dicken Mann durchgeistigt aussehen zu lassen.

Doch dann kam er, der Januar, und mit ihm in paar Plagen von der Art einer hartnäckigen Grippe, die eigentlich schon Weihnachten hätte vorbei sei sollen … So blieben selbst die niedrigschwelligen Kugelschreiber im Rucksack und wurden erst gegen Ende des Monats wieder herausgeholt. Die ersten Striche sind so ungelenk, als hätte man nie einen Stift gehalten, und es braucht ein paar verkrakelte Blätter, bis die Hand wieder locker ist.

Wie sich das gehört in so einer Zeit, sitzt man auch länger als einem lieb ist in Wartezimmern herum, doch auch das geht vorbei, und man findet sich in der Oper wieder:

Eine grandiose Aufführung des „Freischütz“, konzertant mit einigen Verfremdungen nach Brechtscher Manier, die sich nicht in den Vordergrund drängten, sondern die Musik um so prächtiger strahlen ließen. (Hat jemand schon mal einen züchtig schwarz gekleideten Opernchor mittels einiger Taschenlampen sich in Wolfsschlucht-Geister verwandeln sehen?)

Und nach der Oper das epische Theater: eine Dienstversammlung. Für die Zeichnerin war sie fast zu kurz, sie schaffte gerade mal die Umrisse.


Güstrow

Gestern war ich zum Zeichnen in Güstrow, und natürlich ging es zuerst in den Dom. In der überbordenden Fülle der Motive hielten wir uns – ich war mit einer Zeichenfreundin dort – an das bekannteste Motiv: den schwebenden Engel von Barlach. Es war eine schöne halbe Stunde dort in der Seitenkapelle; jemand übte Orgel und der Küster störte uns nicht, obwohl eigentlich schon Mittagspause war. 

„Der Schwebende“ – Plastik von Ernst Barlach im Güstrower Dom.

Erst im Gehen merkten wir, dass wir doch ganz schön durchgefroren waren; und leider wurde uns auch an unserem nächsten Ziel, der Getrudenkapelle, nicht wärmer. Ein wenig außerhalb der alten Stadtbefestigung steht die gotische Kapelle auf dem Gelände eines ehemaligen Friedhofs. Die Kapelle ist einer der beiden Ausstellungsorte von Barlachs Werken in Güstrow – der zweite, sein Atelierhaus, liegt etwas außerhalb der Stadt. 

Zuerst wollte ich wieder eine der Skulpturen zeichnen, doch dann entschied ich mich für den Raumeindruck dieses stillen und gesammelten Ortes, an dem nichts dir Wirkung der Plastiken stört. 

In der Güstrower Gertrudenkapelle.

Leider vertrieb uns die Kälte doch recht bald, und nachdem wir uns in einem Café aufgewärmt hatten, fiel schon die Dämmerung ein. Eine letzte halbe Stunde lang sahen wir uns noch in dem kleinen Museum der Güstrower Stadtinformation um, und ich blieb ganz begeistert an einer Musikbox aus den 50er oder 60er Jahren hängen, einem Gegenstand von aus der zeit gefallener Ästhetik und Mechanik; und doch erinnerte ich mich, als Kind mit großen Augen vor solchen Geräten gestanden zu haben. 

Eine Musikbox in der zeitgeschichtlichen Abteilung des Güstrow-Museums.

Landpartie

Gestern bin ich über Land gefahren, zum Töpfermarkt nach Friedrichsmoor in der Lewitz. Allerschönstes Wetter, die Welt sah aus wie frisch gestrichen und entsprechend angenehm war die Stimmung unter den alten Eichen im Park des Jagdschlosses. Mit dem Zeichnen war ich erst ein bisschen scheu, in so einer Atmosphäre erweckt man leicht den Eindruck, man selbst wäre auch zu besichtigen.

Da hilft es, dort zu zeichnen, wo die Musik spielt. Interessant zu hören war, dass die beiden gut gelaunten Folkmusiker nicht nur für sich und das Publikum, sondern auch für die Wissenschaft spielen: sie sind dem „Zentrum für Traditionelle Musik“ am Schweriner Volkskundemuseum verbunden.

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Dr. Ralf Gehler und Peter Kingerske spielen hinreißende Volksmusik.

Auch wo es dampft und raucht, lässt es sich gut am Rande zeichnen: Beim Raku-Brand wird das heiße Brenngut erst in Sägemehl gelegt und dann in Wasser abgekühlt; Resultat ist eine charaktervolle Keramik mit starken Farbkontrasten und typischen Glasurrissen.

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Raku-Brand: Aus den Sägespänen steigt Rauch auf.