Friedrich der Gebissene (Leporello II)

So ein Leporello ist eigentlicher ein Papierstreifen – mit einer Vorder- und einer Rückseite. Die Vorderseite hatte sich auf einer Grundierung mit leuchtenden Herbstfarben über einige Tage gefüllt; blieb noch ein letzter Urlaubstag für die Rückseite. Das Wetter war grau und ein bisschen regnerisch, ich passte die Farbstellung daran an und fuhr nach Meißen, wo die Albrechtsburg notfalls Innenräume für ganze Zeichenwochen geboten hätte.

Erst einmal war das Wetter ganz erträglich und ich zeichnete den Blick vom Terrassengarten eines der Cafés auf der Burg.

Dann entschloss ich mich hineinzugehen. Die Meißner Albrechtsburg gilt als der erste Schlossbau Mitteleuropas; keine nachträglich wohnlich ausgestattete Verteidigungsanlage, sondern ein Neubau zu Wohn- und Repräsentationszwecken. Architektonisch handelt es sich um reine Gotik, in einer späten, überreifen Form. Berühmt sind die „Zellengewölbe“, manieristisch auf die Spitze getriebene Gewölbekonstruktionen, und die modern wirkenden „Vorhangfenster“.

Die Burg teilte das Schicksal ähnlicher Bauprojekte: als sie fertig war, wurde sie nicht mehr gebraucht, weil die politischen Verhältnisse sich geändert hatten. August der Starke ließ seine Porzellanmanufaktur dort einziehen und erst das 19.Jahrhundert mit seiner Mittelaltersehnsucht verhalf ihr zu nostalgisch-neuem Glanz.

Für Zeichner ist die Burg ein Paradies! Die zahlreichen Räume auf drei Etagen wirken entweder durch ihre Dekoration oder sie beherbergen sparsam platzierte kultur- und architekturgeschichtliche Ausstellungen, man kann sich überall hinsetzen und den Raumeindruck genießen.

„Der alten Herzogin Gemach“ ist einer der typischen Räume im Mittelgeschoss, die einmal als Wohnräume konzipiert waren. Das „Vorhangfenster“ erlaubt einen weiten Blick ins Land.

Die Repräsentationsräume im ersten Stock sind, ähnlich wie in der Eisenacher Wartburg mit überbordenden Wandmalereien und neogotischen Dekorationen geschmückt. Hier hatten es mir die mindestens lebensgroßen, bunt bemalten Herrscherfiguren angetan, die in einer Zeit entstanden sind, als breitbeinig zur Schau getragene und mit diversen phallischen Symbolen dekorierte Männlichkeit ein noch unbezweifeltes Ideal war. Den ganz rechten Herrn habe ich von einem Wandbild abgezeichnet: „Friedrich der Gebissene, Sohn Albrechts des Entarteten“ – der musste einfach mit! (Die Beinamen sind authentisch.)

Johann Georg II. von Sachsen, Heinrich der Vogeler und Friedrich der Gebissene.

Zum Schluss gab es noch einmal einen Caféterrassenblick – dieses Mal schon am Fuß der Burg.

Blick von der Konditorei Zieger auf die Burgstraße; es dämmert schon.

Porzellan

Vor einiger Zeit sah ich ein wunderbares Aquarell einer Meissner Porzellantasse, und da ich schon wusste, dass ich nach Dresden fahren würde, nahm ich mir vor, einen Abstecher in die Meissner Manufaktur zu machen. Als Achtjährige war ich dort schon einmal gewesen, auch damals konnte man den Porzellanmalerinnen schon auf die Finger sehen und ich erinnere mich daran, wie erstaunt ich darüber war, dass das ungebrannte Kobaltblau fast schwarz ist.

Mittlerweile ist alles neu und schick, es gibt vorher einen Film und einen recht zügigen Rundgang mit Audioguide. Beim Zeichnen musste ich wirklich fix sein und mehr als ein paar Umrisslinien waren nicht drin. Die Farbe habe ich zu Hause ergänzt, wobei ich mit diversen Markern anfing, um dann mit Pinsel und Farbe weiterzumachen.


Vom Harz nach Leipzig

Und schon ist die erste Reisewoche vorbei, eine Woche Ferienhausurlaub mit Freunden und Familie und zum Glück auch ordentlich Zeichenzeit. Ich bin beim Inktober geblieben, habe mit schwarz und weiß auf grau gezeichnet und ab und zu ein bisschen Farbe zugefügt.
Zuerst ein Nachtrag von der Burg Falkenstein. Zufällig waren wir in ein Burgfest geraten; als Höhepunkt gab es ein Ritterturnier. Ich habe mich dabei in schnellen Bewegungsskizzen geübt und zum Schluss für den Herrn von Falkenstein doch ein Foto zur Hilfe genommen. 

Dienstag teilte sich die Reisegesellschaft; ich fuhr nach Leipzig, um mir die große Ausstellung ostdeutscher Kunst im Museum der bildenden Künste anzusehen. Der „Mann mit Koffer“ von Trak Wendisch rief in mir ein 80er-Jahre-Gefühl wach, vieles andere blieb mir feDienstag teilte sich die Reisegesellschaft; ich fuhr nach Leipzig, um mir die große Ausstellung ostdeutscher Kunst im Museum der bildenden Künste anzusehen. Der „Mann mit Koffer“ von Trak Wendisch rief in mir ein 80er-Jahre-Gefühl wach, vieles andere blieb mir fern.

Regelrecht befremdet war ich vom Museum selbst, ich fühlte mich als Besucherin dort unwillkommen zwischen allerlei L´art-pour-l´art-Spielereien, angefangen bei viel zu kleinen Garderoben in einer riesigen Halle, düsteren Treppenhäusern bis zu türkisfarbenen Wänden mit Wandtatoos hinter mittelalterlichen Gemälden. Klingers Beethoven und den verbundenen Jugendstil hatte man glücklicherweise einfach bei sich gelassen. 

Zum Zeichnen entschied ich mich für eine „Flora“ aus zart bemaltem Marmor. 

Und zum guten Schluss war da noch der sehr entspannte junge Mann im Einkaufszentrum …


Frauenkirche

Hier nun das dritte und letzte Bild meiner Dresden-Reise, entstanden samstagmorgens an der Elbe. Ich war früh auf, und bevor noch mein Frühstückscafé öffnete, setzte ich mich in einen kleinen, um diese Zeit natürlich verlassenen Biergarten am Elbufer. Vor mir lag das berühmte Panorama im Morgenlicht, anfangs noch sanft und verhangen, später in greller stechender Sonne.

Deren Licht einzufangen war nicht einfach und (für mich) letztlich nur um den Preis von viel Blau am Himmel und viel Grau in den Schatten zu haben. Auf stützende Tintenlinien zu verzichten fiel mir nicht leicht, immer wieder zuckte die Zeichenhand zum Füller; am Ende kam er dann mit einem kleinen Stück Schrift zum Einsatz.

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Die Dresdener Frauenkirche im Morgenlicht. Aquarell auf Stillman&Birn Beta.


Schildkröten

Noch vor dem großen Fliegenmodell habe in einem der Tropenhäuser des Botanischen Gartens der Dresdener Universität einige Schildkröten gezeichnet. Schildkröten sind dankbare Objekte, denn sie bewegen sich bekanntlich nur wenig – wobei diese Art, die Amerikanische Gelbwangen-Schmuckschildkröte, unter Haltern als „lebhaft“ gilt. Den Namen habe ich erst durch Recherche herausgefunden – sie waren, anders als alle Pflanzen, nicht bezeichnet. Dabei habe ich erstaunt erfahren, dass die Tiere fast schon als invasive Art gelten. Immer mal wieder werden welche in der Elbe oder anderswo ausgesetzt und landen dann in mittlerweile schon ziemlich überfüllten Auffangstationen. Vielleicht ist das Tropengewächshaus ja auch so ein Schildkrötenasyl.

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Gelbwangen-Schmuckschildkröten im Botanischen Garten Dresden. Gezeichnet mit blaugrauer Tinte von deAtramentis auf vorgrundiertem Stillman&Birn Beta.