Vierundzwanzig Farben II

Nachdem ich meinen Farbkasten gezeichnet hatte, bekam ich Lust, mich den Farben im Einzelnen zu widmen. Oder eher in der Form von Gruppenporträts, wobei manche mehrmals auftauchen. Die Farben sind, wenn nicht anders erwähnt, von Schmincke Horadam und heißen dort auch so, wie ich sie hier nenne. Zum Nachschlagen eignet sich die Farbbroschüre des Herstellers. Die Pigmentnummern lassen sich hier nachschlagen.

Zuerst einmal die Primärfarben, wie wir sie von jedem Farbdrucker kennen – CMY. Cyan (Schmincke Heliocoelin), Magenta, Yellow (Kadmiumgelb hell). Wäre ich einer, würde ich damit alle Farben hinbekommen. Jedenfalls theoretisch. Denn auch so ein Drucker – der ebenfalls ein Aquarellist ist und mit der Helligkeit des Papiers arbeitet – braucht etwas Dunkles für die Schatten. Die „dunkle Ecke“ des kleinen Kastens enthält bei mir zur Zeit fünf Farben – vier davon sind im rechten Kästchen zu sehen. Oben Sepia und Indigo – beides moderne Nachstellungen traditioneller Farben. (Gerne würde ich mal mit echtem „Sepia“ vom Tintenfisch malen und erfahren, wie sich diese Farbe anfühlt.) Zusammen ergeben die beiden „mein“ Paynesgrau und dick aufgetragen ein lebendiges Schwarz. (Der englische Landschaftsmaler William Payne kam als erster auf die Idee, ein lebendiges Grau aus verschiedenen „farbigen“ Tönen zu mischen.)

Neben diesen beiden Universalisten sieht man unten noch zwei dunkle Spezialfarben. Hämatitschwarz, das kein Schwarz ist, sondern ein dunkles , sehr neutrales Grau (mit der internationalen Pigmentnummer PG 17), opak und granulierend, eignet sich für Steine aller Arten, ob verbaut oder in der Natur. Das Van-Dyck-Braun ist von dem polnischen Hersteller Roman Szmal, einem Spezialisten für Naturfarben, und besteht aus reiner Braunkohle. Es ist ein tiefer, warmer, ebenfalls stark granulierender Ton, bei dem ich an ein umgepflügtes Feld denken muss.

Gleich neben den Schwarzäquivalenten kommen die Blautöne. Indigo ist schon der erste von ihnen, Heliocoelin haben wir als „Cyan“ kennengelernt, dazu noch Ultramarin. Auch Ultramarin ist ein Universalist, passt sich überall an, bringt Schatten zum Leuchten und Himmel zum Strahlen. Nach einem Versuch mit dem stark granulierenden „Französisch Ultramarin“ bin ich wieder zu „Feinst“ zurückgekehrt.

Daneben stehen vier Möglichkeiten, ein Grau zu ermischen – neben einer zarteren Variante von Paynesgrau noch einige weniger vertraute „Buntgraue“.

Unter den Gelbtönen ist ein Neuling. Neben Kadmiumgelb hell, stark deckend und als „Yellow“ eine der drei Grundfarben, und dem lasierenden und strahlenden Indischgelb ist eine Farbe namens „Grüngold“ von der koreanischen Firma „Mijello“ (PY 150, Nickel-Azo-Gelb) dazugekommen. Die Charakteristik dieser Farbe lässt sich am Bildschirm kaum zeigen, sie leuchtet selbst stark verdünnt noch in einem fluoreszierenden, fast giftigen Ton. Es gibt sie auch von anderen Herstellern; ich hatte sie gerade von Mijello zur Hand.

Rechts die vier Grüntöne. Ganz unten Perylengrün, das von den Herstellern bei den Schwarztönen einsortiert wird und eine „schwarze“ Pigmentnummer (PBk 31) trägt; es war Liebe auf den ersten Blick. In dicken Schichten ein dunkles Fastschwarz, wird es verdünnt erstaunlich transparent und grüner, als die Farbprobe neben den leuchtenden Nachbarn ahnen lässt. Phtalogrün ist ein seltsamer Geselle: obwohl ich es so selten brauche, dass ich das Näpfchen noch aus der Erstbestückung habe, darf es bleiben – könnte doch irgendwann der Moment kommen, in dem unersetzlich ist (und ermischbar ist es kaum). Wirklich gebraucht habe ich es bisher nur einmal für eine leuchtende Brandung. Über dem stumpfen Chromoxidgrün dann das schon in Teil 1 erwähnte Green Apatite Genuine von Daniel Smith – es hat als „historische“ Mineralfarbe keine Pigmentnummer. Ein Grün, das das Zeug zum einen einzigen Grün hätte – wie das eine Buch für die einsame Insel.

Unter den „Ziegelfarben“ finden sich drei meiner Lieblingstöne: Goldbraun, Krappbraun und Lasurorange, drei warm leuchtende, strahlende Farben aus modernen Pigmenten. Umbra und Sienna natur sind ihre treuen Begleiter, stets für eine Mischung bereit, wenn es mal nicht ganz so grell zugehen soll.

Bliebe noch das Rot. In einem Kasten, mit dem unterwegs gearbeitet wird, habe ich eine Menge Rottöne dabei. Neben Ziegelmauern – die es hierzuland reichlich gibt – wollen auch Blüten bedacht werden, Früchte, menschliche Gesichter und Sonnenaufgänge. Rottöne lassen sich erstaunlich schlecht mischen und werden in Verdünnung manchmal fade – dagegen hilft z.B. das Opernrosa mit seinen Fluoreszenzanteilen, grell wie eine Operndiva. Hat es daher seinen Namen? Ich weiß es nicht.

Auf jeden Fall bin ich gespannt, welcher der Neulinge sich halten wird und wer beim nächsten Umräumen den Platz räumt.


Vierundzwanzig Farben

Der Begriff „Farbe“ bezeichnet in der deutschen Umgangssprache zweierlei: ein subjektive Sinneswahrnehmung, hervorgerufen durch Licht verschiedener Wellenlänge, und die Stoffe, mit denen diese Wahrnehmungen verändert werden können – Farbstoffe – löslich – und Pigmente – unlöslich. Als Autodidaktin weiß ich noch gar nicht so lange, dass die Farben in den Näpfchen meines Aquarellkastens „Pigmente“ heißen, unlösliche, in ein wasserliebendes Bindemittel eingebettete Stoffe. Nur weil sie fast unendlich fein vermahlen sind, erwecken sie den uns bekannten „aufgelösten“ Eindruck.

Ich liebe diese „Farbmittel“, wie der offizielle Ausdruck lautet, wie ich alles Stoffliche liebe, alles, was meine Sinne mit der Erde verbindet. Sie verlangen uns etwas ab, Kenntnis, Beobachtung, Erfahrung; sie begrenzen und disziplinieren uns und eröffnen uns gerade dadurch Räume der Freiheit. Manche Künstler führen diese Begrenzung ins Äußerste, haben nur noch drei oder vier Grundfarben auf der Palette und den Ehrgeiz, sich alles andere zu ermischen. Ich erprobe das manchmal zu Hause, wenn ich Zeit habe; unterwegs und im Alltag darf die Auswahl größer sein. (Nicht zu vergessen: die meisten Farben in den Näpfchen bestehen nur aus einem jeweils einzelnen Pigment, auch wenn sie in der Theorie des Farbkreises „Mischfarben“ sind.)

Ein neues Grün zieht in den kleinen Kasten ein und das große Umräumen beginnt.

In den letzten zwei Wochen habe ich wieder einmal meinen kleinen Farbkasten umgeräumt, meine aus vierundzwanzig Näpfen bestehende, somit ganz schön lange Shortlist. Gekauft habe ich das Kästchen von der Firma Schmincke mit zwölf Farben, später auf vierzehn erweitert, und erst als ich die Grundplatte herausgenommen hatte, passten vierundzwanzig hinein. (So dicht gedrängt laufen die Farben manchmal unterwegs ineinander, das ist der einzige Nachteil.) Es gibt unter diesen vierundzwanzig welche, die von Anfang an dabei sind, und Plätze, die alle Jahre neu vergeben werden; es gibt Stars und ihre stillen Begleiter, Herzensfreunde und Geduldete.

Anlass für die Umräumaktion war ein neues Grün, Green Apatite Genuine von Daniel Smith, ein warmes, granulierendes Mittelgrün, ein Star aus gemahlenen Mineralstein. Ich schob alles mehrmals hin uns her, notierte mir die Pigmentnummern und beschloss, das ganz erst einmal als Farbkreis darzustellen.


Farbe

Wenn wir von Farbe sprechen, können wir zweierlei meinen: die

durch Lichtstrahlen bestimmter Wellenlänge hervorgerufene Erscheinung vor dem Auge,

wie es das das größte deutschsprachige Online-Wörterbuch formuliert, oder die stofflichen Mittel, die dazu dienen, solche Effekte hervorzurufen. Zwischen beiden klafft kein kleinerer als der Abgrund, der Geist und Materie trennt.

Auch wenn ich mich meist Zeichnerin nenne, so liebe ich doch die Farbe – als Erscheinung und als Mittel. Am Bildschirm scheint alles möglich; in der stofflichen Welt ist der Umgang mit Farbe ein Tanz mit strengen Regeln, der nach stetiger Übung verlangt.

Solcher Übung habe ich mich an den letzten Abenden unterzogen. Vom Besuch auf dem Amsterdamer Sktechertreffen war noch ein Kästchen voller Farbproben übrig. Dieses Farben habe ich mir genauer angesehen und dabei eine Menge mitbekommen über Pigmente und Bindemittel, über rares und gängiges und die feinen Unterschiede in Ausstrahlung und Intention, die die verschiedenen Hersteller kennzeichnen.

Das erste Blatt zeigt die Tubenfarben und einige Marker. Wozu braucht man einen aus drei Pigmenten gemischten Lavendelton?

Bei der Beschäftigung mit diesen Farben habe ich u.a. gelernt, dass der internationale Farbindex keineswegs so eindeutig ist, wie das Nummernsystem vermuten lässt. So hat das knallige Türkis auf diesem Blatt z.B. die gleiche Nummer wie „normales“ Kobaltblau.

Bei den Farbnäpfchen war die Auswahl noch größer, und man konnte auch schon einen gewisse „Handschrift“ der jeweiligen Firmen ahnen. So hat der us-amerikanische Hersteller Daniel Smith seinem beeindruckenden Portfolio von 238 Aquarellfarbtönen im letzten Jahr noch einmal acht hinzugefügt – u.a. mehrere Grautöne, Mischungen für spezielle Ansprüche (wie hier auf dem Blatt die Nummer (7) ) und ein graues Monopigment auf Titanbasis. Die russische Firma „White Nights“, schon lange kein Geheimtipp mehr, hat nicht nur das beste Preis-Leistungs-Verhältnis (vermutlich weltweit), sondern auch echte Raritäten auf der Palette: so wird das Grün unter Nummer (3), Nitrosogrün mit der Farbnummer PR 8, wegen nicht ganz optimaler Lichtechtheit kaum noch angeboten. Der Tagebuchzeichnerin, die ohnehin fast ausschließlich in Büchern arbeitet, ist das herzlich egal, und sie bewundert den warmen Monopigmentton.

Mein ganz großer Favorit ist das van-Dyck-Braun des kleinen polnischen Herstellers Roman Szmal geworden: eine echte Naturfarbe, „gemahlene Braunkohle“ , die so kaum noch angeboten wird. Keine der nachgestellten Farben, die vermutlich stabiler und lichtechter sind, reicht an die Ausstrahlung dieses satten Erdtons heran, bei dem man den Duft feuchter winterlicher Erde zu riechen meint. Ein Blick auf die mitgelieferte Farbkarte des Herstellers zeigt: hier ist ein Liebhaber traditioneller Erdpigmente am Werk, ganze 34 unterschiedliche Erdfarbbtöne sind darauf gelistet! Der Hersteller hat keinen eigenen Webshop, einen Überblick über die Farben (insgesamt 117 Monopigmente) und die Vertriebswege findet sich auf der Seite von Jane Blundell.

(Die Nennung von Markennamen ist unbezahlt, freiwillig und nur zu meinem eigenen Vergnügen.)