Leporello I

In Mozarts Oper „Don Giovanni“ gibt es eine Szene, in der Leporello, der Diener des Titelhelden, ein Register von dessen Liebschaften anfertigt – bühnenwirksam auf einem sehr langen, im Zickzack gefalteten Papierstreifen. So kam das Ziehharmonika-Büchlein zu seinem Namen.

Mein erstes Leporello habe ich vor zwei Wochen in Dresden bei Gerstäcker gekauft, von Hahnemühle, handschmeichelnd klein und quadratisch. Es schien mir das Richtige für ein paar Tage, die ich vorwiegend in Gesellschaft verbringen würde und wo Zeichenzeit eher nebenbei anfallen würde. Schon im Harz hatte ich damit begonnen, meine Zeichengründe mit Aquarellfarbe zu grundieren – so färbte ich auch gleich den ganzen Leporello in Herbstfarben ein.

Auch eine bunte Paprika, die auf dem Küchentisch meiner Ferienwohnung lag, beteiligte sich an der Farbwahl.
Bei einem Spaziergang an der Elbe begeisterte mich der Blick auf das (hell)blaue Wunder vor dunklen Wolken.
Natürlich gab es hinterher auch etwas zu essen und zu trinken.

Am nächsten Tag gab es einen Ausflug in der Tharandter Wald. Hier, in einem ausgedehnten Waldgebiet am Rand des Erzgebirges, hat im 19.Jahrhundert die moderne Forstwirtschaft ihren Anfang genommen. Steigt man in Tharandt aus dem Zug, blickt man zu einer Burgruine hoch, die einem seltsam bekannt vorkommt: viele Maler des 19. Jahrhnderts haben sie gemalt. Oben angekommen, blickt man in ein Tal wie aus der Modelleisenbahn – und auf ein höchst seltsames Gebäude in einem bizarren, pseudo-orientalischen Stil. Es ist das „Neue Schloss“, dessen Türmchen neben der Burg dünn und seltsam flach in die Höhe ragt.

Noch ein Stück bergauf hinter der Burg beginnt der Forstbotanische Garten voller seltener Gehölze, einige sind schon über hundert Jahre alt. Mittendrin steht ein putziges Häuschen im Chalet-Stil, ein bisschen Museum, ein bisschen Laden, ein bisschen Café.

In Tharandt.

Die letzten Abschnitte dieser Seite des Leporellos füllte ich mit Eindrücken von einem Familienausflug in die Sächsische Schweiz.

Felsen im Uttewalder Grund.
Und wie das so ist bei gemeinsamen Unternehmungen – Gelegenheit zum Zeichnen ist meist bei der Einkehr.

Nach Weihnachten

Es war wohl Karl Valentin, der den Spruch prägte, dass es wieder ruhiger würde, wenn die stille Zeit vorüber sei. Was auch etwas darüber sagt, dass vorweihnachtliche Hektik keine Erfindung des 21.Jahrhunderts ist. Wie auch? Die Kartoffelsalat-und-Würstchen-Tradition entstammt schließlich Haushalten, in denen am Tag vor dem Heiligen Abends noch gearbeitet wurde und die Hausfrauen ihre liebe Not damit hatten, alles vorzubereiten.

Um alles unter einen Hut zu bekommen – auch gänzlich unweihnachtliche, aber nicht minder notwendige Termine – hatte ich mir eine Zeichenpause gegönnt. Ja, so sehr ich das Zeichnen liebe, manchmal setzt mich der Gedanke daran unter Druck. Um so schöner ist es, wieder anzufangen, am liebsten mit einem „Auf-dem-Tisch-unter-der-Lampe“-Bild: Da steht um diese Jahreszeit die Weihnachtspyramide und dreht mehr oder weniger gemächlich ihre Flügel. (Zum Gezeichnet-Werden darf sie dann auch mal stillstehen.)

Es ist keine besondere Pyramide, kein kostbares Erbstück; ich habe sie vor einigen Jahren an einem Verkaufsstand in der Fußgängerzone erworben. Immerhin stammt sie aus dem Erzgebirge, wo ich geboren bin. (Die Pyramide, die so alt war wie ich, war allmählich zu Bröseln zerfallen und bekam letzte Weihnachten ihr Abschiedsbild.)

Gemalt habe ich sie mit Gouache-Farben in das graue S&B-Buch, das mich nun schon seit dem Inktober begleitet. Ich bin mit diesen Farben nicht geübt und hatte zum Schluss meine liebe Not, das kleinteilige Motiv mit den eher für großflächigeres Arbeiten gemachten Materialien aufs Papier zu bringen. Am Ende musste dann doch noch der weiße Stift mithelfen, etwas Struktur hineinzubringen. Zwei Abende und einen Morgen brachte ich mit dem Bild zu, Zeit und Gelegenheit auch, den einen oder anderen Gedanken an die Geschichte zu wenden, die hier in hellen und dunklen Holztönen erzählt wird.


Laternenkinder

Beim Zeichnen der Erzgebirgsengel erinnerte ich mich an die Weihnachtspyramide meines Jahrgangs – 1960 – die meine Kindheit und noch viele Jahre danach begleitet hatte und vor einiger Zeit anfing zu zerfallen. Die Laternenkinder, die viele Jahre lang um den Tannenbaum gelaufen waren, verloren Arme und Beine, die Farbe blätterte ab und das ganze, einmal so hübsch gewesene Stück löste sich auf eine Weise auf, die auch eine Restaurierung nicht mehr sinnvoll erscheinen ließ. Nachdem die Einzelteile ein paar Jahre in einer Tüte verbracht hatten, war nun die Zeit des Abschieds gekommen.




Winterliches II

Ein Engel kommt selten allein – oder war die ganze Schar Leuchterengel vergangene Woche noch gar nicht angekommen? Ich war so verzaubert von dem großen Kranzengel, dass ich sie nicht bemerkt hatte; erst, als ich vor einigen Tagen ziemlich spät am Abend an dem Schaufenster vorbeikam, sah ich die Versammlung. Es wurde gerade kalt, der Wind zog scharf um die Ecken und ich beschränkte mich auf eine Bleistiftskizze. An den nächsten beiden Tagen kam dann, immer mal zwischendurch ein paar Pinsel voll, die Aquarellfarbe dazu.


Erzgebirgische Leuchterengel im hell beleuchteten Schaufenster des Schweriner „Formost“-Ladens, gezeichnet im A6 Aquarellbuch von Hahnemühle.

Einige Tage vorher hatte ich endlich die beiden Granatäpfel abgebildet, die beim Warten darauf schon ganz trocken geworden waren. Als ich sie nach getaner Zeichnung endlich aufschnitt, waren sie innen noch erfreulich frisch und saftig.


Zwei Granatäpfel – am Morgen des 2.Advent gezeichnet. Stillman&Birn Beta mit grauer Tinte von Noodlers und Wasserfarbe von White Nights (die Rottöne) und Schmincke (das Gold und das Grün.)