Samurai

Inzwischen bin ich in Berlin angekommen. Wie immer fiel es mir schwer, mich auf die Großstadt mit ihrem Gewimmel einzulassen, nach so langer Zeit unter freiem Himmel und mit vorwiegend mir selbst als Gesellschaft. Aus der unendliche Zahl an Möglichkeiten entschied ich mich für das Samurai–Museum, das erst kürzlich aus einer Privatsammlung entstanden ist.

Im Berliner Samurai-Museum

Ich war überwältigt von der schieren Zahl der doch so sehr fremdartigen Exponate und von ihrer großzügigen und eindrucksvollen Präsentation. Nachdem ich mich etwas eingesehen hatte, entschloss ich mich, die lebensgroß und sehr realistisch dargestellten Kriegerfiguren zu zeichnen, dazu noch eine Rüstung mit einem gigantischen Halbmond auf dem Helm.

Konnte man mit so einem Teil auf dem Kopf noch kämpfen? Oder war das ein Dekor-Helm für Turniere, wie es sie in Europa auch gab? (Auch bei gehörnten Tieren beendet die Natur irgendwann das Größenwachstum.)

Die Ausstellung, obschon reich kommentiert, ließ bei mir viele Fragen offen, nach den Bildern von Männlichkeit in verschiedenen Kulturen, nach Unterschieden und Ähnlichkeiten zu unseren europäischen Ritteridealen (und nach der Wirklichkeit dahinter) und natürlich immer wieder nach dem, wonach Brechts lesender Arbeiter schon fragte:

… Der junge Alexander eroberte Indien.
Er allein?
Cäsar schlug die Gallier.
Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?
Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte
Untergegangen war. Weinte sonst niemand?
Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer
Siegte außer ihm?

Jede Seite ein Sieg.
Wer kochte den Siegesschmaus?
Alle zehn Jahre ein großer Mann.
Wer bezahlte die Spesen? …

Bertolt Brecht „Fragen eines lesenden Arbeiters“

Die Stimme aus dem Kuchenbaum

Von Stendal war ich nach Tangermünde gefahren und von dort – wieder einmal die Elbe querend – über Jerichow Richtung Havel. An der Havel entlang radelte ich über Brandenburg nach Potsdam, in meine alte Heimatstadt. Hier legte ich einen Pausentag ein.

Wie immer führte mich mein Weg in den Park Sanssouci, den ich nun seit unglaublichen 58 Jahren kenne und kaum ein Jahr zu besuchen versäumt habe. Ich war etwas zerknittert, eine kurze Nacht steckte mir noch in den Knochen und mein erster Bildversuch – ein neuromanisches Portal am Kreuzgang der Friedenskirche – gelang nur mäßig. Ich brach den Versuch ab und radelte zum Chinesischen Teehaus.

Mein Ziel war der Japanische Kuchenbaum, Cercidiphyllum japonicum, der unscheinbar in einem Gehölz neben dem Pavillon wächst. Im Herbst verbreiten seine gilbenden Blätter einen süßen Duft nach Zuckerwatte oder frisch gebackenem Kuchen, der intensiv das ganze Areal erfüllte.

Kuchenbaumblätter und Neoromanik.

Ich sammelte einige Blätter ein – noch grüne, mit einem Stich ins Bläuliche, gelbe mit tiefbraunem Rand (als Kind fand ich immer, sie sähen aus wie eine Scheibe Rührkuchen mit Schokoladenguss) und schon ganz und gar gebräunte vom Boden. (Sie würden mit ihrem Duft noch den ganzen Abend lang mein Hotelzimmer erfüllen.)

Als ich noch dabei war, hörte ich eine hallende weibliche Lautsprechstimme, die direkt aus den Büschen zu kommen schien: „Bitte übersteigen sie NICHT die Absperrung, die Parkaufsicht wird informiert…“ Es folgte eine Erklärung über die Empfindlichkeit der Vergoldungen an den Plastiken um das Haus und eine Wiederholung auf Englisch. Als erstes schaute ich auf meine Füße: nein, ich hatte bei meiner Blättersuche keine Absperrung überschritten, vermutlich hatte sich das Geschehen auf der anderen Seite des Hauses abgespielt.

Woher kam mir die Sache mit der Stimme bekannt vor? Als ich das letzte Mal hier gewesen war, hatte ein Wachmann aus Fleisch und Blut weniger surreal und deutlich unfreundlicher für Ordnung gesorgt. Und da war noch etwas … Erst als ich am Abend im Hotel die Blätter zeichnete, erinnerte ich mich an den Film „Die Tribute von Panem“, in dem die in idyllischer Landschaft auf Leben und Tod kämpfenden Protagonisten von eben solchen Stimmen dirigiert werden …


Süßigkeiten

Gestern war mal wieder Gelegenheit, über den Freitagsmarkt zu schlendern und in die angrenzenden Geschäfte zu schauen. Lange war ich nicht mehr in der Rösterei Fuchs gewesen; natürlich nahm ich neben dem Kaffee noch die eine oder andere Kleinigkeit mit. Und dann der neue Asia-Laden! Da heißt es, sich mit Augenmaß durchzuknuspern. Mochi zum Grüntee, die gab es schone ein ganze Zeit nicht mehr. Und da es draußen zwar sonnig, aber eisig kalt war, zeichnete ich mit gutem Gewissen eine Auswahl der netten Kleinigkeiten.

Eine kleine Auswahl origineller Süßigkeiten zum Tee.

Nach meinen Ausflügen ins Gouache-Land bin ich wieder zum gewohnten „Ink&Wash“ zurückgekehrt. Die Tinte ist neu, Platinum Carbon Ink. Ich sah sie in einem Versand als Patronen; für unterwegs natürlich ideal. Sie scheint mir nicht so dunkelschwarz wie die von deAtramentis, mal sehn, wie der Füller auf die Dauer mit ihr klarkommt.


Nicht nur Häuser

Urban Sketching, von seiner ursprünglichen Idee her, ist gezeichnete Reportage, ist viel mehr als das Abbilden von Häusern und Straßen, ist nicht vollständig ohne die Menschen, die sich in ihnen bewegen. Und dass die sich bewegen, macht die Sache so schwierig – jedenfalls für Laien ohne künstlerische Ausbildung.

Ich selbst bin mit den Jahren mutiger geworden, versuche mich im Bekanntenkreis und im öffentlichen Raum an der Abbildung von Menschen, gehe schon etwas sicherer auf dem schmalen Grat zwischen Neugier und Indiskretion. Und so hatte ich in Amsterdam für den ersten Tag einen Workshop mit dem schönen Titel „Face To Face! – Urban Portraits That Tell Stories“ gebucht.

Bevor der losging, galt es noch den, na ja, nicht ganz so heißen Morgen zu nutzen. Ich lief ein paar Kilometer durch die Stadt, um nicht ganz zufällig in einem hippen Frühstückscafé namens „Toki“ zu landen – was irgendwas mit „Tokio“ zu tun hat. Es gab minimalistisches Design, Buchweizenpfannkuchen und Soja-Cappuccino – und still vor ihren Macbooks und Handys sitzende junge Menschen verschiedenster Nationalitäten.

Dann kam der Schreck – wie im schlechten Traum fiel mir ein, dass mein Workshop bald losgehen sollte – ich hatte mich um eine Stunde vertan! Anders als im Traum fand ich dank Tante Google den schnellsten Weg per Straßenbahn – und war noch pünktlich bei Marina Grechanik . Sie ermutigte uns, mit den verschiedensten Zeichenmaterialien zu experimentieren, schnell und und mutig das zu zeichnen (und zu zeigen), was Herz und Bauch gesehen hatten.

Anna und Imre

Und am Abend? Am Abend saß ich, in einer fast magischen Stimmung mit einigen anderen Zeichner*innen, die dem lauten Drink&Draw aus dem Weg gegangen waren, am Amstelufer und zeichnete – Häuser.

Die Häuser an der Amstel sind auch bei realistischerer Betrachtung ziemlich schief.

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Nach ein paar Tagen Pause war heute wieder Gelegenheit zum Zeichnen. Zuerst meine Tochter im Zug nach Hamburg. Ich begann die Zeichnung mit dem auffälligen Schmuckstück, einer keltischen Triskele, und eigentlich sollte es nur eine flüchtige Skizze werden, aber ich konnte dann zu Hause der Versuchung nicht widerstehen, das nur mäßig ähnlich Porträt noch ein bisschen auszuarbeiten.

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Uta mit Triskele.

Unser Ziel war die Ausstellung „Tiere“ des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe. Der Bogen reichte von steinzeitlicher Schnitzarbeit bis zur Videoinstallation; passend zum ostasiatischen Schwerpunkt des Museums waren auch einige wunderbare japanische Exponate zu sehen. Zum Zeichnen bot sich ein Kabuto, ein Samurai-Helm, mit einer Hirschgeweihverzierung an. Ich habe zu Hause noch ein bisschen nachgelesen und erstaunt festgestellt, dass diese Helme wirklich beim Kampf getragen wurden.

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Ein sogenannter Kabuto, ein Samurai-Helm mit Gesichtsmaske und reicher Verzierung. Besonders geschmunzelt haben wir über den bürstenförmigen Schnurrbart. 

 


Japonismus, morgens

Es gibt einen schönen kleinen Film über den Zeichner Danny Gregory, der ihn dabei zeigt, wie er sein Frühstück zeichnet: natürlich werden Tee und Toast kalt, doch das Ergebnis ist hinreißend. Nun ist Gregory ein Profi, den neben vielem anderen auch eins von uns Laien unterscheidet: er ist schnell. Bei mir kommt in der gleichen Zeit allenfalls eine Bleistiftskizze heraus. Daher sind Morgenbilder, obschon ich diese Zeit liebe, bei mir knapp und im Zug nachkoloriert. Was zwar die Striche manchmal etwas wacklig macht, aber doch mehr Spaß als immer nur Rucksäcke und halb angeschnittene Mitreisende abzubilden.

Die Butter, in konventionellem Stil, entstand irgendwann im Winter, wenn das Bedürfnis nach kräftigen Farben bei mir am stärksten ist, der  japanisch inspirierte Milchtopf (passender Weise mit Sojamilch) in den letzten Tagen nach meinem Besuch in der großen Japan-Ausstellung des MKG Hamburg.

 


Hokusai und Manga

„Die große Welle“ des japanischen Holzschnittkünstlers Hokusai gehört zu den Kunstwerken, die im medialen Zeitalter Teil der Populärkultur geworden sind. Doch wer weiß schon, dass das Bild auch zur Zeit seiner Entstehung bereits „Pop“ war? Farbholzschnitte waren – da aufwändig in der Herstellung – eher gehobene Massenartikel; sie wurden begleitet von unzähligen Schwarzweißarbeiten, Einzelblättern, Büchern mit Fortsetzungsgeschichten – Mangas.

Die Ausstellung Hokusai x Manga im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe bietet einen opulenten Blick auf das Genre von seinen Anfängen im 17.Jahrhundert bis in die Gegenwart, seinen zahlreichen Längs- und Querbezügen. Neben zahlreichen Blättern von Hokusai, Hiroshige und vielen anderen gibt es auch Originalzeichnungen moderner Manga-KünstlerInnen zu sehen – neben vielem anderen, Cosplay-Kostümen, Videos, Spielzeug …

Das MKG konnte auf eine umfangreiche Dauerausstellung ostasiatischer Kunst zurückgreifen – die Räume sind gleich nebenan, und wer noch Seh- und Stehvermögen hat, kann hier noch weiter in Japonismus schwelgen.

Ich habe meine beiden modernen Favoriten gezeichnet und, klar, noch eine Katze aus der Dauerausstellung.