Herbst ohne Leiter

Wer kennt es nicht, das Lied vom pinselnden Herbst auf der Leiter – und manchmal braucht er die gar nicht. Auf meinem Balkon waren Ende September die zusammen mit den Tomaten gepflanzten Paprika reif geworden – eine besonders robuste Sorte, versprach das Schild, und wirklich konnten ihnen Sturm und Regen wenig anhaben. Nur mit dem Rotwerden ließen sie sich Zeit, doch nun, wo es endlich soweit ist, warten sie in dem kühlen Wetter geduldig darauf, zum Essen an die Reihe zu kommen.

Paprika vom Balkongarten, gezeichnet mit Derwent Inktense Stiften auf das graugrüne Papier von PaintOn.

Letzten Sonnabend saßen wir zusammen um meinen Stubentisch, eine kleine zeichnende Gruppe, denn draußen regnete es in Strömen und das Stadtzeichnen musste ausfallen. Einer der beiden Paprika-Töpfe wurde hereingeholt und ich probierte es mit den Inktense-Stiften von Derwent, die, wie man sehen kann, auf dem dunklen Papier wunderbar deckten. Nur die Weißhöhung ist mit der wasserlöslichen Kreide von Art Graf aufgebracht.

In den sandigen Kiefernwäldern südlich von Schwerin „erblühen“ derweil Pilze in allen Farben – hier hat der Herbst sich gebückt. Die Pilzernte war überwältigend, ich konnte wählerisch sein und legte nur potentiell essbare in meinen Korb. Zu Hause wurden die meisten geputzt und nur einige (lange nicht alle) interessante Exemplare behielt ich zum Zeichnen zurück.

Da waren zum ersten zwei Perlpilze, Musterexemplare, die weitgehend heil zu Hause angekommen waren. (Sie sind nicht sehr stabil.) Den Perlpilz, Amanita rubescens, umgibt eine Aura des Gefährlichen, denn der essbare und schmackhafte Pilz hat einen gefährlichen Doppelgänger – den hochgiftigen Pantherpilz. Die Unterscheidung ist nicht schwierig, wenn man darum weiß und daran denkt.

Zwei Perlpilze. 1) ein ausgewachsenes Exemplar, 2) ein junger, bei dem sich der Hut noch nicht ausgebreitet hat und 3) der gleiche Pilz im Längsschnitt.

Charakteristisch sind die Rötungen an Druck- und Fraßstellen – „rubescens“ bedeutet rötend – und die wie plissiert aussehende, geriefte Manschette.

Zu meiner Freude hatte ich auch eine Auswahl farbenprächtiger Täublinge einsammeln können. Es gibt weltweit mehrere hundert Täublingsarten, die oft nur unter dem Mikroskop unterschieden werden können. Pilzsammler wissen die „Täublingsregel“ zu schätzen:

Beim Zerkauen kleiner Mengen rohen Pilzfleisches schmecken essbare, in Mitteleuropa heimische Arten der Gattungen Russula, Lactarius und Lactifluus mild, während scharf und/oder bitter schmeckende ungenießbar sind.

Ist das nicht wunderbar? Pilze, die man kosten darf! (Die charakteristischen Merkmale eines Täublings – glatter, brüchiger Stiel, keine Manschette und keine Knolle – sollte man einmal von einem erfahrenen Pilzsammler gezeigt bekommen haben.)

Von oben nach unten: Buckeltäubling, Grüner Speisetäubling, Roter Heringstäubling und – vielleicht – ein fleischroter Speisetäubling.

Das Bestimmen der Schönheiten zog sich über den halben Feiertag und ich brauchte noch einige Abende, bis ich die Bilder fertig hatte. Die Pilze trockneten derweil langsam ein, die Sporenproben krümelten vor sich hin und das Ganze begann, einen aromatischen und, nun ja, etwas unanständigen Geruch zu verbreiten.

Nun sind sie eingeräumt und am liebsten würde ich gleich wieder losziehen.


Freu dich Fritzchen …

… morgen jiebt et Selleriesalat. Vermutlich habe ich den Spruch schon in meiner an Sprüchen aller Art reichen Randberliner Kindheit kennengelernt – ohne dass mir jemand erklärt hätte, was es damit auf sich hat. Erst später erfuhr ich, dass der Sellerie wegen seiner aphrodisierenden Wirkung auch Geilwurz oder Hemdenspreizer genannt wird … Allerdings sollte die Pflanze roh verzehrt werden, so dass Fritzchens Berliner Selleriesalat aus gekochtem Knollensellerie vermutlich eher eine suggestive als eine pharmakologische Wirkung entfaltet.

Letzte Woche hatte ich mir vorgenommen, Caponata zuzubereiten. Caponata ist ein dem Ratatouille ähnliches Gemüseragout sizilianischer Herkunft, das süßsauer gewürzt lauwarm oder kalt gegessen wird. Neben Auberginen – der Hauptzutat – kommt auch Staudensellerie dazu, allerdings (leider, Fritzchen) wird auch der zumindest kurz mitgekocht.

Ich liebe Auberginen und mache hier eine Ausnahme vom regionalen Prinzip, aber zu meiner Freude gab es regional angebauten Staudensellerie auf dem Markt. Das Grün war noch dran – alles zusammen zu zeichnen, wurde eine ordentliche Friemelei.

Staudensellerie vom Schweriner Markt.

Die Caponata wurde eine köstliche Angelegenheit, und da sie gehaltvoller ist als ähnliche mediterrane Gemüserezepte, eignet sie sich auch als leichtes sommerliches Hauptgericht. Das Netz quillt über von Rezepten, keines ist wie das andere; ich füge denen meines dazu. (Es ist schon alles gesagt, nur nicht von jedem.) Also:

3 Auberginen in eher kleine Würfel schneiden, salzen und beschwert abtropfen lassen.

2 etwa faustgroße Zwiebeln schneiden und in in einer Schmorpfanne mit etwas Öl langsam und bei niedriger Temperatur (!) eher schmoren als braten, ggfs. etwas Wasser dazu geben oder den Deckel auf die Pfanne setzen.

Einige Knoblauchzehen, 1 – 2 Paprikaschoten und einige eingeweckte Tomaten zu den Zwiebeln geben (die sollten bereits weich geschmort sein und süßlich schmecken) dazugeben und das Ganze sanft weiter köcheln lassen.

Jetzt die abgetropften Auberginenwürfel in einer zweiten Pfanne kräftig anbraten (Wer hat, nimmt Erdnussöl.) und wenn sie gar sind, zu dem übrigen Gemüse geben.

Ein Bund Staudensellerie (da ist er ja!) schneiden und mit in die Pfanne geben.

Jetzt brauchen wir nur noch die „Extras“ dazugeben und das Ganze abschmecken. Ich habe nicht gegeizt: Jeweils eine Handvoll Oliven, Zedernüsse (die ersetzen bei mir die Pinienkerne; Mandeln gehen auch) und Rosinen sowie ein reichlicher Esslöffel Kapern. Alles zusammen ein letztes Mal aufkochen lassen und den Herd abstellen. Mit Essig, Zucker und Salz abschmecken (da hat jeder sein eigenes Maß) und mindestens über Nacht, besser einen ganzen Tag durchziehen lassen.

Das Ergebnis ist eine komplexe Mischung von Aromen und Texturen, die sich teilweise überlagern und vermischen und doch noch einzeln zu erkennen sind: der immer noch knackige Sellerie (Fritzchen freut sich), die Nüsse, die über Nacht wieder zu saftigen Beeren gewordenen Rosinen mit ihrer Süße, daneben die salzigen Kapern und Oliven …

Am Ende hatte ich mich mit meiner großen Pfanne etwas übernommen und beschlossen, eine Woche Caponata-Pause einzulegen – den Freund, der den Rest in einem Glas mitnahm, hat es gefreut.


Nagori

Nagori – wörtlich „der Abdruck der Wellen“ – bedeutet auf Japanisch so etwas wie „die Sehnsucht nach der von uns gegangenen Jahreszeit“. Nagori ist das Gegenteil von Lebkuchen im September, von Erdbeeren im Winter, es blickt zurück auf eine bewusst gelebte Saison, die nun in die nächste übergeht – „Wie häufig wird es jetzt November“ dichtete einst Eva Strittmatter.

Letzten Sonnabend, am Vortag des Ersten Advent, habe ich in Kürbissen geschwelgt. Auf dem Markt hatte ich noch einen und noch einen Kürbis in meinen Einkaufstrolley gepackt – „Nehmse doch den großen, der Preis geht nach Stück!“ und die nette Gemüsefrau mit der Eröffnung verblüfft, dass ich so viele Kürbisse eigentlich gar nicht brauche. Aber wer kann schon bei dem wunderschönen weißschaligen „Flat White Boer“ widerstehen? Oder bei einem blauen Hokkaido?

Da liegen sie nun, dekorativ angeordnet und ergänzt um die farblich und saisonal passende Physalis, die meine Zeichenfreundin zu diesem gemütlichen Nachmittag mitgebracht hatte. (Die Schrift und das Datum kamen ein paar Tage später, als ich noch ein paar letzte Schatten und Lichter angebracht habe.)

Während ich noch den Blick auf die Kürbisse gerichtet hielt, ging still und leise der 1.Advent vorbei – und ich musste mich sputen, um mit Kranz, Kerzen und Engelchen nicht zu spät zu kommen. Deren Saison hat gerade angefangen, und mit ihr die von Pfeffernuss und Mandelkern, an denen ich nun guten Gewissens knabbere, während ich an diesem Text schreibe.


Tomatenübungen

In den letzten Wochen war ich von einigen Projekten eingenommen, so dass es mit dem Zeichnen knapp wurde. Nun heißt es, die Hand-Auge-Koordination wieder neu einzuüben. Die Balkontomaten mit ihren schönen Farben kommen gerade recht, und ich habe den Pinsel ganz tief in die Näpfchen mit dem Rot versenkt.


Spargel am Abend

Der grüne Spargel sah so hinreißend aus, dass ich ihn unbedingt kaufen musste: Die Köpfe mit festen, leicht glänzenden Schuppen in unterschiedlichen Lilatönen, die Stiele in kräftigem Grün, zur Basis hin in ein Braunviolett übergehend. Essen würde man ihn natürlich auch können, aber vor allem erwarb ich ihn zum Zeichnen.

Ich wickelte die Stangen in ein feuchtes Tuch und versenkte sie im Gemüsefach des Kühlschranks. Es folgte ein gut gefülltes Wochenende voller Zeichnerei und Besuch; ich stellte endlich die Balkonbepflanzung fertig, grummelte ein bisschen am Schreibtisch herum und verschwendete nicht einen Gedanken an den Spargel. Der tauchte erst am Montagabend wieder auf, frischer als ich. 

Grünspargel, mit einem Fude Pen Kalligraphie-Füller gezeichnet und mit Wasserfarbe koloriert.

Also habe ich ihn gezeichnet (und danach natürlich noch geputzt und gekocht), bis es schon wieder viel zu spät geworden war. Mein neuer Füller mit der variablen Strichbreite half mir dabei, er glitt ganz von allein über das Papier. Auch Lila und Grün waren schnell zur Hand. Am nächsten Abend gab es Spargelsalat, der so hübsch aussah, dass ich ihn am liebsten gezeichnet hätte.

Das ist dann schon wieder eine andere Geschichte.


Spinat

Als Kind konnte ich, die sonst fast alles und viel zu gern aß, mir einfach nicht vorstellen, dass Menschen ohne Not Spinat auf ihre Teller legen. Diese kuhfladengrüne Masse, die am Schulspeisungsschalter – klatsch! – auf den Teller gepappt wurde, gefolgt von einem – plopp! – ungeschälten blaugekochten Ei – nein, das konnte kein Mensch freiwillig essen!

Nun, die Jahre gingen ins Land und ich lernte, dass Spinat auch anders geht. Mein Lieblingsgemüse ist er immer noch nicht, aber so am zeitigsten Frühlingsbeginn ist die Sehnsucht nach Grün so groß, dass nur noch Spinat sie wirklich stillen kann.

Der erste Blattspinat des Jahres, mit schwarzer Tinte gezeichnet im mein „botanisches Buch“ – Stillman&Birn Zeta – und mit etwas Wasserfarbe in zwei Tönen koloriert. (Green Gold von Mijello und Green Apatit Genuine von Daniel Smith.

Zubereitet habe ich ihn als Risotto: zwei Zwiebeln in 50g Butter anbraten, 150g Risottoreis dazu und glasig dünsten, dann den Spinat und etwa 100ml Wasser dazu, mit 1 Teelöffel Gemüsebrühe würzen. Den Reis ausquellen lassen und nach bedarf noch etwas Wasser nachgießen, kurz vor Ende der Kochzeit 50g gemahlenen Hartkäse untermischen.


Rot

Immer mal wieder kaufe ich Gemüse, das ich zum Essen eigentlich nicht brauche, um es zu zeichnen. Regelmäßig treibt es mich zur Eile, auf dass es, gezeichnet oder ungezeichnet, gegessen werde, bevor es verdirbt.

Heute habe ich mich der speziellen Variante „Halbgezeichnet“ gewidmet, all dem, was seit ein zwei drei Wochen in verschiedenen unvollendeten Stadien herumliegt und neue Anfänge blockiert. Ein Kürbis in Gouache fand wenig Gnade in meinen Augen, wurde aber wenigstens soweit fertig, dass er in die Suppe und das Skizzenbuch in den Schrank darf. Die Paprikaschoten kamen zu einem erfreulicheren Ende und zeigen nun eindrücklich, was so an Rot in meinem kleinen Aquarellkasten steckt. (Und wieder einmal konnte ich feststellen, dass viele Rottöne erst zu leuchten beginnen, wenn man sie dick und am besten in mehreren Schichten aufträgt.)

Zwei Paprikaschoten. Aquarell auf Stillman&Birn Zeta A4.


Radicchio

Letzte Woche habe ich vom Freitagsmarkt einen Radicchio mitgebracht. Ich wusste bis dahin gar nicht, dass diese tiefdunkelroten, kleinen Rotkohlköpfen ähnlichen Gemüse grüne Hüllblätter haben – und was für eine stattliche Größe sie erreichen können. Ich mag das bittere Gemüse als Salat, doch mit einem kopfgroßen Exemplar reiche ich vermutlich Wochen. Nein, ich habe ihn nur in zweiter Linie zum Essen gekauft, in erster natürlich zum Zeichnen: diese hinreißenden Übergänge zwischen Grün und Rotviolett wollte ich nicht nur auf dem Teller, sondern vor allem auf dem Papier haben!

Radicchio vom Markt, Wasserfarbe auf Arches Aquarellpapier.

Für alle, die sich für die verwendeten Pigmente interessieren: Die drei tragenden Farben sind Grün (PR8, Nitrosogrün) von White Nights, Perylen Maroon (PR 179) von Mijello und Schmincke Violett (PV23), dazu kleinere Mengen verschiedener Rot- und Gelbtöne sowie Perylengrün für die Schatten.


Sommerbilder

Vom dem Belliner Kurs war ein kleines Hahnemühle-Aquarellbuch übrig geblieben, das kam mir gerade recht, um auf überschaubarem Format mal wieder das tägliche Zeichnen zu versuchen. Ab&zu fällt dann doch mal ein Tag aus, aber mit der Zeit stellt sich eine gewisse Routine ein.

Das erste Bild ist vom letzten Freitag, als ich mich im Schweriner Dom an das wunderbare Wochenende in Bellin erinnerte, wo ich zur Gottesdienstvorbereitung ein ähnliches Kreuz gezeichnet hatte. Was man auf den Zeichnungen nicht sieht: dieses hier, aus dem Schweriner Dom, ist ungleich größer, ein riesiges Triumphkreuz. Ich habe es absichtlich so abgebildet, dass sein floraler Charakter in den Vordergrund tritt.

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Das Triumphkreuz im Schweriner Dom – ein Nachklang des Wochenendes in Bellin.

Am Samstagabend dann bei Freunden gesessen und das neue Katerchen in einem seiner seltenen Ruhemomente gezeichnet.

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Der kleine Kater meiner Freunde hält selten still.

Der 15.August ist ein katholischer Feiertag – Mariä Himmelfahrt. Zum Brauchtum dieses Tages gehört die Kräuterweihe, ein uraltes Ritual. Ich habe mir wenigstens ein meinem Garten einen Kräuterstrauß gepflückt.

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Zu Mariä Himmelfahrt pflücke ich abends einen Kräuterstrauß in meinem Garten.

Paprikaschoten! Jedes Jahr kaufe ich welche aus regionalem Anbau, weil sie so schön krumm und bunt sind. Witzigerweise sind sie nachgereift: was gestern Abend noch in vielen Farben schimmerte, ist heute durchgehend langweilig rot.

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Alle Jahre wieder: Paprikaschoten vom Markt. (Aquarell ohne Tintenlinien will immer wieder neu geübt werden. Die Lichter habe ich allerdings ganz unorthodox mit Marker gesetzt.)


Radix

Letzte Woche habe ich den Garten von Freunden gehütet. Zwischen verholzten und z.T schon blühenden Radieschen fand ich eines, dem die Verkleinerungsform so gar nicht zu Gesicht stand; ich musste ordentlich daran ziehen wie einst die ganze Familie im Märchen, und was ich dann in der Hand hatte, konnte ich erst gar nicht benennen. Erst nachdem ich es gezeichnet hatte, schnitt ich es an – es war ein Rettich, der sich zwischen die Radieschen verirrt hatte wie das Schwanenküken zwischen die Enten, und zu meiner freudigen Überraschung konnte man ihn in Teilen sogar noch essen.

Da ich ungeübt im Schraffieren bin und meine Zeichenzeit begrenzt, legte ich die Schatten mit verdünnter schwarzer Tinte an, der gleichen wasserfesten von deAtramentis, mit der ich auch gezeichnet hatte. Darüber konnte ich dann großzügig mit Aquarellfarbe lasieren.

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Ein Rettich aus dem Garten meiner Freunde, gezeichnet mit wasserfester schwarzer Tinte und Aquarellfarben auf Stillman&Birn Zeta.