Mit Pinsel und Klöpfel

Vergangenes Wochenende habe ich mich am Formen von Holz versucht. Drei Tage lang stand ich mit Klöpfel und Stemmeisen an einer von sieben kleinen Werkbänken, die der Holzbildhauer Yves Rasch unter der großen Linde in Bellin aufgebaut hatte. Ziel war es, eine Schale zu schaffen.

Mir, ungewohnt in Handarbeit, wurde es zeitweilig schwerer als erwartet; gern nahm ich in der Pause statt des Klöpfels Pinsel und Stift in die Hand.

Am Sonntagnachmittag war meine Schale so fertig, wie sie eben war, mit Werkzeugspuren und unpoliert nahm ich sie mit nach Hause. In der Wohnung ist jetzt, Anfang August, Schalenzeit: die ganze Fülle des Spätsommers kommt in ihnen zu liegen.

So kam die fast fertige Schale gerade recht, voller Klaräpfel steht sie auf dem Balkontisch.


Berlin Buch

Die Klinikanlagen in Berlin Buch breiten sich über ein riesiges Gelände aus; erbaut wurden sie zwischen 1900 und 1930 vorwiegend als Tuberkulose-Heilstätte und Psychiatrische Klinik. Der älteste Teil der Anlage ist in einem Backstein-Stil erbaut, der an dänische Renaissance-Schlösser erinnern soll. Der Bau verlief auch damals nicht ohne Kostendiskussion, im Protokoll der Berliner Stadtverordnetenversammlung von 1902 ist folgendes zu lesen:

„Die Irrenärzte legen den größten Wert darauf, daß bei diesen Riesenbauten die Fassaden etwas gegliedert und belebt werden. Das ist hier in der allerbescheidensten Weise getan und zwar soweit, als es von den Irrenärzten gewünscht wird.“

Bescheiden ist auch der Ausschnitt, den ich gewählt habe, der Querflügel von Haus 203.

Und was tut man in einer Klinik, wenn man sich nicht krank fühlt und es draußen regnet? Man zeichnet das reichlich vorhandene Frühstücksobst. Dabei kann man sich ganz nebenbei am Vergleich von Äpfeln und Birnen üben.


Quitten

Während noch die Reisebilder von Elbe und Havel im vorläufigen Status verharren, geht schon das Leben mit Ankommen, Auspacken und Aufräumen weiter … Am Abend vor einer zweiten, kürzeren Reise traf zu meiner Freude ein Paket voller duftender Quitten bei mir ein, die dem großen Garten einer Freundin entstammten. Ich konnte sie nicht mehr alle verarbeiten, aber zeichnen – zeichnen ging noch.

Zwei Seiten waren frei geblieben im Reiseleporello. Weil ich wieder zu Hause war, konnte ich bei den Materialien aus dem Vollen schöpfen, nach dem gelbesten Gelb in meinen Aquarellfarben suchen und noch mit den Farbstiften und weißer Kreide darüber gehen.


Leporello, mal wieder

Vor einigen Wochen sah ich mal wieder einen der hinreißenden Leporellos der Landschaftsarchitektin Martina Offenberg. Sie ist eine großartige Zeichnerin, die ihre Urban Sketches gern auf selbst gestaltete Leporellos zeichnet. Sie bereitet diese Papierstreifen als Collage aus unterschiedlichen Papieren und Stempeln vor, die unterwegs noch weiter ergänzt wird.

So etwas wollte ich auch machen! In vier Wochen habe ich Urlaub, und da wäre es schön, einen selbst gestalteten Leporello as Reisetagebuch mitzunehmen. (An fertig konfektionierten hatte ich schon zwei mal meine Freude gehabt – hier und hier) Ich beschloss einen Probelauf und sichtete meine sich als reichlich erweisenden Papiervorräte. Ich liebe die Resultate solcher Aktionen – wenn andere Leute sie angefertigt haben. Selbst bin ich darin ungeschickt; ich habe Freude an der Haptik der verschiedenen Aquarell- und Bastelpapiere, doch beim Schneiden und Kleben gab es erst einmal eine Menge Ausschuss.

Irgendwann war das Produkt fertig, zusammengeklappt hat es A6-Format. Ich hatte wild darauf los geschnippelt und geklebt, unterschiedlich Papiersorten gemischt, mit Aquarellgrundierung versehen und zusätzlich noch diverse Collage-Elemente vorbereitet.

Als erstes schnitt ich eine kleine Skizze vom Mittagessen bei „Nordsee“ aus einem anderen Skizzenbuch aus und klebte sie ein – sie ist hier nicht zu sehen, nur der Leuchtturm kündet auf dieser Seite davon. Zu sehen sind drei besondere Löffel – am liebsten hätte ich „Eine kleine Geschichte von mir in sieben Löffeln“ erzählt und mich unendlich in den Assoziationen verloren, die die Dinge an unserer Seite auftun. Aber ich beschränkte mich erst einmal auf drei – mit Fortsetzungsoption.

Eine kleine Löffelsammlung.

Den „Göffel“ hat eine Freundin liegengelassen. Es ist ein superleichtes superhartes Objekt aus Titan, die Minimalistinnen-Variante des Besteckkastens für den Rucksack. Seltsamer Weise trägt er die Inschrift „Light my Fire“.

Der Suppenlöffel mit dem „Konsum“-Signet entstammt den unendlichen Tiefen der Besteckkiste auf meiner Arbeitsstelle (und ist inzwischen dorthin zurückgekehrt). Ein rauchender Schornstein und eine Sichel ergeben in typisch ostmoderner Ästhetik zusammen ein „K“ wie „Konsum“ (gesprochen Kónsumm) – dem Inbegriff des Lebensmittelgeschäfts in der DDR. (Das interessante Wurzeln in Lebensreform und Sozialdemokratie hat und in einem gemeinwohlorientierten Land wie der Schweiz z.B. als „volg“ überleben konnte.)

Der geschnitzte „Folklore“-Löffel kam durch einen der zahlreichen Osteuropa-Kontakte meiner Mutter in unseren Haushalt und hing viele Jahre als Dekoration in der Küche – mit einer dazu passenden Gabel als Salatbesteck. Ich hätte es gern benutzt, doch es ist klein und unhandlich, so wanderte es in eine Schublade, die „Mein Museum“ heißt und voll ist mit kleinen Dingen, über die ich – irgendwann einmal – schreiben möchte.

Drei Äpfel über eine Stadtsilhouette gezeichnet.

Am nächsten Tag saß ich am Schweriner Marienplatz und versuchte mich – gleich mit Füller – an einer kleinen Stadtansicht. Über die Dachsilhouette und ein paar Oberleitungen der Straßenbahn kam ich nicht hinweg, so dass ich das Ganze abends mit drei Äpfeln übermalte.

Das hätte ich vermutlich in einem konventionellen Skizzenbuch nicht getan, doch die Anmutung von Collage, die dem ganzen Projekt eigen ist, machte es möglich. Wie immer nimmt die locker aufgebrachte Grundierung die Angst vor dem leeren Blatt, macht munter und mutig. Es liegt darin auch die Gefahr, Lockerheit mit Schlampigkeit zu verwechseln und die Struktur zu verlieren. So hat mich dieses Probe-Projekt bis heute schon gelehrt, es nicht zu übertreiben mit „Mixed media“, nicht zu viele unterschiedliche Papiersorten und Collageelemente zu verwenden – zumal die einem auf Reisen sowieso in reicher Zahl in Form von Eintrittskarten, Prospekten, Zuckertüten & Co. zufallen.

Am Tag nach den Äpfeln bin ich zu mal wieder zu einer Dorfkirche über Land gefahren: Fortsetzung folgt.


Hortus conclusus

Am nördlichen Schweriner Stadtrand, wo die sich die Wismarsche Straße scheinbar endlos bis in die 300er Hausnummern zieht, versteckt sich ein verzauberter Garten. Am Eingang eines alten Mietshauses weist ein winziges Schild darauf hin; man geht durch den Torweg und folgt erstaunt einem sich schlängelnden Weg in ein weiträumiges Hanggelände, das sich zwischen den Häusern und der Bahn erstreckt: Den Schweriner Gemeinschaftsgarten. Dort haben die Schweriner Urban Sketchers gestern gezeichnet.

Es war sonnig und schwül geworden, so suchte ich mir als erstes einen Platz im Obstgarten. Die Platzwahl war durch den Schatten bestimmt, so machte ich es mir unter einem Pflaumenbaum bequem. Während ich zeichnete, schlich sich Brechts Gedicht „Erinnerung an die Marie A.“ in meine Gedanken, jene wunderbare Meditation über Zeit und Ewigkeit, über Erinnern und Vergessen, das der Dichter mit unglaublichen zweiundzwanzig Jahren geschrieben hatte.

Die Sonne drehte ihre Bahn, und mit ihr der Schatten – ich flüchtete mich unter die Kastanien, wo wir später lange saßen und eine Kaffeetafel hielten. Zuerst aber waren die Blätter dran, gezeichnet von einer Urban Sketcherin: Wir bezeugen unsere Umwelt wahrhaftig. Mit Autos auf den Straßen (die waren gerade nicht da) und mit Mottenfraß in den Blättern.

Kastanienblatt mit Fraßgängen der Miniermotte.

Es war eine heitere und ein bisschen verwunschene Stimmung in dem versteckten Garten, auch wenn wir mit einem Hauch von schlechtem Gewissen den Vereinsmitgliedern beim Gärtnern zusahen. Nach dem Kaffee setzte ich mich unter einen Sonnenschirm und zeichnete das Pardiespförtchen, das in den Obstgarten führt, wo Apfel-, Birnen- und Pflaumenbäume sich unter der Last ihrer Früchte biegen. Zeichnerisch war es eine spezielle Übung, ganz ohne Farbe Struktur in das Motiv zu bringen.

Am Paradiespförtchen.


Apfelübung

Nach der Tomaten- die Apfelübung. Die wunderbar kantigen Klaräpfel verlangten nach allem, was zur Erfassung von Dreidimensionalität hilfreich sein kann, nach monochromen Werkzeugen wie Bleistiften und Füllern …, sie sehnten sich nach einem Tag am Zeichentisch (und sonst gar nichts.)

Natürlich kam es anders, was unter anderm daran lag, dass die Äpfel noch in einen Kuchen verbacken werden wollten – von der netten Kaffeerunde ganz zu schweigen.

Also fasste ich mich kurz. Ich hatte das Blatt am Abend vorher schon grundiert – die Äpfel waren sozusagen schon da und mussten nur noch mit ein paar Tintenstrichen und einem bisschen Blau und Gelb zum Leben erweckt werden.

Langsam folgt auch die Hand dem Auge wieder.


Buntstifte

Nach ein paar turbulenten Tagen hatte ich Lust, ein bisschen meditativ vor mich hin zu stricheln. Der Morgen begann so winterlich, dass Tee mit Zitrone ein angemessenes Frühstücksgetränk schien – und die anderthalb übrigen Zitronen nur noch dazu gelegt werden mussten. Ich hatte ein älteres Stillman&Birn Alpha Skizzenbuch reaktiviert, dessen nicht ganz glattes 150er Papier mit wässrigem Aquarell nur mäßig zurechtkommt – für wasservermalbare Stifte aber den idealen Untergrund darstellt.

So nahm ich die Albrecht-Dürer-Stifte von Faber Castell zur Hand, die ich gerade erst weggelegt hatte. Den Grundstock zu diesem Satz Stifte habe ich wohl schon vor zwanzig oder noch mehr Jahren gelegt, die Lieblingsfarben (Warmgrau IV) gelegentlich nachgekauft und den Bestand nach und nach erweitert. Als ich vor sieben, acht Jahren mit dem kontinuierlichen Zeichnen und Aquarellieren anfing, waren sie erst einmal abgemeldet – zu umständlich, zu unflexibel, zu kreidig. Im Gegensatz zu meiner Anfängervorstellung handelt es sich nämlich nicht um Aquarellfarbe in Stiftform (so etwas gibt es mittlerweile auch), sondern um in Holz gefasste Wachskreiden. Und dann diese unberechenbaren Farbsprünge von trocken zu feucht!

Den Zitronen war das egal. Sie lagen friedlich unter der Lampe, wurden nicht welk, behielten ihre Form und liefen auch nicht weg. Ich bewegte mich den ganzen geschäftigen Tag um sie herum, verrückte sie um keinen Zentimeter und nahm am Abend die Strichelei wieder auf. Vermutlich wird es eine gute Idee sein, für den Rest des Alpha-Buchs immer ein paar von den Stiften dabei zu haben, den gemeinsam sind sie ein gutes Team.


Fragaria namenlos

Noch vor meiner Reise nach Potsdam hatte ich Lust auf eine schön meditative Pflanzenzeichnung bekommen. Ich entschied mich für eine Bodendeckererdbeere. Vor Jahren hatte ich ein paar Pflanzen aus meinem früheren Garten mitgebracht und voll Freude beobachtet, wie sie sich gegen weniger Erwünschtes durchsetzten, dabei hübsche und hinreißend duftende Früchte ansetzten und bald eine robuste Population bildeten, im Schatten wie in der Sonne.

Wie wollen diese bescheidenen freundlichen Pflanzen eigentlich angesprochen werden? Sie ähneln in Duft und Gestalt der Walderdbeere, Fragaria vescia, sind allerdings größer und schmecken dann doch nicht so aromatisch. Beim Nachlesen schwirrte mir bald der Kopf von all den Fragarien, chiloensis, virginiana, ananassa, ihren Hybriden und Sorten … So blieben sie – zumindest für mich – am Ende namenlos, wie manche andere über den Gartenzaun vermehrte Sorte …


Sommerbilder II

Täglich zeichnen – was im Urlaub zu den Grundbedürfnissen gehört, will mit dem Alltag immer wieder neu ausdiskutiert werden, streitet sich mit Meditations- , Bewegungs- und Lesezeit um freie Plätze und Prioritäten ……..

Im Restaurant, im kleinen Freitagsnachmittagsurlaub, geht es leicht von der Hand und muss sich nur mit dem Hunger unterhalten. Und dann sind die Sushi – oh Schreck! –  doch schon fast aufgegessen, als mir einfällt, dass ich kein Foto gemacht habe. Weshalb der Tee die Hauptrolle bekommt.

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Endlich ein gutes Sushi-Restaurant in Schwerin. 

Abends bei Freunden, während die Kinder ins Bett gebracht werden, ist auch eine gute Zeit.

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Auch der Sonntag bietet eine Gelegenheit, zu der das Zeichnen dazugehört: einen Museumsbesuch. „Hinter dem Horizont“ ist eine kleine und feine Schau von DDR-Kunst aus der Sammlung des Schweriner Museums, klug präsentiert und kommentiert. Zum Skizzieren entscheide ich mich für ein Bild von Clemens Gröszer, „Bildnis Andrea P. II“. Wie immer, wenn ich ein Bild abzeichne, bin ich mit jedem Blick, mit jedem Strich faszinierter davon. Hier kommt zur Kunstfertigkeit des Malers (allein der raffinierte Ausschnitt mit den ganz leicht angeschnittenen Füßen!) noch ein Wiederkennen dazu: die Abgebildete muss Ende der Achtziger etwa so alt gewesen sein wie ich damals, und sie trug die gleiche Kleidung (von den weißen Lederhandschuhen abgesehen), den gleichen graugrünen Pullover mit überschnittenen Schultern und sich beulenden Nähten, die gleichen Till-Eulenspiegel-Schuhe; der Frisur jener Jahre bin ich bis heute treu geblieben.

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Museumsbesuch in Schwerin

Das Montagsbild lasse ich aus, und das von gestern – habe ich heute morgen gemalt. (Was nur funktioniert hat, weil ich den Vorsatz schon gestern Abend gefasst hatte.) Obst aus dem Garten, vom frisch geschüttelten Baum aufgelesen und auf den Frühstückstisch gelegt. Die dekorativen blauen Schatten verdankt es dem Lampenlicht, was um diese Morgenstunde zum Frühstück schon wieder nötig ist.

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Morgenobst. Dieses Mal bin ich konzentriert genug, die Lichter freizulassen und muss sie nicht nachträglich mit Marker einfügen.