Buntstifte

Nach ein paar turbulenten Tagen hatte ich Lust, ein bisschen meditativ vor mich hin zu stricheln. Der Morgen begann so winterlich, dass Tee mit Zitrone ein angemessenes Frühstücksgetränk schien – und die anderthalb übrigen Zitronen nur noch dazu gelegt werden mussten. Ich hatte ein älteres Stillman&Birn Alpha Skizzenbuch reaktiviert, dessen nicht ganz glattes 150er Papier mit wässrigem Aquarell nur mäßig zurechtkommt – für wasservermalbare Stifte aber den idealen Untergrund darstellt.

So nahm ich die Albrecht-Dürer-Stifte von Faber Castell zur Hand, die ich gerade erst weggelegt hatte. Den Grundstock zu diesem Satz Stifte habe ich wohl schon vor zwanzig oder noch mehr Jahren gelegt, die Lieblingsfarben (Warmgrau IV) gelegentlich nachgekauft und den Bestand nach und nach erweitert. Als ich vor sieben, acht Jahren mit dem kontinuierlichen Zeichnen und Aquarellieren anfing, waren sie erst einmal abgemeldet – zu umständlich, zu unflexibel, zu kreidig. Im Gegensatz zu meiner Anfängervorstellung handelt es sich nämlich nicht um Aquarellfarbe in Stiftform (so etwas gibt es mittlerweile auch), sondern um in Holz gefasste Wachskreiden. Und dann diese unberechenbaren Farbsprünge von trocken zu feucht!

Den Zitronen war das egal. Sie lagen friedlich unter der Lampe, wurden nicht welk, behielten ihre Form und liefen auch nicht weg. Ich bewegte mich den ganzen geschäftigen Tag um sie herum, verrückte sie um keinen Zentimeter und nahm am Abend die Strichelei wieder auf. Vermutlich wird es eine gute Idee sein, für den Rest des Alpha-Buchs immer ein paar von den Stiften dabei zu haben, den gemeinsam sind sie ein gutes Team.


Schwarz und grün

Ziemlich genau zwei Jahre ist es her, dass ich die schwarze Teekanne zuletzt gezeichnet habe. Erfreulicher Weise ist sie immer noch heil, und immer noch hole ich ihr zu Ehren die anderen seltener genutzten Bollhagen-Teile aus dem Schrank. Stövchen und Zuckerdose hat mir vor fast vierzig Jahren ein Freund geschenkt, Kerzenständer und Schälchen habe ich vermutlich selbst gebraucht erworben. Bollhagen* schwarz-grün hat nie die Verbreitung gefunden wie blau-weiß, es war früher schwierig zu erhalten und ist heute neu unbezahlbar. So bekommt der damit gedeckte Tisch etwas Meditatives, etwas von Teezeremonie, die Teile werden sorgsam komponiert und arrangiert.

Gezeichnet habe ich dieses Mal auf mit Buntstiften auf schwarzes Papier. Ganz zufrieden bin ich nicht, das Ganze ist insgesamt etwas dunkel geraten und mehr Helligkeit war mit den Stiften nicht rauszuholen. Beeindruckend finde ich die Plastizität, die sich schon nach wenigen Strichen einstellte die Möglichkeiten des Arbeitens auf schwarzem Grund ahnen lässt.

Schwarz-grünes Bollhagen-Geschirr, mit Buntstiften auf eine schwarze Seite des Stillman&Birn Nova Trio square (19x19cm) gezeichnet.

*Bollhagen-Geschirr ist ein Stück ostdeutscher Kultur, ein Stück gelebter Moderne, das heute unter der zugkräftigen Marke „Bauhaus“ vermarktet wird. Nach wie vor ist es im Osten Deutschlands weit bekannter als im Westen. Hedwig Bollhagen war eine Ausnahmekünstlerin, sie war auch eine Opportunistin, die sich mit zwei deutschen Diktaturen zu arrangieren wusste – und am Ende sogar mit dem neuzeitlichen Kapitalismus. Wie und wo diese Geschichte sich mit meiner eigenen trifft, würde ich gern einmal ausführlicher erzählen und dazu noch die ein oder andere Tasse zeichnen.


Negativer Weihnachtsstern

Weihnachtsstern (Euphorbia pulcherrima), Farbstifte über Aquarell

Weihnachtsstern (Euphorbia pulcherrima), Farbstifte über Aquarell

Ich mag Weihnachtssterne – wie eigentlich alle Pflanzen, die uns zuverlässig unsere nördlichen Winter erhellen. Für diese Adventszeit habe ich mir eine ganze Sammlung verschiedener Farben ins Fenster gestellt, in der neben knalligem Pink eigentlich nur das klassische Rot fehlt. Ich bin gespannt, ob es mir gelingt, von allen eine Zeichnung anzufertigen, bevor sie wie jedes Jahr am Zimmerklima verzagen.

Angefangen habe ich mit einem Exemplar mit Hochblättern in leuchtendem, fast fluoreszierendem Gelbgrün. Eigentlich wollte ich daran mal Brenda Swensons „Negativmalerei“ ausprobieren, aber ich hätte die Technik erst einmal an einem weniger komplexen Thema erproben sollen. Mit jeder Lasur wurden das Motiv undeutlicher und die Farben matschiger. So habe ich irgendwann zu meinen bewährten Polychromes-Stiften gegriffen und das Ganze noch einmal überarbeitet.


Herzenskelch

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Eucharis amazonica, gezeichnet mit Polychromes Farbstiften.

Nach den vielen Gebäuden der letzten Wochen hatte ich schon länger Lust auf eine botanische Studie. Da traf es sich gut, dass unsere Eucharis nach einem Jahr wieder einmal blühte. Die Pflanze stammt aus den Nebelwäldern Südamerikas (daher auch der Name Amazonaslilie) und wächst in unserer eher dunklen Wohnung überraschend gesund und anspruchslos.

Der Name Eucharis kommt aus dem griechischen und bedeutet „anmutig“, zumindest steht es so in meinem etymologischen Pflanzenlexikon. εὐχαριστέω (eucharistéo) heißt auch „Dank sagen“, woraus sich der Begriff „Eucharistie“ für das christliche Abendmahl entwickelt hat. Dazu würde auch der Name „Herzenskelch“ passen, den die Pflanze auch trägt und der mir ganz besonders gut gefällt, denn beim Zeichnen der anmutigen großen weißen Kelche ist mir wirklich das Herz aufgegangen.