Nach Art der Madame Maigret
Veröffentlicht: 13. Juni 2022 Abgelegt unter: Allgemein, Botanische Malerei, Ink&Wash | Tags: Fisch, Frankreich, Kochen, Pflanzen Hinterlasse einen KommentarWir erinnern uns: Eine Wahrsagerin ist ermordet worden und wird von der Inhaberin eine Anglerpension gefunden, die ihr ein paar Schleie gebracht hatte. In dieser Pension wird der Kommissar später den Bösewichtern auf die Schliche kommen (wer nachlesen möchte, der Roman heißt „Maigret contra Picpus“), doch die Spur der Fische verliert sich im Ungewissen.
Nehmen wir einmal an, der Kommissar hätte die Fische mit nach Hause genommen. Wie hätte Madam Maigret sie zubereitet?
Dank Internet und Übersetzungsprogrammen war es gar nicht so schwierig, nach französischen Rezepten zu suchen. Ich entschied mich für „Tanche á la Lorraine“, „Schleien auf lothringische Art“. Dazu kocht man einen halben Liter Weißwein mit Kräutern und gibt die Fische (oder den Fisch, meiner war recht groß und passte nur zerteilt in den Topf) in den heißen Sud, bis sie gar, aber noch fest sind. Anschließend nimmt man Fische und Kräuter heraus und lässt die Flüssigkeit stark einkochen. Während das geschieht, häutet und entgrätet man die Fische. An den eingekochten Fond kommen Sahne und reichlich Butter, das ergibt eine wunderbare aromatische Sauce von feiner, glatter Konsistenz. (Und weil ist es des Guten noch nicht genug war, empfahl mein Rezept, das Ganze im Ofen mit Semmelbröseln zu überbacken.)
Da ich den Fisch schon einmal gezeichnet hatte, kam ich auf die Idee, mich an die Kräuter zu halten. Madame Maigret kocht natürlich mit einem „Bouquet garni“, dem klassischen französischen Kräutersträußchen: Thymian, Estragon, Petersilie, Lorbeerblatt.
Thymian ist in meinem Garten nur wenig vorhanden, vielleicht ist es ihm zu feucht. (Ganz anders als in der Provence, in die unsere erste Frankreich-Reise 1990 geführt hatte und wo eigentlich aller unbebauter Boden mit Thymian bewachsen war.)

Umso besser geht es dem Estragon und jeder, der welchen im Garten hat, weiß dass es immer zu viel ist – denn er möchte bescheiden am Essen verwendet werden. Frischer Estragon, zwischen den Fingern zerrieben, duftet nur ganz leicht nach Anis. Im Essen entfaltet er eine ganze Fülle von Aromen und zwar recht kräftig. Ein Zweiglein war in meinem Kräuterstrauß genug.

Die dritte im Bunde (das Lorbeerblatt blieb ungezeichnet) war die Petersilie. Sie gedeiht am besten im Topf auf meinem Balkon und findet sich eben so gern gehackt auf Kartoffeln und Gemüse wie in Madame Maigrets Kräuterstrauß. (Sie steht dort ganz harmlos als das bürgerlichste alle Küchenkräuter und verrät nicht, dass sie in früheren Jahrhunderten – und in weit höheren Dosen als am Mittagessen – als Abtreibungsmittel diente. Wo man in einer alten Stadt eine Petersilienstraße findet, kann man davon ausgehen, dass dies in lange vergangener Zeit die Hurengasse war.)

Die Bilder sind ein Kompromiss aus leidlich exakter Zeichnung und lockere Farbgebung. Gerne hätte ich mich in die Maserung jedes einzelnen Blättchens vertieft, hätte Farbreihen angelegt und mit jeder Pigmentschicht die Schönheit der Schöpfung gepriesen … Doch nicht nur, dass ich das gar nicht kann, jedenfalls nicht so gut wie die klassischen botanischen Illustratoren, – das Leben geht weiter, lockt mit immer wieder neuen Zeichenmotiven; es will nicht nur gezeichnet, sondern auch gelebt sein …
Blick zurück nach vorn
Veröffentlicht: 1. Januar 2022 Abgelegt unter: Allgemein, Herkunft, Ink&Wash | Tags: Oranienburg, Tiere Hinterlasse einen KommentarDie Fotografie, nach der dieses Bild entstand, wurde vermutlich im Frühsommer 1962 aufgenommen, im Garten eines Hauses an der Havel in Oranienburg. Es zeigt meinen Urgroßvater Friedrich Glaser, geboren 1888, vielleicht an seinem 74sten Geburtstag, mit dem kleinen Mädchen, das ich war, und einem namenlosen Huhn. Das Mädchen ist zwei Jahre alt und wird sich später noch entfernt an die Hühner erinnern, die bald darauf nur noch als Geruch in dem alten Gartenschuppen wohnten.

Trat man vor die Tür des Hauses meiner Urgroßeltern, stand man am von Linden beschatteten Havelufer, hinter der Straßenbrücke sah man das Oranienburger Schloss. Das Haus, ein billiger Ziegelbau, war Teil des „Fischerviertels“, dessen Häuschen selbst mir als Kind winzig erschienen. Sie umschlossen Höfe mit Gärten, in denen es feucht nach dem Fluss roch. Das alles ist bereits in den 80ern abgerissen worden, nur die Linden sind stehen geblieben.
Vor zwei Jahren hatte ich, ebenfalls nach einem Foto, ein Porträt meiner Urgroßmutter gezeichnet. Trotz guter Vorsätze führte ich die Serie nicht fort. Nun, auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk für meine Kinder, war es so weit. Fertig geworden ist es erst zum Jahreswechsel und weitet den Blick über das vergangene Jahr hinaus, zurück bis ins 19.Jahrhundert.
Schnelles Fachwerk – Nachtrag 2
Veröffentlicht: 11. September 2021 Abgelegt unter: Allgemein, Bewohntes Gelände 10, Ink&Wash | Tags: Bodensee, Fachwerk, Pilgerweg Hinterlasse einen KommentarGestern und vorgestern waren anstrengende Gehtage, an denen ich wenig bis nicht gezeichnet habe. Eine Rast allerdings in dem ansonsten gesichtslosen Ort Amriswil konnte ich nicht ungenutzt vergehen lassen. Direkt gegenüber des schönen schattigen Bäckerimbisses sah ich das puppenstubenhaft restaurierte Alte Pfarrhaus. Für eine ausführliche Zeichnung hatte ich weder Zeit noch Ruhe. Was also war zu tun? Ich nahm mir den Füller mit dem dicksten Strich und fing an, geradewegs draufloszuklecksen, danach das gleiche noch mal mit der Farbe. Es ist kein Meisterwerk geworden, aber es erfüllt den Zweck einer Reiseskizze: es bewahrt Eindruck und Erinnerung in ganz anderer Weise als eine Fotografie.

Am Bodensee
Veröffentlicht: 6. September 2021 Abgelegt unter: Allgemein, Bewohntes Gelände 10, Ink&Wash, Reiseskizzen | Tags: Bodensee, Pilgerweg Hinterlasse einen KommentarZweihundert Höhenmeter und ein paar Welten trennen die landwirtschaftlich geprägten Ausläufer der Schwäbischen Alb von der mediterran anmutenden Uferregion. Noch bevor ich nach Überlingen hinein kam, durchquerte ich einen Golfplatz – wie passend für eine Region, die als eine der teuersten Deutschlands gilt. Leider hielten die Golfer ihre charakteristischen Posen nur kurz, so dass ich mich auf eine Postkartenskizze des Ortes beschränkte.

Für Überlingen hatte ich nur eine Übernachtung eingeplant, was ich bedauerte, weil ich insbesondere im Münster mit seinen zahlreichen Kunstschätzen gern noch länger geblieben wäre. Immerhin schaffte ich es als Frühaufsteherin noch ein bisschen Morgenstimmung am See einzufangen.

Ich überquerte den See mit dem Schiff, und als das am anderen Ufer angekommen war, stand die Sonne schon wieder viel zu hoch am Himmel. Da kam eine Bank an einem luftigen Platz gerade recht; ich ließ mir beim Zeichnen Zeit.

Tomatenübungen
Veröffentlicht: 7. August 2021 Abgelegt unter: Allgemein, Ink&Wash, Pflanzen | Tags: Gemüse, Pflanzen, Rot Hinterlasse einen KommentarIn den letzten Wochen war ich von einigen Projekten eingenommen, so dass es mit dem Zeichnen knapp wurde. Nun heißt es, die Hand-Auge-Koordination wieder neu einzuüben. Die Balkontomaten mit ihren schönen Farben kommen gerade recht, und ich habe den Pinsel ganz tief in die Näpfchen mit dem Rot versenkt.

Anno 1698
Veröffentlicht: 26. Juni 2021 Abgelegt unter: #uskschwerin, Ink&Wash, Urban Sketching | Tags: Fachwerk, Mecklenburg, Schwerin Hinterlasse einen KommentarDie Stadt Schwerin wurde im 18. Jahrhundert von mehreren Stadtbränden heimgesucht; neben dem Dom sind nur wenige Bauten aus der Zeit davor erhalten. Eines davon ist ein winziges Fachwerkhäuschen, das schief und krumm in der nicht umsonst so genannten Engen Straße steht. (Der „Schwedenkopf“ unter dem Giebel wurde allerdings erst Anfang des 20.Jahrhunderts dort angebracht.) Es beherbergt den Ladenraum eines Schweriner Traditionsbetriebs, der Kunstdrechslerei Zettler.
Das originelle Gebäude hat es bis in die Wikipedia geschafft.

Ich war beim Zeichnen nicht allein, nach langer Pause trafen sich wieder einmal Urban Sketchers aus verschiedenen norddeutschen Städten, auch aus Berlin waren Gäste angereist. Die kleine Straßenkreuzung um das Häuschen herum bot sich mit schattigen Sitzplätzen, netten Geschäften und einem spektakulären Domblick zum gemeinsamen Zeichnen an.
Spargel am Abend
Veröffentlicht: 3. Juni 2021 Abgelegt unter: Allgemein, Alltag, Artist Journal, Ink&Wash, Pflanzen | Tags: Alltag, Füllfederhalter, Gemüse, visuelles Tagebuch 2 KommentareDer grüne Spargel sah so hinreißend aus, dass ich ihn unbedingt kaufen musste: Die Köpfe mit festen, leicht glänzenden Schuppen in unterschiedlichen Lilatönen, die Stiele in kräftigem Grün, zur Basis hin in ein Braunviolett übergehend. Essen würde man ihn natürlich auch können, aber vor allem erwarb ich ihn zum Zeichnen.
Ich wickelte die Stangen in ein feuchtes Tuch und versenkte sie im Gemüsefach des Kühlschranks. Es folgte ein gut gefülltes Wochenende voller Zeichnerei und Besuch; ich stellte endlich die Balkonbepflanzung fertig, grummelte ein bisschen am Schreibtisch herum und verschwendete nicht einen Gedanken an den Spargel. Der tauchte erst am Montagabend wieder auf, frischer als ich.

Also habe ich ihn gezeichnet (und danach natürlich noch geputzt und gekocht), bis es schon wieder viel zu spät geworden war. Mein neuer Füller mit der variablen Strichbreite half mir dabei, er glitt ganz von allein über das Papier. Auch Lila und Grün waren schnell zur Hand. Am nächsten Abend gab es Spargelsalat, der so hübsch aussah, dass ich ihn am liebsten gezeichnet hätte.
Das ist dann schon wieder eine andere Geschichte.
Am Waldrand
Veröffentlicht: 1. Mai 2021 Abgelegt unter: Allgemein, Ink&Wash, visuelles Tagebuch | Tags: Frühling, Mecklenburg, Sternberger Seenland 2 KommentareVor ein paar Tagen sind wir wieder einmal den Hügelgräberweg im Sternberger Seenland gewandert. Der Rundweg führt an Biberburgen vorbei, an von Weißdorn und Schlehen umgebenen hügeligen Wiesen, an blühenden Wildobstbäumen, er führt durch Alleen uralter Buchen und Hainbuchen – und natürlich an einigen namensgebenden Hügelgräbern vorbei.
Nichts von alledem habe ich gezeichnet, jedenfalls dieses Mal nicht. Denn über der lieblichen Landschaft wehte im grellen Aprillicht ein scharfer Nordwind, der uns im Windschatten einiger frisch gerodeter Stubben rasten ließ. Der Blick fiel auf eine Wiese, die sich mit einer zügig den Hügel hinab weidenden Schafherde überzog – die sich, kaum hatte ich Papier und Stift herausgeholt, wie von Geisterhand hinter eine Bodenwelle zurückzog.

So blieb mir nichts anderes übrig, als mich umzudrehen und mich dem geschlagenen Holz zuzuwenden. Wenn ich das Bild jetzt sehe, vermeine ich wieder den Duft der noch frischen Sägespäne zu riechen, die nur kurz von einigen Windböen unterbrochene Stille zu hören …
Spinat
Veröffentlicht: 28. März 2021 Abgelegt unter: Alltag, Ink&Wash, Pflanzen | Tags: Gemüse, Kochrezept Hinterlasse einen KommentarAls Kind konnte ich, die sonst fast alles und viel zu gern aß, mir einfach nicht vorstellen, dass Menschen ohne Not Spinat auf ihre Teller legen. Diese kuhfladengrüne Masse, die am Schulspeisungsschalter – klatsch! – auf den Teller gepappt wurde, gefolgt von einem – plopp! – ungeschälten blaugekochten Ei – nein, das konnte kein Mensch freiwillig essen!
Nun, die Jahre gingen ins Land und ich lernte, dass Spinat auch anders geht. Mein Lieblingsgemüse ist er immer noch nicht, aber so am zeitigsten Frühlingsbeginn ist die Sehnsucht nach Grün so groß, dass nur noch Spinat sie wirklich stillen kann.

Zubereitet habe ich ihn als Risotto: zwei Zwiebeln in 50g Butter anbraten, 150g Risottoreis dazu und glasig dünsten, dann den Spinat und etwa 100ml Wasser dazu, mit 1 Teelöffel Gemüsebrühe würzen. Den Reis ausquellen lassen und nach bedarf noch etwas Wasser nachgießen, kurz vor Ende der Kochzeit 50g gemahlenen Hartkäse untermischen.
Auf dem Fensterbrett …
Veröffentlicht: 7. März 2021 Abgelegt unter: Alltag, Dinge, Ink&Wash, visuelles Tagebuch | Tags: Bollhagen, Tulpe Hinterlasse einen Kommentar… meines Wohnzimmers wird immer mal umgeräumt, es ist eine kleine Bühne mit saisonalen Akteuren. Jetzt, Anfang März, träumt sie von einer Osterdekoration in Pastelltönen. Höchste Zeit für ein Bild von dem, was dort in den letzten Wochen stand. („Nagori“ heißt es in Japan – „Die Sehnsucht nach der von uns gegangenen Jahreszeit“.) In diesem Winter waren das weiße Blumen in dunklen Gefäßen, eingerahmt von ein paar schwarz-grünen Bollhagen-Kleinigkeiten. Den großen Auftritt haben sie nicht bekommen, der ging an das warme Lampenlicht, das an diesem grauen Abend schon früh die Oberhand gewann. (Die Vase, obwohl sie so aussieht mit ihren Streifen und dem unnachahmlichen Winkelmaß der Mitte des letzten Jahrhunderts, ist nicht von Bollhagen.)

Gezeichnet habe ich auf etwas vorgrundiertem Stillman&Birn Beta im Ringbuch – und dabei in meinem neuen Grün geschwelgt, dem Green Apatite Genuine von Daniel Smith.