Im Zoo
Veröffentlicht: 10. Dezember 2023 Abgelegt unter: #uskschwerin, Tiere, Urban Sketching | Tags: Löwe, Schwerin, Zoo Hinterlasse einen KommentarLetztes Wochenende waren die Schweriner Urban Sketchers im Zoo. Oder sagen wir mal: die, die nicht mit Fieber im Bett lagen. Ich war gerade wieder auferstanden, ein bisschen wacklig noch fragte ich mich, wie das wohl bei dem Wetter werden würde. Es wurde. Schön.
Zuerst einmal: es war still. Außer uns waren kaum mehr als fünf Familien auf dem Gelände. (Wir waren auch nur zu viert.) Und es gab Löwen. Vor einigen Jahren ist in Schwerin eine neue, hochmoderne Löwenanlage gebaut worden, in der ein kleines Rudel Asiatischer Löwen lebt. In freier Wildbahn gibt es nur noch 350 von dieser Unterart; sie leben in einem indischen Nationalpark. Um so größer ist die Freude über den Löwennachwuchs; die zwei älteren, jetzt fünf Monate alten Löwenjungen konnten wir durch die großen Panoramascheiben ausgiebig beobachten. (Die jüngeren sind gerade erst geboren und von der Öffentlichkeit noch abgeschirmt.)

Die Löwenjungen wuselten durch das Gehege, sprangen auch mal durch die extragroße Katzenklappe nach draußen in den Schnee – da habe ich mich zum Zeichnen an den Löwenkater Shapur gehalten, der seinen Nachwuchs mit königlicher Gelassenheit im Auge behielt.
Auf dem Heimweg machte ich noch eine kleine Bleistiftskizze am Warmhaus der Flamingos. Zu Hause kam noch ein bisschen Farbe dazu, eher atmosphärisch als genau.

Pilze
Veröffentlicht: 5. November 2023 Abgelegt unter: Allgemein, visuelles Tagebuch | Tags: Mecklenburg, Pilze, Schwerin, visuelles Tagebuch Hinterlasse einen KommentarPilze gab es im Blog lange nicht mehr. Zwar war ich den ganzen Herbst über, mal mehr, mal weniger erfolgreich, in den ausgedehnten Wäldern um Schwerin unterwegs gewesen, doch hatte die freie Zeit meist gerade zum Bestimmen gereicht. (Dazu war eine geführte Pilzwanderung in Thüringen gekommen, fünfzig Pilzarten konnte ich dabei fotografieren und beschriften.)
Gestern stimmte nun endlich alles: Bei schönstem Herbstwetter zog ich mit Korb und Messerchen in ein pilzreiches Waldgebiet, das ich erst vor kurzem entdeckt hatte. Korb und Messerchen bedeutet auch: ich sammle, wenn ich es denn finde, vorrangig Bekanntes für die Pfanne. Der Plan ging auf; nebenbei nahm ich nur einige wenige besondere „Bestimmlinge“ mit. Zu Hause sortierte ich, putzte, briet und dünstete und legte nur eine kleine Auswahl der essbaren Pilze zum Zeichnen beiseite.

Besondere Freude hatte ich an den rotmilchigen Reizkern. Der lateinische Begriff für die Sektion (so heißt das bei den Pilzen) der Reizker ist „deliciosi“, „die Köstlichen“, das sagt schon alles. (Das Wort „Reizker“ kommt aus dem slawischen und bedeutet „der Rote“ zB. russisch Рыжик, Ukrainisch Рижик, Tschechisch Ryzyk) Fichtenreizkern sagt man im Gegensatz zu den Edelreizkern Madenbefall und einen bitteren Nachgeschmack nach; beides konnte ich bei meinen nicht finden. Besonders lustig fand ich den grünspangrünen Minipilz am Fuße des größeren.
Er behielt seine Farbe bis zum nächsten Tag, im Gegensatz zu den Violetten Rötelritterlingen, die heute schon völlig verblasst waren. Den Heringstäubling erkannte ich am Geruch, unüberriechbar nach altem Fisch.
Schwerin
Veröffentlicht: 29. August 2023 Abgelegt unter: #uskschwerin, Urban Sketching | Tags: Auto, Schwerin, Urban Sketching Hinterlasse einen KommentarSeit ich mit dem Rad zur Arbeit fahre, gehe ich weniger spazieren. Und sehe weniger von der Stadt. Da braucht es erst Besucher aus Berlin, Hamburg und München, um mir die Augen zu öffnen.

Letzten Mittwoch war das, ich hatte mir den Nachmittag frei genommen und saß mit den Gästen zuerst am Schelfmarkt. Unter den vielen möglichen Blicken wählte ich einen mit angenehmer Sitzgelegenheit im Schatten; das blaue Auto kam mir gerade recht.

Danach erst, als die Tagestouristen schon allmählich aufbrachen, ging es Richtung Schloss. Zielsicher steuerte ich die Westbastion an, die Bank im Mauerschatten mit Blick auf den Turm. Irgendwann muss ich hier schon einmal gezeichnet haben; die Suchfunktion lässt mich im Stich und straft die Legende Lügen, ich könnte mich an alles erinnern, das den Weg in meine Skizzenbücher gefunden hat.
Vor Gericht
Veröffentlicht: 23. Juli 2023 Abgelegt unter: #uskschwerin, Architektur, Urban Sketching | Tags: Art Déco, DDR, Mecklenburg, Schwerin Hinterlasse einen KommentarDer Schweriner Demmlerplatz liegt am nördlichen Rand der heutigen Innenstadt. In früheren Jahrhunderten befand sich auf diesem Hügel die „Königsbreite“, ein Richtplatz, weit außerhalb der Altstadt. Mecklenburg industrialisierte sich langsam, entsprechend gemächlich vergrößerte sich die Stadt. In den fetten Jahren zwischen 1900 und dem Ersten Weltkrieg war der Stadtrand bis hier vorgerückt, mit hübschen bürgerlichen Häusern, und 1916 war das Gerichtsgebäude fertig geworden. Ein gewaltiger Kasten, stadtseitig zwischen Neoklassizismus und Art Déco – die Rückseite, die damals auf die Felder hinaus ging, gehörte zum Untersuchungsgefängnis und blieb entsprechend undekoriert.
Seit ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre, streife ich diesen Stadtbezirk auf meinem Arbeitsweg und nehme mir immer wieder vor, hier zu zeichnen. Gestern war es endlich soweit, im Kreis der Schweriner Urban Sketchers.

Während einige von uns vor der einschüchternden Präsenz des Gebäudes zu den Stadtvillen flohen, nahm ich es mutig mit dem Eingangsbereich auf. Ein Mäuerchen an einer halb vertrockneten Grünanlage (der Platz liegt abseits aller Durchgangswege und wirkt trotz des angrenzenden Riesenbaus etwas vergessen) lud zum Sitzen ein, es gab sogar Schatten. Später holte ich mir doch noch einen Sonnenbrand und wurde dennoch nicht fertig.
So friemelte ich heute zu Hause an der Fassade weiter und kreiste mit meinen Gedanken um die düstere Geschichte des Ortes: das schöne Gebäude beherbergte nach 1945 ein sowjetisches Militärtribunal und seit Mitte der 50er Jahre die Bezirksverwaltung der Staatssicherheit samt Untersuchungsgefängnis. (Misstraut den Grünanlagen.) Erst nach 1989 konnten Land- und Amtsgericht wieder an den Ort zurückkehren, das Dokumentationszentrum für die Opfer deutscher Diktaturen erinnert an die Geschichte.
Rot, gelb, blau
Veröffentlicht: 25. Februar 2023 Abgelegt unter: #uskschwerin, Urban Sketching | Tags: 90er Jahre, Backstein, Schwerin Hinterlasse einen KommentarDie „Schweriner Höfe“ sind das kleinste und ganz gewiss das schönste Schweriner Einkaufszentrum, eine originell gestaltete Anlage, die es nicht leicht hat gegen die Giganten. Hier trafen sich heute fünf Zeichnerinnen im windgeschützten und überdachten, aber ungeheizten Brunnenhof. Es gibt ein Sushi-Restaurant, in dem ich schon mehrmals gezeichnet habe (und das leider erst heute Abend öffnen würde), aber den Ort selbst hatte ich noch nie zum Zentrum meiner Aufmerksamkeit gemacht.
Zuerst kamen die Mitzeichnerinnen an die Reihe; und wie aufgereiht saßen sie dort, in rot, gelb und blau.

Dann reihte ich mich – in einer leuchtend grünen Jacke – neben Blau ein und widmete mich dem namensgebenden Brunnen. Leider habe ich nicht herausbekommen, wer ihn geschaffen hat, auf der Website der Höfe ist nur von „einer Künstlerin“ die Rede. Der Brunnen, aus farbig glasierten Ziegeln gebaut, ist eine Hommage ebenso an Hundertwasser wie an die zahlreichen mit glasiertem Zierat geschmückten Backsteingebäude Schwerins; mit seinen geschwungenen postmodernen Formen ist er direkt den 90er Jahren entwachsen.

Einmal Bleistift und zurück
Veröffentlicht: 11. Dezember 2022 Abgelegt unter: #uskschwerin, Urban Sketching | Tags: Moderne, Schwerin Hinterlasse einen KommentarIch zeichne gern in Museum – im Winter ist dafür die beste Zeit. Im Schweriner Schleswig-Holstein-Haus werden derzeit Plastiken des Bildhauers August Martin Hoffmann gezeigt. August Martin Hoffmann wirkte von den 60er bis in die 80er Jahre in Schwerin; jeder kennt seine Plastiken und keiner den Namen.
Ich genoß es sehr, gemeinsam mit zwei anderen Zeichner*innen in den schönen hellen und warmen Ausstellungsräumen zu sitzen, der Blick aus dem Fenster fiel auf verschneite Fachwerkhäuser … Die Lieblingsskulptur war schnell gefunden, ein Porträtkopf des Shakespeare-Übesetzers Rudolf Scheffler – noch einer, dessen Namen ich noch nie gehört hatte – und der museumsgerechte Bleistift vertrug sich überraschend gut mit dem Aquarellbuch von Hahnemühle – ich blieb dabei, glücklich friemelnd und strichelnd …

Einer der Räume war mit „Schaudepot“ benannt, dicht an dicht standen unkommentiert kleine und mittelgroße Plastiken auf knallroten Podesten – das gab einen eigentümlichen Kontrast. Die Zeit war schon fortgeschritten und es fiel mir gar nicht so leicht, wenigstens die grobe Raumstruktur mit Bleistift zu erfassen. Zu Hause griff ich zum großen weiche Bleistift – nein, hier würde frriemeln nicht helfen – und zum Schluss doch noch zu Pinsel und Farbe …

Rückblick 2: In der Stille
Veröffentlicht: 29. August 2022 Abgelegt unter: #uskschwerin, Farbstifte | Tags: Backstein, Fachwerk, Friedhof, Kirche, Mecklenburg, Schwerin Hinterlasse einen KommentarIm März hatte ich einen Anlauf genommen, der für Monate der einzige bleiben sollte: Mit dem Fahrrad die Kirchen der Umgebung zu besuchen und zu zeichnen, einen kleinen Pilgerweg vor Ort zu zelebrieren … Schön wäre das gewesen, theoretisch. Praktisch bin ich an unverplanten Wochenenden gern eine Einsiedlerin, die je nach Jahreszeit Balkon, Ofenplatz oder Sofa bewohnt und zeichnend an Stillleben und Pflanzen ihre Freude hat. Die verplanten, man ahnt es, gehören Freunden und Familie.
Manchmal lässt sich etwas verbinden, wie vor vier Wochen, als ich eine Freundin besuchte, die im tiefsten mecklenburgischen Hinterland lebt, zwischen Schwerin und der Seenplatte. Ich befragte meinen Kirchenführer und fand eine Dorfkirche, die fast am Weg lag, in Prestin.

Es war gegen Mittag und heiß, dabei noch luftig (die Schwüle würde erst kommen im Lauf des August) und unfassbar still. Der leichte Wind raschelte in den Blättern, mehr war nicht zu hören.
Eine bescheidene Kirche ohne Turm, halb Feldstein, halb Fachwerk, und links daneben, auf meinem Bild nicht sichtbar, die Grabkapelle des Adelsgeschlechts, das hier einst das Sagen hatte. Vielleicht hatten dessen Nachfahren auch die neuen Dachziegel und die Renovierung bezahlt, denn die Kirche war zwar verlassen, aber keineswegs verfallen. Die Kirchentür war verschlossen, im Schaukasten gilbte eine Telefonnummer neben dem Plan der Gottesdienste, die in den Nachbardörfern stattfinden.
Zu Hause schaute ich mir das Foto in meinem Bildband noch einmal an, der mir als Wegweiser dient: Fast der gleiche Blickwinkel, etwas größer der Abstand; die Linde, in deren Schatten ich gesessen hatte, war mit im Bild, blattlos, winterlich. Der große Nadelbaum, der mir halb den Blick versperrt hatte, fehlte noch. Stattdessen, und ich brauchte etwas, um den Unterschied zu sehen, standen Grabsteine im Vordergrund, zahlreiche Grabsteine – ein ganz normaler Dorffriedhof. Wird die Pacht für ein Grab nicht verlängert, muss oft auch der Stein entfernt werden. Das Foto wird um 1980 herum aufgenommen sein – vierzig Jahre später sind nicht nur die Dörfer halb verlassen, auch die Friedhöfe beginnen zu verkahlen. Die nach dorfeinheitlichen Regeln (deren Wirkmacht nur unterschätzt, wer nie auf dem Dorf gelebt hat) gestalteten Gräber (Buchsbaum, Bergenien, Begonien; im Frühjahr Stiefmütterchen und vor Totensonntag das Tannengrün) werden weniger, mit ihnen die Regelhüterinnen …
Was bleibt, ist die Stille.
Ich weiß, dass ich schmecke, sagte der Fisch
Veröffentlicht: 24. Juli 2022 Abgelegt unter: Alltag, Mixed Media, visuelles Tagebuch | Tags: Fisch, Maräne, Schwerin Hinterlasse einen KommentarMaränen habe ich schon ab und zu gezeichnet. Es sind heringsgroße Fische, die tiefe, kalte und saubere Süßwasserseen brauchen, besonders für das Wachstum der Jungfische. Ausgewachsene Exemplare sind nicht so empfindlich und schwärmen schon mal in die Ostsee aus. Fangsaison ist im Sommer, wenn es nicht zu warm wird. Und da die Feuerzungen der Große Hitze bisher nur kurz herübergelodert haben, gibt es noch welche. Sie sind sozusagen der Inbegriff von Regionalität. (Und sie scheinen sehr variable Gene zu haben, denn jeder große See, der auf sich hält, hat seine eigene Art. Anderswo heißen sie Felchen oder Renken, wobei der lokale Name nur locker mit dem wissenschaftlichen verknüpft ist. Diese hier haben „Coregonus albula“ in der Geburtsurkunde stehen.)
Am Verkaufswagen der Schweriner Seenfischerei konnte ich letzte Woche drei geräucherte Exemplare erwerben, und Freitag Abend machte ich mich daran, sie zu malen. Ich nahm das schöne dunkelgraue Papier von PaintOn, Tinte, Aquarellfarbe (nein, es ist keine Gouache), die farbkräftigen Inktense-Stifte von Derwent, die ich mir Ende Januar in Karlsruhe gekauft hatte und zum Schluss noch einen weißen Gelmarker. Immer schön Schicht auf Schicht.

Dann kamen sie wieder in den Kühlschrank und ich hatte anderweitig zu tun und zu speisen. Heute gaben sie ein gutes Sonntagsfrühstück. Sie lassen sich gut essen, denn sie haben festes, saftiges Fleisch, das an Forellen erinnert, und kaum fiese Gräten.
Es war Sonntag, ich hatte Zeit, sie mir in Ruhe schmecken zu lassen und gleich noch einmal die Stifte herauszuholen. Dieses Mal zeichnete ich in das kleine quadratische Büchlein von Royal Talens, das ich ebenfalls bei Gerstäcker Karlsruhe erworben habe und sehr liebe. Es hat griffiges, etwas gelbliches Papier, das fast kein Wasser verträgt. Ich zeichnete mit Kugelschreiber und etwas Buntstift, den ich nur mit ein paar Tropfen Wasser anlöste.

Die Gedanken schweiften derweil zur Lektüre der letzten Tage (ja, auch das Lesen hat kam dem Zeichnen etwas in die Quere): „Der Butt“ von Günter Grass, zu dem ich über diverse Assoziationsketten kam. In diesem Buch sagt der namensgebende sprechende Plattfisch bei der ersten Begegnung zum Ich-Erzähler „Mir ist bekannt, dass ich schmecke.“ (Er bleibt, wie man aus dem Märchen weiß, am Leben.) Ich stellte mir die drei Maränen vor, wie es dem Fischer mit ihnen – noch quicklebendig – ergangen wäre, was sie mit feinen Stimmchen versprochen hätten, um ungeräuchert wieder ins Wasser zu dürfen – um am Ende auf die Frage zu kommen, das allein das „die“ vor der Maräne einen prinzessinnenhaften Gegenentwurf zum männlich-väterlichen Butt evozierte – ein kleiner Beitrag zum unerschöpflichen Thema Genus und Sexus …








