Im Zoo

Letztes Wochenende waren die Schweriner Urban Sketchers im Zoo. Oder sagen wir mal: die, die nicht mit Fieber im Bett lagen. Ich war gerade wieder auferstanden, ein bisschen wacklig noch fragte ich mich, wie das wohl bei dem Wetter werden würde. Es wurde. Schön.

Zuerst einmal: es war still. Außer uns waren kaum mehr als fünf Familien auf dem Gelände. (Wir waren auch nur zu viert.) Und es gab Löwen. Vor einigen Jahren ist in Schwerin eine neue, hochmoderne Löwenanlage gebaut worden, in der ein kleines Rudel Asiatischer Löwen lebt. In freier Wildbahn gibt es nur noch 350 von dieser Unterart; sie leben in einem indischen Nationalpark. Um so größer ist die Freude über den Löwennachwuchs; die zwei älteren, jetzt fünf Monate alten Löwenjungen konnten wir durch die großen Panoramascheiben ausgiebig beobachten. (Die jüngeren sind gerade erst geboren und von der Öffentlichkeit noch abgeschirmt.)

Die Löwenjungen wuselten durch das Gehege, sprangen auch mal durch die extragroße Katzenklappe nach draußen in den Schnee – da habe ich mich zum Zeichnen an den Löwenkater Shapur gehalten, der seinen Nachwuchs mit königlicher Gelassenheit im Auge behielt.

Auf dem Heimweg machte ich noch eine kleine Bleistiftskizze am Warmhaus der Flamingos. Zu Hause kam noch ein bisschen Farbe dazu, eher atmosphärisch als genau.


Pilze

Pilze gab es im Blog lange nicht mehr. Zwar war ich den ganzen Herbst über, mal mehr, mal weniger erfolgreich, in den ausgedehnten Wäldern um Schwerin unterwegs gewesen, doch hatte die freie Zeit meist gerade zum Bestimmen gereicht. (Dazu war eine geführte Pilzwanderung in Thüringen gekommen, fünfzig Pilzarten konnte ich dabei fotografieren und beschriften.)

Gestern stimmte nun endlich alles: Bei schönstem Herbstwetter zog ich mit Korb und Messerchen in ein pilzreiches Waldgebiet, das ich erst vor kurzem entdeckt hatte. Korb und Messerchen bedeutet auch: ich sammle, wenn ich es denn finde, vorrangig Bekanntes für die Pfanne. Der Plan ging auf; nebenbei nahm ich nur einige wenige besondere „Bestimmlinge“ mit. Zu Hause sortierte ich, putzte, briet und dünstete und legte nur eine kleine Auswahl der essbaren Pilze zum Zeichnen beiseite.

Besondere Freude hatte ich an den rotmilchigen Reizkern. Der lateinische Begriff für die Sektion (so heißt das bei den Pilzen) der Reizker ist „deliciosi“, „die Köstlichen“, das sagt schon alles. (Das Wort „Reizker“ kommt aus dem slawischen und bedeutet „der Rote“ zB. russisch Рыжик, Ukrainisch Рижик, Tschechisch Ryzyk) Fichtenreizkern sagt man im Gegensatz zu den Edelreizkern Madenbefall und einen bitteren Nachgeschmack nach; beides konnte ich bei meinen nicht finden. Besonders lustig fand ich den grünspangrünen Minipilz am Fuße des größeren.

Er behielt seine Farbe bis zum nächsten Tag, im Gegensatz zu den Violetten Rötelritterlingen, die heute schon völlig verblasst waren. Den Heringstäubling erkannte ich am Geruch, unüberriechbar nach altem Fisch.


Schwerin

Seit ich mit dem Rad zur Arbeit fahre, gehe ich weniger spazieren. Und sehe weniger von der Stadt. Da braucht es erst Besucher aus Berlin, Hamburg und München, um mir die Augen zu öffnen.

Letzten Mittwoch war das, ich hatte mir den Nachmittag frei genommen und saß mit den Gästen zuerst am Schelfmarkt. Unter den vielen möglichen Blicken wählte ich einen mit angenehmer Sitzgelegenheit im Schatten; das blaue Auto kam mir gerade recht.

Danach erst, als die Tagestouristen schon allmählich aufbrachen, ging es Richtung Schloss. Zielsicher steuerte ich die Westbastion an, die Bank im Mauerschatten mit Blick auf den Turm. Irgendwann muss ich hier schon einmal gezeichnet haben; die Suchfunktion lässt mich im Stich und straft die Legende Lügen, ich könnte mich an alles erinnern, das den Weg in meine Skizzenbücher gefunden hat.


Vor Gericht

Der Schweriner Demmlerplatz liegt am nördlichen Rand der heutigen Innenstadt. In früheren Jahrhunderten befand sich auf diesem Hügel die „Königsbreite“, ein Richtplatz, weit außerhalb der Altstadt. Mecklenburg industrialisierte sich langsam, entsprechend gemächlich vergrößerte sich die Stadt. In den fetten Jahren zwischen 1900 und dem Ersten Weltkrieg war der Stadtrand bis hier vorgerückt, mit hübschen bürgerlichen Häusern, und 1916 war das Gerichtsgebäude fertig geworden. Ein gewaltiger Kasten, stadtseitig zwischen Neoklassizismus und Art Déco – die Rückseite, die damals auf die Felder hinaus ging, gehörte zum Untersuchungsgefängnis und blieb entsprechend undekoriert.

Seit ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre, streife ich diesen Stadtbezirk auf meinem Arbeitsweg und nehme mir immer wieder vor, hier zu zeichnen. Gestern war es endlich soweit, im Kreis der Schweriner Urban Sketchers.

Während einige von uns vor der einschüchternden Präsenz des Gebäudes zu den Stadtvillen flohen, nahm ich es mutig mit dem Eingangsbereich auf. Ein Mäuerchen an einer halb vertrockneten Grünanlage (der Platz liegt abseits aller Durchgangswege und wirkt trotz des angrenzenden Riesenbaus etwas vergessen) lud zum Sitzen ein, es gab sogar Schatten. Später holte ich mir doch noch einen Sonnenbrand und wurde dennoch nicht fertig.

So friemelte ich heute zu Hause an der Fassade weiter und kreiste mit meinen Gedanken um die düstere Geschichte des Ortes: das schöne Gebäude beherbergte nach 1945 ein sowjetisches Militärtribunal und seit Mitte der 50er Jahre die Bezirksverwaltung der Staatssicherheit samt Untersuchungsgefängnis. (Misstraut den Grünanlagen.) Erst nach 1989 konnten Land- und Amtsgericht wieder an den Ort zurückkehren, das Dokumentationszentrum für die Opfer deutscher Diktaturen erinnert an die Geschichte.


Rot, gelb, blau

Die „Schweriner Höfe“ sind das kleinste und ganz gewiss das schönste Schweriner Einkaufszentrum, eine originell gestaltete Anlage, die es nicht leicht hat gegen die Giganten. Hier trafen sich heute fünf Zeichnerinnen im windgeschützten und überdachten, aber ungeheizten Brunnenhof. Es gibt ein Sushi-Restaurant, in dem ich schon mehrmals gezeichnet habe (und das leider erst heute Abend öffnen würde), aber den Ort selbst hatte ich noch nie zum Zentrum meiner Aufmerksamkeit gemacht.

Zuerst kamen die Mitzeichnerinnen an die Reihe; und wie aufgereiht saßen sie dort, in rot, gelb und blau.

Dann reihte ich mich – in einer leuchtend grünen Jacke – neben Blau ein und widmete mich dem namensgebenden Brunnen. Leider habe ich nicht herausbekommen, wer ihn geschaffen hat, auf der Website der Höfe ist nur von „einer Künstlerin“ die Rede. Der Brunnen, aus farbig glasierten Ziegeln gebaut, ist eine Hommage ebenso an Hundertwasser wie an die zahlreichen mit glasiertem Zierat geschmückten Backsteingebäude Schwerins; mit seinen geschwungenen postmodernen Formen ist er direkt den 90er Jahren entwachsen.


Einmal Bleistift und zurück

Ich zeichne gern in Museum – im Winter ist dafür die beste Zeit. Im Schweriner Schleswig-Holstein-Haus werden derzeit Plastiken des Bildhauers August Martin Hoffmann gezeigt. August Martin Hoffmann wirkte von den 60er bis in die 80er Jahre in Schwerin; jeder kennt seine Plastiken und keiner den Namen.

Ich genoß es sehr, gemeinsam mit zwei anderen Zeichner*innen in den schönen hellen und warmen Ausstellungsräumen zu sitzen, der Blick aus dem Fenster fiel auf verschneite Fachwerkhäuser … Die Lieblingsskulptur war schnell gefunden, ein Porträtkopf des Shakespeare-Übesetzers Rudolf Scheffler – noch einer, dessen Namen ich noch nie gehört hatte – und der museumsgerechte Bleistift vertrug sich überraschend gut mit dem Aquarellbuch von Hahnemühle – ich blieb dabei, glücklich friemelnd und strichelnd …

Einer der Räume war mit „Schaudepot“ benannt, dicht an dicht standen unkommentiert kleine und mittelgroße Plastiken auf knallroten Podesten – das gab einen eigentümlichen Kontrast. Die Zeit war schon fortgeschritten und es fiel mir gar nicht so leicht, wenigstens die grobe Raumstruktur mit Bleistift zu erfassen. Zu Hause griff ich zum großen weiche Bleistift – nein, hier würde frriemeln nicht helfen – und zum Schluss doch noch zu Pinsel und Farbe …


Zweimal Denkmal

Zum Tag des offenen Denkmals hatte ich in Schwerin die Auswahl zwischen dem Logenhaus der Schweriner Freimaurer – ich hatte es vor Jahren einmal von außen gezeichnet – und zwei von den drei Kirchen, die ich im Frühjahr erradelt hatte. Bei den Freimaurern würde es, so fürchtete ich, voll werden und ich vielleicht nicht zum Zeichnen kommen; ich entschied mich für die Kirchen.

Als ich an der Kirche von Kirch Stück ankam, sah ich es deutlich vor meinem inneren Auge, das Datum: 11.09.22. Es war allerdings erst der 4. Umkehren? Ich erinnerte mich, dass die zweite Kirche, nur wenige Kilometer entfernt, im März ganz ohne Denkmalanlass offen gewesen war; so auch an diesem Tag. Die Trebbower Kirche ist der gleiche Bautyp wie die im stillen, (gott)verlassenen Prestin – ein schlichter Hallenbau ohne Turm, mit Spitzdach, gerundetem Chorraum, einem kleinen Sakristeianbau an der Südwand und einem frei stehenden Glockenstuhl.

Still war es auch hier, eine belebte und bewohnte Stille. Am Friedhofstor schon begrüßte mich das „Offene-Kirche“-Schild, es passte zur einladenden und freundlichen Atmosphäre des Ortes.

Dorfkirche Groß Trebbow bei Schwerin, aquarelliert in meinem etwas „wilden“ Leporello.

Bevor ich hineinging, ließ ich mich im Moos unter alten Bäumen nieder und stellte dieses Bild fast fertig; zuhause vertiefte ich nur die Schatten ein wenig.

Im Innern erwartet die Besucherin freundlich-naives Barock an Kanzel und Altar; Voluten, Knorpelwerk und pausbäckige Engel. Als Kanzelträger, im dunklen Untergrund, erst auf den zweiten oder dritten Blick sichtbar, fungiert eine düstere Maske mit gelben Augen.

Am folgenden Sonntag war dann wirklich der Tag des Offenen Denkmals und ich radelte noch einmal ins nahe gelegene Kirch Stück, um die vielfach im Vorbeifahren gesehene Kirche endlich einmal von innen kennenzulernen. Für eine Dorfkirche ist sie bereits im Mittelalter wertvoll ausgestattet worden, u.a. beherbergt sie eine der ältesten Glasmalereien Mecklenburgs.

Meine Blicke wurden sofort von dem grob in Granit gehauenen Taufstein angezogen. Man weiß nichts zuverlässiges über diese Steine; sie künden von Vorfahren, die außer ihnen nichts Steinernes und auch nichts Schriftliches hinterlassen haben und denen man später das Etikett „Heiden“ aufdrückte. Ich habe solche Taufsteine schon mehrfach gezeichnet, in Mecklenburg und sogar in Franken.

An der Stirnseite der Kirche steht ein fröhlich-bunter gotischer Altar mit der üblichen Aufreihung von Heiligen in den Seitenflügeln. Der Mittelteil ist von erzählenden Szenen rund um Jesu Hinrichtung ausgefüllt; dazu kommt der heilige Georg, dem die Kirche geweiht war. In schönster Märchenmanier erlegt er den Drachen, während die Prinzessin für den guten Ausgang der Geschichte betet.

St.Georg erlegt den Drachen – Mittelteil des Altaraufsatzes der Kirche in Kirch Stück bei Schwerin. Diese Seite des Leporellos hatte ich mich einem Papier grundiert, in dem Blattstücke verarbeitet sind.

Rückblick 2: In der Stille

Im März hatte ich einen Anlauf genommen, der für Monate der einzige bleiben sollte: Mit dem Fahrrad die Kirchen der Umgebung zu besuchen und zu zeichnen, einen kleinen Pilgerweg vor Ort zu zelebrieren … Schön wäre das gewesen, theoretisch. Praktisch bin ich an unverplanten Wochenenden gern eine Einsiedlerin, die je nach Jahreszeit Balkon, Ofenplatz oder Sofa bewohnt und zeichnend an Stillleben und Pflanzen ihre Freude hat. Die verplanten, man ahnt es, gehören Freunden und Familie.

Manchmal lässt sich etwas verbinden, wie vor vier Wochen, als ich eine Freundin besuchte, die im tiefsten mecklenburgischen Hinterland lebt, zwischen Schwerin und der Seenplatte. Ich befragte meinen Kirchenführer und fand eine Dorfkirche, die fast am Weg lag, in Prestin.

Gezeichnet mit allerlei Buntstiften im quadratischen S&B Nova, das sich langsam füllt.

Es war gegen Mittag und heiß, dabei noch luftig (die Schwüle würde erst kommen im Lauf des August) und unfassbar still. Der leichte Wind raschelte in den Blättern, mehr war nicht zu hören.

Eine bescheidene Kirche ohne Turm, halb Feldstein, halb Fachwerk, und links daneben, auf meinem Bild nicht sichtbar, die Grabkapelle des Adelsgeschlechts, das hier einst das Sagen hatte. Vielleicht hatten dessen Nachfahren auch die neuen Dachziegel und die Renovierung bezahlt, denn die Kirche war zwar verlassen, aber keineswegs verfallen. Die Kirchentür war verschlossen, im Schaukasten gilbte eine Telefonnummer neben dem Plan der Gottesdienste, die in den Nachbardörfern stattfinden.

Zu Hause schaute ich mir das Foto in meinem Bildband noch einmal an, der mir als Wegweiser dient: Fast der gleiche Blickwinkel, etwas größer der Abstand; die Linde, in deren Schatten ich gesessen hatte, war mit im Bild, blattlos, winterlich. Der große Nadelbaum, der mir halb den Blick versperrt hatte, fehlte noch. Stattdessen, und ich brauchte etwas, um den Unterschied zu sehen, standen Grabsteine im Vordergrund, zahlreiche Grabsteine – ein ganz normaler Dorffriedhof. Wird die Pacht für ein Grab nicht verlängert, muss oft auch der Stein entfernt werden. Das Foto wird um 1980 herum aufgenommen sein – vierzig Jahre später sind nicht nur die Dörfer halb verlassen, auch die Friedhöfe beginnen zu verkahlen. Die nach dorfeinheitlichen Regeln (deren Wirkmacht nur unterschätzt, wer nie auf dem Dorf gelebt hat) gestalteten Gräber (Buchsbaum, Bergenien, Begonien; im Frühjahr Stiefmütterchen und vor Totensonntag das Tannengrün) werden weniger, mit ihnen die Regelhüterinnen …

Was bleibt, ist die Stille.


Ich weiß, dass ich schmecke, sagte der Fisch

Maränen habe ich schon ab und zu gezeichnet. Es sind heringsgroße Fische, die tiefe, kalte und saubere Süßwasserseen brauchen, besonders für das Wachstum der Jungfische. Ausgewachsene Exemplare sind nicht so empfindlich und schwärmen schon mal in die Ostsee aus. Fangsaison ist im Sommer, wenn es nicht zu warm wird. Und da die Feuerzungen der Große Hitze bisher nur kurz herübergelodert haben, gibt es noch welche. Sie sind sozusagen der Inbegriff von Regionalität. (Und sie scheinen sehr variable Gene zu haben, denn jeder große See, der auf sich hält, hat seine eigene Art. Anderswo heißen sie Felchen oder Renken, wobei der lokale Name nur locker mit dem wissenschaftlichen verknüpft ist. Diese hier haben „Coregonus albula“ in der Geburtsurkunde stehen.)

Am Verkaufswagen der Schweriner Seenfischerei konnte ich letzte Woche drei geräucherte Exemplare erwerben, und Freitag Abend machte ich mich daran, sie zu malen. Ich nahm das schöne dunkelgraue Papier von PaintOn, Tinte, Aquarellfarbe (nein, es ist keine Gouache), die farbkräftigen Inktense-Stifte von Derwent, die ich mir Ende Januar in Karlsruhe gekauft hatte und zum Schluss noch einen weißen Gelmarker. Immer schön Schicht auf Schicht.

Dann kamen sie wieder in den Kühlschrank und ich hatte anderweitig zu tun und zu speisen. Heute gaben sie ein gutes Sonntagsfrühstück. Sie lassen sich gut essen, denn sie haben festes, saftiges Fleisch, das an Forellen erinnert, und kaum fiese Gräten.

Es war Sonntag, ich hatte Zeit, sie mir in Ruhe schmecken zu lassen und gleich noch einmal die Stifte herauszuholen. Dieses Mal zeichnete ich in das kleine quadratische Büchlein von Royal Talens, das ich ebenfalls bei Gerstäcker Karlsruhe erworben habe und sehr liebe. Es hat griffiges, etwas gelbliches Papier, das fast kein Wasser verträgt. Ich zeichnete mit Kugelschreiber und etwas Buntstift, den ich nur mit ein paar Tropfen Wasser anlöste.

Die Gedanken schweiften derweil zur Lektüre der letzten Tage (ja, auch das Lesen hat kam dem Zeichnen etwas in die Quere): „Der Butt“ von Günter Grass, zu dem ich über diverse Assoziationsketten kam. In diesem Buch sagt der namensgebende sprechende Plattfisch bei der ersten Begegnung zum Ich-Erzähler „Mir ist bekannt, dass ich schmecke.“ (Er bleibt, wie man aus dem Märchen weiß, am Leben.) Ich stellte mir die drei Maränen vor, wie es dem Fischer mit ihnen – noch quicklebendig – ergangen wäre, was sie mit feinen Stimmchen versprochen hätten, um ungeräuchert wieder ins Wasser zu dürfen – um am Ende auf die Frage zu kommen, das allein das „die“ vor der Maräne einen prinzessinnenhaften Gegenentwurf zum männlich-väterlichen Butt evozierte – ein kleiner Beitrag zum unerschöpflichen Thema Genus und Sexus …


Von Gärten und Menschen

Am Gründonnerstag hatte ich den Fisch erst aquarelliert und dann gegessen, um am Karfreitag hier darüber nachzudenken, wie Madame Maigret ihn wohl zubereitet hätte. Dann stockten Stift und Tastatur. Um nun, sechs Wochen später, allmählich, wieder in Gang zu kommen.

Wie immer galt es, sich von der Vorstellung zu trennen, Bilder fertig zu stellen, die nicht mehr waren als ein paar Striche auf dem Papier, es galt, tagelang offen gelegen habende Bücher zuzuklappen und sich an die Marker zu halten, denn die Füller sind in solchen Zeiten meist eingetrocknet.

Heute trafen sich die Schweriner Urban Sketchers im ehemaligen Herzoglichen Küchengarten, von dem eine Mauer wie zu Friedrich Franz‘ Zeiten den Westwind fern hält – ein guter Platz für diesen stürmischen Tag. Rosen, so dachte ich mir, wachsen auch in meinem eigenen Garten (wer sie daran hindert, wird gleich noch zur Sprache kommen), also hielt ich mich an die Bartiris.

Noodler’s Bulletproof Lexington Grey war zum Glück noch nicht eingetrocknet – so dass ich sogar mit Füller zeichnen konnte.

Die Rosen in meinem Terrassengarten blühen seit gut einer Woche. Doch kaum waren die ersten Blüten erschienen, sah ich auf den ersten Blättern tief unten im Strauch den Feind: Diplocarpon rosae, den Sternrußtau, einen Pilz, der auf meiner den halben Tag beschatteten Terrasse leichtes Spiel hat. Kaum gelingt es den Sporen, sich an einem Blatt festzuklammern und dort ein paar feuchte Stunden zu verweilen, entstehen hässliche schwarze Flecken, die sich mit schwarzen Pilztentakeln ausbreiten und dem Blatt in Windeseile alles grüne Leben aussaugen – es stirbt ab, fällt zu Boden und mit ihm Hunderte von Sporenpäckchen, auf ihre Zeit warten.

Ein Rosenblatt mit Sternrußtau – bei allem Ärger ein interessantes Zeichenobjekt.

Vergangene Woche brachte ich einen ganzen Tag zeichnend im Park Sanssouci zu – ein reines, lange nicht gefühltes Glück und eine gute Gelegenheit, die Hand-Auge-Koordination wieder in Gang zu bringen. Am frühen Abend saß ich in einem der Rondelle, zu denen die Hauptallee sich weitet, und zeichnete „Paris entführt Helena“ im „Entführungsrondell“ – eine sich windende und zappelnde Marmorschönheit neben der anderen …

Und wo bleiben die Menschen? Die, die nicht aus Marmor sind? Natürlich sind sie da, ohne sie wäre der Garten kein Garten und der Sternrußtau einfach nur ein Stück Natur, von Statuen mit zweifelhafter und ganz und gar unzeitgemäßer Botschaft ganz zu schweigen. Mit dem Zeichnen von Menschen allerdings ist da so eine Sache – das will erst wieder geübt werden. Daher zum Schluss noch eine Caféhauszeichnung von Anfang April, als die Schweriner Sketchers sich das vorige Mal trafen – weiser Wettervoraussicht drinnen zum Frühstück …