A Email hammer net

„A Email hammer net, schicken’s a Kartn“. Das hatte ich getan und mich auf diese Weise im Gasthof von Wohlmannsgesees auf dem Fränkischen Jura angemeldet. Als ich bei sanfter Nachmittagssonne dort ankam, hing ein Zettel an der Tür: „Bin in einer Stunde wieder da. Anna!“ Ich setzte mich auf die Bank vor dem Haus und wartete, doch die Stunde verging, die Sonne verschwand, es wurde kühl und wer nicht kam, war Anna. Bis sie schließlich auf einem Balkon auftauchte, Wäsche aufhängend und mir versichernd, sie wäre hinten im Haus gewesen und hätte immer gehorcht, ob ein Auto kommt …

Zu meiner Überraschung ist Anna Heid, obschon Witwe, keine alte Frau, sie mag jünger sein als ich und bewirtschaftet Gasthof samt Obst- und Gemüsegarten mit gelegentlicher Unterstützung ihrer Brüder allein. Sie kochte mir erst einmal eine große Kanne Kräutertee aus dem Garten, natürlich war auch das Essen hervorragend. Das meiste im Haus ist Original 70er Jahre, Fototapete, Badfliesen, Lampen und eben auch das Geschirr; doch im Gegensatz zu anderen Unterkünften ist alles picobello, wie neu und blitzsauber.

Ich habe mich dort sehr wohlgefühlt und kann jedem, der die Fränkische Schweiz besucht, empfehlen, Anna Heid eine Karte zu schreiben und wenigstens eine Nacht in ihrem Gasthaus zu verbringen.

Am nächsten Tag bin ich weiter gewandert, durch Wälder voller Schopftintlinge und anderer interessanter Pilze, über hügelige Weiden mit Felsblöcken wie in einem japanischen Garten und selbstverständlich auch an der obligatorischen Burg vorbei.

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Die 70er Jahre und das Mittelalter sind in der Fränkischen Schweiz sehr präsent. PITT-Pens, Super5-Tinte in grau und etwas Wasserfarbe.


Inspiration Burgruine

In der Fränkischen Schweiz gibt es fast so viele Burgen (in verschiedensten Erhaltungszuständen) wie Felsen, auf die man eine stellen kann. Eine der bekanntesten ist die Ruine Neudeck gegenüber von Streitberg. (Das wiedrum bekrönt wird, wen wundert es, von den Resten der Streitburg. Vermutlich war das seinerzeit keine sehr friedliche Gegend.)

Nach meiner Übernachtung im Alten Kurhaus bin ich in schönstem sanften Herbstblau nach Neideck hochgestiegen und wollte es mir schon zum Zeichnen gemütlich machen, als ich ein Stück weiter noch jemanden den mit Block und Stift sah. Noch ein Zeichner, dachte ich erfreut und ging hin, um „Guten Tag“ zu sagen. Beim Näherkommen sah ich, dass der Mann mitnichten zeichnete, sondern schrieb, ja, dass überall auf Mäuerchen und Bänken schreibende Menschen saßen! Ein Schreibseminar war auf Inspirationstour hier oben, bei näherer Betrachtung noch ergänzt durch zwei ebenso eifrig werkelnde Fotografen.

Später kamen auch noch ein paar Leute, die nur die Aussicht genießen oder ihren Hund ausführen wollten. Für das ungeschulte Auge ist von der Burg nur die Ruine des Wohnturms zu sehen, es war aber einmal eine große und bedeutende Anlage, über die man auf den (sehr zahlreichen!) Infotafeln eine Menge erfährt.

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Ruine der Burg Neideck in der Fränkischen Schweiz.


Altes Kurhaus

Manche Stadtzentren erzählen dort besonders eindringlich ihre Geschichte, wo eine Generation die Bausünden der nächsten verschlimmbessert hat. Mit Häusern kann es ähnlich sein, besonders dann, wenn sie bereits ein paar Hundert Jahre alt sind, wie das „Alte Kurhaus“ in Streitberg. Mit heutigen Augen besonders schmerzlich anzusehen sind die Umbauten der letzten fünfzig Jahre, hässliche Veranden mit Sperrholztüren, billige Pseudosprossenfenster und falsche Butzenscheiben.
Zum Glück – so stellte ich beim Zeichnen fest – waren Maßstab und Ausschnitt meiner Abbildung dann doch recht versöhnlich gewählt … (Der Name „Kurhaus“ bezieht sich auf die im 19.Jahrhundert populäre „Molkenkur“, eine spezielle Art des Fastens.)

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Das Hotel „Altes Kurhaus“ in Streitberg in der Fränkischen Schweiz. Füller und PITT-Pens.


Goldengel und graue Schlange

Königsfeld auf dem Fränkischen Jura hat nicht nur ein Gasthaus mit Stammtisch zu bieten, es hat auch Geschichte. Der Name Königsfeld erinnert an eine karolingische Pfalz, die Kirche ist noch heute mit Mauern und Toren als Wehrkirche befestigt, und alles atmet den Geist eines sehr alten Siedlungsplatzes.

Im Innern geht es hübsch barock zu, besonders die Kanzelengel hatten es mir angetan. Leider habe ich den pfiffig-verschmitzten Ausdruck nur bedingt einfangen können.

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Barocker Engel an der Kanzel der Königsfelder Kirche.

In einer Nebenkapelle stieß ich dann auf ein Glasfenster mit einer Mondsichelmadonna, der Machart nach vermutlich um 1900 entstanden. Ich stand auf Augenhöhe mit dem zarten Madonnenfuß, der die Schlange der Sünde zertritt, und war sowohl von der feinen Grisaille-Arbeit als auch von der naturalistischen Darstellung des Schlangenkopfes beeindruckt.

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Detail einer Glasmalerei in der Marienkapelle in Königsfeld. Besonders hat mir die an eine Schwarzweißfotografie erinnernde Darstellung von Schlange und Apfel gefallen. PITT-Pens und etwas Wasserfarbe in S&B Zeta.

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Volkskunde

Die fünfte Etappe meiner Pilgerwanderung hat begonnen. Einmal längs und vielleicht auch ein bisschen schräg von Deutschlands Mitte bis zum Bodensee, so ist es geplant, angekommen bin ich mittlerweile in Oberfranken. Bamberg war der Schlusspunkt der vierten Etappe, Nürnberg das nächste Ziel. Dazwischen: Die Fränkische Schweiz, ein kleines bisschen östlich der als solche ausgeschriebenen Pilgerwege. Eine ländliche und, ja, ein bisschen abgelegene Gegend, das hatte ich schon bei den Vorbereitungen gemerkt.

Die erste Übernachtung im Kloster Kirchschletten, wo ich vergangenes Jahr aufgehört hatte, und dann weiter hügelauf hügelab Richtung Südosten, Unterkunft in Würgau in einem Brauereigasthof, wie es hier noch viele gibt, kleine Familienbetriebe, wo die Leute aus den umliegenden Dörfern ihr Bier kastenweise holen und auf eine Brotzeit oder einen Braten mit Klößen einkehren.

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Die „Brauerei Hartmann“ in Würgau. Der Gasthof ist fachwerkhübsch, doch die Braukessel tragen Wirtschaftswundermode – Kacheldekor und eloxierte Fensterrahmen.

Am nächsten Tag 150 Höhenmeter hoch auf den Fränkischen Jura, ein Karstplateau, das immer mal wieder von tiefen Schluchten durchzogen wird. Oben flaches Land, fast parkartig, Schlehen- und Weißdornhecke filtern den hier vermutlich immer wehenden Wind, Kreuze und Kapellen an jeder Wegkreuzung. Im Dorfgasthaus sitzt, als wäre er für die Zeichnerin bestellt, der Herr Pfarrer mit am Stammtisch.

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Stammtischpublikum in den „Drei Kronen“ in Königsfeld/Oberfranken.

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