Gemüse und Gesang
Veröffentlicht: 17. Juli 2025 Abgelegt unter: #uskschwerin, Allgemein, Alltag, Mixed Media, Urban Sketching, visuelles Tagebuch | Tags: Gemüse, Kirche, Musik, Schwerin, visuelles Tagebuch Hinterlasse einen KommentarZuerst der Gesang: Am letzten Samstag gab es in der Schweriner Schelfkirche ein in mehrerlei Hinsicht bemerkenswertes Chorkonzert. Der Rachmaninow-Chor aus Kiel gastierte mit einem Benefizkonzert zugunsten der Dachsanierung. Gesungen wurden in Deutschland selten bis nie gehörte Vokalmusik-Stücke aus Osteuropa und dem Baltikum.

Das Gemüse hingegen wurde so oder anders schon des öfteren in meinen Skizzenbüchern gesehen. Noch vor dem Naturstudien-Wochenende in Bellin hatte ich eine Serie mit auskeimenden Zwiebeln ins Auge gefasst, an Ende wurden es zwei Zeichnungen. Die erste, mit Bleistift, war nicht viel mehr als eine Lockerung des Handgelenks. Bei der zweiten, mit Fineliner, erinnerte ich mich, erst vage, dann immer genauer daran, in einem der Skizzenbücher des von mir hochgeschätzten Kölner Zeichners Peter Hoffmann etwas ähnliches gesehen zu haben. So versuchte ich mich, etwas ungelenk, an einer Hommage.

Und zum guten Schluss noch ein vertrautes Genre: ein sonntägliches Frühstücksbild. Die kleinen Tomaten sind noch gekauft, die auf dem Balkon fangen gerade an sich zu röten, doch immerhin ist das Basilkumblatt bereits selbst geerntet. Natürlich dürfen auch die Bollhagen-Streifen nicht fehlen. Gezeichnet ist das Bild im 14×14 cm Watercolour Book von Hahnemühle, doch nach einer dünnen Untermalung mit Wasserfarben wechselte ich zu Buntstiften.

Einhundertzwölf Tage …
Veröffentlicht: 15. Juni 2025 Abgelegt unter: #dothe100dayproject, Allgemein, Alltag, Mixed Media | Tags: 100-Tage-Projekt, 60er Jahre, Alltag, Stillleben, visuelles Tagebuch Hinterlasse einen Kommentar… ist es nun her, seit ich mich in Begleitung einer sechzig Jahre alten Packung Würfelzucker in das Abenteuer „100-Tage-Projekt“ gestürzt hatte. Was ist daraus geworden?
Am 23.Februar, dem Starttag, schrieb ich:
Es ist ein Social-Media-Projekt (eine „Challenge“, dazu schreibe ich später mehr), länger als die meisten Projekte dieser Art; dafür mit großzügigen Regeln. Eigentlich mit nur einer Regel: mach hundert Tage lang etwas, das Du schon immer machen wolltest, und damit Du dranbleibst: Halte das Ganze so einfach wie möglich. Und zeige die Ergebnisse öffentlich, in einem Medium Deiner Wahl.
Ja, ich habe es einfach gehalten, wozu auch zählt, dass ich noch nichts über mein Verhältnis zu „Challenges“ geschrieben habe. Um es kurz zu machen: Ich mag den Begriff nicht, weder als „Challenge“ noch als „Herausforderung“. Die „Herausforderung“ ist ist ein Geschwister von „Komfortzone verlassen“, wozu ich vor einiger Zeit schon einmal etwas geschrieben hatte, ein Euphemismus aus der Welt des amerikanischen Business-Sprechs. Der Begriff „Herausforderung“ stammt aus der mittelalterlichen Männerwelt, was man erkennt, wenn man ihn wörtlich nimmt: da wird jemand (zu einem Zweikampf) aus seinem geschützten Raum „heraus“ „gefordert“. Die „Challenge“ bedeutet genau das gleiche und wurzelt in einem lateinischen Wort für „Beschimpfung“.
Also: Projekt. Und was ist daraus geworden? Viel. Wenn auch nicht alles, was ich mir vorgenommen hatte. Größere Pläne – und das Ganze war ein zumindest mittlerer Plan – haben das so an sich. Die ursprüngliche Idee war gewesen, mich dem Inhalt von drei Schubladen, genannt „Mein kleines Museum“, zu widmen. Ich sollte sehr schnell merken, dass meine Wohnung weit über diese Schubladen hinaus ein Museum ist, ein Ort voll beseelter Dinge, voll stiller Lebendigkeiten. So stand ich bald vor einer riesigen Auswahl an Motiven, von denen nur einige wenige den Weg auf das Papier fanden.











Das letzte Bild war am 55. von 100 Tagen entstanden, und dem Museumsplan kam etwas sehr Schönes in die Quere: es wurde Frühling. Ich saß am Ostersonntag vor der „Ewigkeitspforte“ der Schelfkirche, ich verbrachte stille Tage in Bellin und zeichnete, nicht zum ersten Mal, das Schweriner Schloss… Immer wieder, auch das sei hier erwähnt, kam es zu „ungezeichneten“ Tagen, aus Gründen …
Im letzten Viertel des Projektes kehrte ich an den Zeichentisch zurück, friemelte zwei Wochen lang an eine Buntstiftzeichnung, traf mich zwischendurch mit den Urban Sketchern, kam dann am 95.Tag doch aus dem Tritt, aus Gründen, wiederum …
Doch es gab noch ein kleines Nachspiel. Bei der Suche nach den Fossilien hatte ich in einigen Kisten und Dosen gekramt, von denen ich kaum noch wusste, dass es sie gab. In einer fand ich dieses freundliche Püppchen.

Ein Eierwärmer, Typ „Trachtenpuppe“, hergestellt in den 1960er Jahren im Erzgebirge. Wo die kleine Dame ihre letzten 25 Lebensjahre verbracht hat, lässt sich nicht rekonstruieren; davor stand sie in dem etwas unordentlichen und zur Hälfte von Büchern eingenommenen Glasschrank meiner Kindheit. Vermutlich wurde sie gelegentlich zu Sonntagsfrühstücken herausgeholt, zusammen mit ihrer Schwester, die eine rot-weiß gestreifte Schürze und ein weißes Häubchen trug und deren Verbleib ich nicht erinnere.
Frisch gewaschen wartete sie auf dem Zeichentisch, obschon der einhundertste Tag bereits überschritten war, auf ihren Moment. Gestern nahm ich sie zu einem sommerlichen Balkonfrühstück mit nach draußen, da stand sie zwischen einem Frühstücksei und den Rosen und Kräutertöpfen, denen die nächsten Zeichenmonate gehören werden. Und, nein, sie kam nicht zurück in die Kiste, sie steht nun wieder im Schrank (wenn auch ohne Glasscheibe) zwischen Tassen, Tellern und Eierbechern: eine kleine Museumswärterin.
Ostereier
Veröffentlicht: 18. April 2025 Abgelegt unter: #dothe100dayproject, Allgemein, Alltag, Mixed Media | Tags: 100-Tage-Projekt, 80er Jahre, Blech, Mein kleines Museum, Ostern 2 KommentareAuf dem letzten Bild spielten sie, obschon in den Vordergrund platziert, nur eine Nebenrolle – drei Ostereier in einer viereckigen Bollhagen-Schale. Das soll sich heute ändern. Diese Eier gehören in das große Kapitel „Osteuropa-Kontakte meiner Mutter“, sie sind Mitbringsel von einem längeren Aufenthalt im schlesischen Opole. Es gab etliche von ihnen; mittlerweile sind es nur noch sechs.

Das Skurrile an diesen Eiern ist: Sie werden so lange gekocht, bis sich in ihrem Innern nichts mehr rührt und das Ganze – theoretisch – vierzig Jahre oder länger hält. Das totgekochte Ei trocknet mit den Jahren ein – bewegt man es, klingt es wie ein Klapperstein. Die Schalen werden mit der Zeit immer fragiler, und so kann es passieren, dass man ein Ei sorgfältig in die Packung legt – und zu Beginn der nächsten Saison ein zerbrochenes findet.

Das bunte Ei – so erfahre ich erst jetzt – hat mit Ostern gar nichts zu tun. Es ist sozusagen mein Überraschungsei: eine Blechschachtel in Form eines Eis, etwa fünf Zentimeter lang und mit einem Märchenmotiv bedruckt. Es enthielt Schokolade oder andere Süßigkeiten und wurde von einem Automaten in Form eines gackernden Blechhuhns „gelegt“ – nachdem man zehn Pfennige eingeworfen hatte. Wie einer der – mittlerweile auch fast ausgestorbenen – Kaugummiautomaten aus den Neunzigern, nur lustiger. Und wie viele solcher alten Blechsachen sind diese Eier heutzutage Sammelobjekte – für ein gut erhaltenes Exemplar können über hundert Euro bezahlt werden. (Ist mein Ei gut erhalten? Egal – es bleibt in meiner Schublade.)
Und dann sind da noch die blauen Eier in klassischer Wachsreservetechnik. Was ihnen für die Museumsreife an Alter fehlt, machen sie durch Schönheit wett; ich bekam sie 2018 geschenkt, nachdem ich die Schöpferin gezeichnet hatte.
Raffinade
Veröffentlicht: 24. Februar 2025 Abgelegt unter: Alltag, Mixed Media | Tags: 100-Tage-Projekt, 60er Jahre, Alltag, Mein kleines Museum Hinterlasse einen KommentarDie Packung Würfelzucker ist ziemlich genau sechzig Jahre alt. Ich fand sie, wo man solche Dinge findet, beim Renovieren im obersten Fach des Küchenschranks; dort hatte sie hinter Geschirrtüchern als eiserne Reserve überdauert. Das war um die Jahrhundertwende, die DDR schon seit zehn Jahren Geschichte und eine 35 Jahre alte Zuckerpackung schon ganz schön alt. So legte ich sie in eine Schublade und dachte: solche Dinge werden sich noch mehr finden, und wenn sie klein genug für die Schublade sind, hebe ich sie auf.
Inzwischen sind es drei Schubladen, deren Inhalt ich vorhabe in den nächsten Wochen hier auszubreiten. Ich habe schon ein bisschen vorsortiert, ahne schon, was mich erwartet und in welchen Schachteln, Dosen, Kellerschränken und Koffern noch mehr interessante Gegenstände schlummern. Minimalismus ist nicht meine Stärke, ich lasse mir gern von den mich umgebenden Dingen die Welt erklären.

So auch von diesem Würfelzucker. Die Packung ist zwischen 1964 und 1967 hergestellt, „MDN“ steht für „Mark der Deutschen Notenbank“ und wurde nur in diesen drei Jahren verwendet; danach hieß es schlicht „M“ für „Mark der DDR“. Abgepackt worden war der Zucker in den historischen Werkhallen der späteren „VEB Zuckerraffinerie Rositz“, in denen einst, im Baujahr 1871, die erste elektrische Firmenbeleuchtung Deutschlands erstrahlt war. Und die, mittlerweile unter Denkmalsschutz, immer noch stehen, obwohl dort natürlich schon lange kein Zucker mehr abgepackt wird – und die Sache mit dem Volkseigentum sich auch schon seit längerem erledigt hat.
Raben Steinfeld
Veröffentlicht: 30. September 2024 Abgelegt unter: #uskschwerin, Allgemein, Mixed Media, Urban Sketching | Tags: Mecklenburg, Pilze, Schwerin 3 KommentareAm Samstag, Tag 12 von 21, trafen sich die Schweriner Urban Sketchers in Raben Steinfeld am östlichen Seeufer. Die abwechslungsreiche Endmoränenlandschaft hatte mit ihren steinigen Äckern einst für den Ortsnamen gesorgt, die Adelsfamilie Raben für die Abgrenzung zu den anderen Steinfelds in der Umgebung.
Um ein herzogliches Jagdschloss waren in den fetten Gründerzeitjahren ein Gestüt und ein Park gewachsen und entsprechend der Mode der Zeit baute man die Gestütswärtersiedlung im englischen Stil.

Das Wetter war windig und kalt, später zogen Regenwolken von Westen über den See heran. Da war ich gerade mit der linearen Zeichnung fertig geworden. Zu Hause bekamen Himmel und Dachlinie die Hauptrolle, die ihnen gebührt.
Nach Regen und Mittagspause wagten wir einen zweiten Anlauf im Park mit seinen berühmten alten Eichen. Hier schaffte ich neben den Linien immerhin noch die ersten Schatten.

Zu Hause kamen – mittlerweile an Tag 13 – neben den Aquarellfarben zahlreiche Marker zum Einsatz – immerhin hatte ich für die Domestika-Aktion gerade erst meinen Bestand aufgestockt. Auch für den gelben Fleck am Stamm konnte ich sie gut brauchen – es handelt sich um ein Prachtexemplar von Schwefelporling, der so hoch oben wuchs, dass er der Bratpfanne entging.
Mariä Reinigung 1
Veröffentlicht: 10. März 2024 Abgelegt unter: Allgemein, Mixed Media | Tags: Feiertag, Maria Ein KommentarZu „Mariä Lichtmess“, vor nunmehr fünf Wochen, geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Ich hatte angefangen, mich mit diesem seltsamen und fast vergessenen Feiertag zu beschäftigen und gleichzeitig nach Wochen eine erste Zeichnung geschafft – passenderweise eine Kerzenlaterne. Auch wenn die vordergründig gar nichts mit der Geschichte des symbolischen „Loskaufs“ eines Neugeborenen im Tempel zu tun hat. (Die Kerzen kamen erst später dazu, in Lichterprozessionen zu Ehren des „Lichts der Welt“, Christus.) Und was hat Maria damit zu tun?
Der Feiertag hat noch einen zweiten Ursprung, der sich in dem alten Namen „Purificatio Mariae“ – „Mariä Reinigung“ widerspiegelt. Eine Frau, die geboren hatte, galt als kultisch unrein und war vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen, bis sie sich – frühestens nach 40 Tagen – einem Reinigungsritual unterzogen hatte.
Als Reaktion auf diese Erkenntnis entstand erst einmal dieses ganz unidyllische Bild von Advents- und Osterkerzen:

Und das war erst der Anfang, denn dann kam Maliki.
Berlin, Berlin (Teil 1)
Veröffentlicht: 4. September 2023 Abgelegt unter: Mixed Media, Reiseskizzen, Urban Sketching | Tags: Bahnhof, Berlin, Urban Sketching Hinterlasse einen KommentarZeichnen macht glücklich, das wissen alle, die es gelegentlich praktizieren. Wie glücklich es macht, mit tausend anderen gemeinsam zu zeichnen, durfte ich am letzten Wochenende beim Deutschlandtreffen der Urban Sketchers in Berlin erleben. Die Bewegung der Urban Sketchers entstand 2007 in Seattle als Antwort auf die zunehmende Digitalisierung künstlerischen Arbeitens. Das wichtigste Grundprinzip ist das Zeichnen vor Ort als Gegenentwurf zum Arbeiten nach Fotografie – Authentizität. Die ersten Urban Sketchers waren Profikünstler, Gerichts- und Pressezeichner; bald entwickelte sich daraus eine weltweite Bewegung, an der auch viele künstlerische Laien teilhaben.
Zu den „Ritualen“ des Urban Sketchings zählt das gemeinsame Zeichnen – in kleinen Gruppen am Heimatort und auf großen, z.T. internationalen Festivals. Menschen ziehen gemeinsam los, zeichnen jedeR für sich das gleiche Motiv und sitzen danach gern noch zusammen, um ihre Bilder anzusehen, bevor sie in sozialen Medien ausgestellt werden.
Wie immer bei solchen erfolgreichen Bewegungen ist damit eine gewisse Kommerzialisierung verbunden. Die großen Farb- und Papierhersteller haben neue Materialien entwickelt und die Stadtzeichner als Multiplikatoren entdeckt; Profikünstler bieten Ihre Kurse an … Die Berliner Gruppe ging dieses Jahr einen anderen Weg, „zurück zu den Wurzeln“: kostenfreie Teilnahme, (fast) keine Sponsoren, keine Workshops, dafür ein beispielloses ehrenamtliches Engagement. Am Ende hatten sich an die tausend Leute angemeldet, die in Gruppen von 20 – 30 Personen zu interessanten Orten in der Stadt geführt wurden.
Die Zeichenspaziergänge wurden ausgelost. Am ersten Tag, am Freitag, fand ich mich auf dem Gelände des ehemaligen Anhalter Bahnhofs wieder. Es ist ein disparater Ort, eine offene Wunde in der schönen Oberfläche der Großstadt. Der ehemals größte Bahnhof Berlins war in Bombenkrieg und Häuserkämpfen schwer beschädigt worden; in der zunehmenden Abriegelung der Stadt ab der Blockade von 1948 erschien sein Weiterbetrieb nicht mehr wirtschaftlich, Ende der 50er Jahre wurde er gegen den Widerstand der Berliner Bevölkerung gesprengt. Lediglich der Portikus der Eingangshalle blieb erhalten, eingebettet in eine rudimentäre Parkanlage mit einem Schotterplatz und etwas Grün, frequentiert von Obdachlosen.

Die Zeichnung wurde dann auch etwas ruppig mit ihrem Blick auf die Reste des Gebäudes am rechten Bildrand und die Paläste des neuen Potsdamer Platzes im Hintergrund.
Der Weg führte weiter durch einen kleinen innerstädtischen Urwald, der die ehemaligen Gleisanlagen überwuchert, vorbei am Technikmuseum (die meisten Leute zeichneten das Flugzeug auf dem Dach) und unter der Hochbahnstrecke des Bahnhofs Gleisdreieck hindurch. Hier fand ich mein zweites Motiv. Inzwischen ein bisschen „eingezeichnet“, widmete ich mich akribisch der Hochbahnkonstruktion aus dem 19.Jahrhundert und ihrem Kontrast zu dem Backsteinbau mit dem Flügelrad am runden Giebel.

Eine gute Stunde saß ich dort, die genügte, um die Struktur des Motivs zu erfassen, Schatten und Schraffur ergänzte ich heute zu Hause, Stoff für eine beliebte Diskussion unter Urban Sketchers: mit wieviel Nacharbeit ist ein Bild noch authentisch?
Leporello, mal wieder
Veröffentlicht: 18. September 2022 Abgelegt unter: Alltag, Artist Journal, Dinge, Mixed Media, visuelles Tagebuch | Tags: Alltag, Dinge, Leporello, mixed media, Obst, visuelles Tagebuch 4 KommentareVor einigen Wochen sah ich mal wieder einen der hinreißenden Leporellos der Landschaftsarchitektin Martina Offenberg. Sie ist eine großartige Zeichnerin, die ihre Urban Sketches gern auf selbst gestaltete Leporellos zeichnet. Sie bereitet diese Papierstreifen als Collage aus unterschiedlichen Papieren und Stempeln vor, die unterwegs noch weiter ergänzt wird.
So etwas wollte ich auch machen! In vier Wochen habe ich Urlaub, und da wäre es schön, einen selbst gestalteten Leporello as Reisetagebuch mitzunehmen. (An fertig konfektionierten hatte ich schon zwei mal meine Freude gehabt – hier und hier) Ich beschloss einen Probelauf und sichtete meine sich als reichlich erweisenden Papiervorräte. Ich liebe die Resultate solcher Aktionen – wenn andere Leute sie angefertigt haben. Selbst bin ich darin ungeschickt; ich habe Freude an der Haptik der verschiedenen Aquarell- und Bastelpapiere, doch beim Schneiden und Kleben gab es erst einmal eine Menge Ausschuss.
Irgendwann war das Produkt fertig, zusammengeklappt hat es A6-Format. Ich hatte wild darauf los geschnippelt und geklebt, unterschiedlich Papiersorten gemischt, mit Aquarellgrundierung versehen und zusätzlich noch diverse Collage-Elemente vorbereitet.
Als erstes schnitt ich eine kleine Skizze vom Mittagessen bei „Nordsee“ aus einem anderen Skizzenbuch aus und klebte sie ein – sie ist hier nicht zu sehen, nur der Leuchtturm kündet auf dieser Seite davon. Zu sehen sind drei besondere Löffel – am liebsten hätte ich „Eine kleine Geschichte von mir in sieben Löffeln“ erzählt und mich unendlich in den Assoziationen verloren, die die Dinge an unserer Seite auftun. Aber ich beschränkte mich erst einmal auf drei – mit Fortsetzungsoption.

Den „Göffel“ hat eine Freundin liegengelassen. Es ist ein superleichtes superhartes Objekt aus Titan, die Minimalistinnen-Variante des Besteckkastens für den Rucksack. Seltsamer Weise trägt er die Inschrift „Light my Fire“.
Der Suppenlöffel mit dem „Konsum“-Signet entstammt den unendlichen Tiefen der Besteckkiste auf meiner Arbeitsstelle (und ist inzwischen dorthin zurückgekehrt). Ein rauchender Schornstein und eine Sichel ergeben in typisch ostmoderner Ästhetik zusammen ein „K“ wie „Konsum“ (gesprochen Kónsumm) – dem Inbegriff des Lebensmittelgeschäfts in der DDR. (Das interessante Wurzeln in Lebensreform und Sozialdemokratie hat und in einem gemeinwohlorientierten Land wie der Schweiz z.B. als „volg“ überleben konnte.)
Der geschnitzte „Folklore“-Löffel kam durch einen der zahlreichen Osteuropa-Kontakte meiner Mutter in unseren Haushalt und hing viele Jahre als Dekoration in der Küche – mit einer dazu passenden Gabel als Salatbesteck. Ich hätte es gern benutzt, doch es ist klein und unhandlich, so wanderte es in eine Schublade, die „Mein Museum“ heißt und voll ist mit kleinen Dingen, über die ich – irgendwann einmal – schreiben möchte.

Am nächsten Tag saß ich am Schweriner Marienplatz und versuchte mich – gleich mit Füller – an einer kleinen Stadtansicht. Über die Dachsilhouette und ein paar Oberleitungen der Straßenbahn kam ich nicht hinweg, so dass ich das Ganze abends mit drei Äpfeln übermalte.
Das hätte ich vermutlich in einem konventionellen Skizzenbuch nicht getan, doch die Anmutung von Collage, die dem ganzen Projekt eigen ist, machte es möglich. Wie immer nimmt die locker aufgebrachte Grundierung die Angst vor dem leeren Blatt, macht munter und mutig. Es liegt darin auch die Gefahr, Lockerheit mit Schlampigkeit zu verwechseln und die Struktur zu verlieren. So hat mich dieses Probe-Projekt bis heute schon gelehrt, es nicht zu übertreiben mit „Mixed media“, nicht zu viele unterschiedliche Papiersorten und Collageelemente zu verwenden – zumal die einem auf Reisen sowieso in reicher Zahl in Form von Eintrittskarten, Prospekten, Zuckertüten & Co. zufallen.
Am Tag nach den Äpfeln bin ich zu mal wieder zu einer Dorfkirche über Land gefahren: Fortsetzung folgt.
Ich weiß, dass ich schmecke, sagte der Fisch
Veröffentlicht: 24. Juli 2022 Abgelegt unter: Alltag, Mixed Media, visuelles Tagebuch | Tags: Fisch, Maräne, Schwerin Hinterlasse einen KommentarMaränen habe ich schon ab und zu gezeichnet. Es sind heringsgroße Fische, die tiefe, kalte und saubere Süßwasserseen brauchen, besonders für das Wachstum der Jungfische. Ausgewachsene Exemplare sind nicht so empfindlich und schwärmen schon mal in die Ostsee aus. Fangsaison ist im Sommer, wenn es nicht zu warm wird. Und da die Feuerzungen der Große Hitze bisher nur kurz herübergelodert haben, gibt es noch welche. Sie sind sozusagen der Inbegriff von Regionalität. (Und sie scheinen sehr variable Gene zu haben, denn jeder große See, der auf sich hält, hat seine eigene Art. Anderswo heißen sie Felchen oder Renken, wobei der lokale Name nur locker mit dem wissenschaftlichen verknüpft ist. Diese hier haben „Coregonus albula“ in der Geburtsurkunde stehen.)
Am Verkaufswagen der Schweriner Seenfischerei konnte ich letzte Woche drei geräucherte Exemplare erwerben, und Freitag Abend machte ich mich daran, sie zu malen. Ich nahm das schöne dunkelgraue Papier von PaintOn, Tinte, Aquarellfarbe (nein, es ist keine Gouache), die farbkräftigen Inktense-Stifte von Derwent, die ich mir Ende Januar in Karlsruhe gekauft hatte und zum Schluss noch einen weißen Gelmarker. Immer schön Schicht auf Schicht.

Dann kamen sie wieder in den Kühlschrank und ich hatte anderweitig zu tun und zu speisen. Heute gaben sie ein gutes Sonntagsfrühstück. Sie lassen sich gut essen, denn sie haben festes, saftiges Fleisch, das an Forellen erinnert, und kaum fiese Gräten.
Es war Sonntag, ich hatte Zeit, sie mir in Ruhe schmecken zu lassen und gleich noch einmal die Stifte herauszuholen. Dieses Mal zeichnete ich in das kleine quadratische Büchlein von Royal Talens, das ich ebenfalls bei Gerstäcker Karlsruhe erworben habe und sehr liebe. Es hat griffiges, etwas gelbliches Papier, das fast kein Wasser verträgt. Ich zeichnete mit Kugelschreiber und etwas Buntstift, den ich nur mit ein paar Tropfen Wasser anlöste.

Die Gedanken schweiften derweil zur Lektüre der letzten Tage (ja, auch das Lesen hat kam dem Zeichnen etwas in die Quere): „Der Butt“ von Günter Grass, zu dem ich über diverse Assoziationsketten kam. In diesem Buch sagt der namensgebende sprechende Plattfisch bei der ersten Begegnung zum Ich-Erzähler „Mir ist bekannt, dass ich schmecke.“ (Er bleibt, wie man aus dem Märchen weiß, am Leben.) Ich stellte mir die drei Maränen vor, wie es dem Fischer mit ihnen – noch quicklebendig – ergangen wäre, was sie mit feinen Stimmchen versprochen hätten, um ungeräuchert wieder ins Wasser zu dürfen – um am Ende auf die Frage zu kommen, das allein das „die“ vor der Maräne einen prinzessinnenhaften Gegenentwurf zum männlich-väterlichen Butt evozierte – ein kleiner Beitrag zum unerschöpflichen Thema Genus und Sexus …
Im Kunstwasserwerk
Veröffentlicht: 10. März 2022 Abgelegt unter: #uskschwerin, Mixed Media, Urban Sketching | Tags: Schwerin, Urban Sketching Hinterlasse einen KommentarLetztes Wochenende haben die Schweriner Urban Sketches im Kunstwasserwerk die Saison eröffnet. Es sah freundlich aus draußen und fühlte sich auch ein klitzekleines bisschen frühlingshaft an, doch war es leider immer noch lausig kalt – drinnen wie draußen. Daher sind beide Zeichnungen erst zu Hause fertig geworden.

Nachdem ich vom Zeichnen der Druckpresse fast einen Knoten im Hirn bekommen hatte, stand mir der Sinn dringend nach etwas Lockerheit. So wählte ich für die Außenansicht statt allerfeinster Stiftchen den Fude Pen mit der breiten Spitze. Zu Hause habe ich noch ein paar Farbakzente mit den Inktense-Stiften gesetzt (nur der Himmel ist mit Gouache gemalt).

Das Bild ist auch ein Abschied vom naturfarbenen „Toned Watercolour Book“ der Firma Hahnemühle. Es war mir ordentlich ans Herz gewachsen, und ich mochte die bräunlichen Seiten deutlich mehr als die der grauen Variante, die ich im vergangenen Sommer ausprobiert hatte. Und manchmal gehen Wünsche in Erfüllung: seit gerade eben gibt es von Hahnemühle auch ein quadratisches Aquarellbuch in weiß. Das werde ich jetzt als Nächstes ausprobieren.
