Albertinum

Als ich vor einem Jahr in der großen DDR-Schau des Dresdner Albertinums war, hatte ich mir vorgenommen, mich bei meinem nächsten Besuch den Skulpturen der ständigen Ausstellung zu widmen. Viele sind es, sehr viele, durch alle Zeiten und Größen, von Antike bis Postmoderne, von handlich bis monumental.

Meine erste Wahl fiel auf den 1911 entstandenen „Siegerknaben“ von Sascha Schneider. Die Jugendstilästhetik mit ihrem Materialmix hatte es mir angetan.

Von ganz anderer Art ist Christian Volls „Frau, sich den BH öffnend“. Die 60 cm kleine Statue aus rotem Ton trennen nur elf Jahre von dem ätherischen Knaben – und mit ihnen ein ganzes Zeitalter. Der in Karslruhe wirkende Christian Voll schuf ein Kunstwerk von ganz anderer Erotik: erdverbunden, wahrhaftig und sehr menschlich. Ganz glücklich saß ich vor der Figur, die sich ihren Platz im Schaudepot mit vielen anderen teilen musste – und wegen dieses Ortes auch einen Inventarzettel trägt.

Beide Bilder sind im grauen Stillman&Birn Nova Buch entstanden, und zwar vor Ort mit einem sepiabraunen Polychromos-Buntstift. Farbe kam dann später: für den Knaben habe ich verschiedene Marker kombiniert und die Frau ist mit Aquarell und Deckweiß koloriert.


Vom Harz nach Leipzig

Und schon ist die erste Reisewoche vorbei, eine Woche Ferienhausurlaub mit Freunden und Familie und zum Glück auch ordentlich Zeichenzeit. Ich bin beim Inktober geblieben, habe mit schwarz und weiß auf grau gezeichnet und ab und zu ein bisschen Farbe zugefügt.
Zuerst ein Nachtrag von der Burg Falkenstein. Zufällig waren wir in ein Burgfest geraten; als Höhepunkt gab es ein Ritterturnier. Ich habe mich dabei in schnellen Bewegungsskizzen geübt und zum Schluss für den Herrn von Falkenstein doch ein Foto zur Hilfe genommen. 

Dienstag teilte sich die Reisegesellschaft; ich fuhr nach Leipzig, um mir die große Ausstellung ostdeutscher Kunst im Museum der bildenden Künste anzusehen. Der „Mann mit Koffer“ von Trak Wendisch rief in mir ein 80er-Jahre-Gefühl wach, vieles andere blieb mir feDienstag teilte sich die Reisegesellschaft; ich fuhr nach Leipzig, um mir die große Ausstellung ostdeutscher Kunst im Museum der bildenden Künste anzusehen. Der „Mann mit Koffer“ von Trak Wendisch rief in mir ein 80er-Jahre-Gefühl wach, vieles andere blieb mir fern.

Regelrecht befremdet war ich vom Museum selbst, ich fühlte mich als Besucherin dort unwillkommen zwischen allerlei L´art-pour-l´art-Spielereien, angefangen bei viel zu kleinen Garderoben in einer riesigen Halle, düsteren Treppenhäusern bis zu türkisfarbenen Wänden mit Wandtatoos hinter mittelalterlichen Gemälden. Klingers Beethoven und den verbundenen Jugendstil hatte man glücklicherweise einfach bei sich gelassen. 

Zum Zeichnen entschied ich mich für eine „Flora“ aus zart bemaltem Marmor. 

Und zum guten Schluss war da noch der sehr entspannte junge Mann im Einkaufszentrum …


Inktober 2019 – die erste Woche

Die Welt der Zeichner ist voll von „Challenges“, zeitlich begrenzten Aktionen mit einem bestimmten inhaltlichen oder formalen Thema. „Nulla dies sine linea“ sagten die Alten, wissend: Zeichnen lernt man durch Zeichnen. Beim Inktober geht es, wie der Name schon ahnen lässt, um „ink“, wobei das Englische die feine Unterscheidung zwischen Tinte und Tusche nicht kennt. Es gibt eine Liste mit Themenvorschlägen, doch dient die nur der Anregung. Anders als beim Urban Sketching ist auch das Arbeiten nach Fotos und aus der Phantasie „erlaubt“.

Da ich weiß, dass ich auf die meisten Oktobertage auf Reisen sein werde, also ohnehin mit Zeichenzeit ausgestattet, nehme ich mir dieses Jahr vor, teilzunehmen. Mein formaler Rahmen: ein Stillman&Birn Nova Skizzenbuch mit grauem Papier, schwarze, graue und weiße Füller und Marker. (Später wird sparsam Farbe dazu kommen und der Marker durch Deckweiß ergänzt werden.)

Hier die Bilder der ersten Woche.

2. Oktober – Der Rosenkavalier als Urlaubseinstimmung.

In schwindendem Licht

Endlich wieder zeichnen! Täglich! An diesem Wochenende konnte ich ein Projekt abschließen, das mich neben Alltag und Arbeit auf anregende Weise involviert hatte und nun wieder Zeichenzeit freigibt. Und dann, nicht ganz unwichtig, steht auch noch ein Urlaub bevor.

Wieder einmal war ich im Haus der Stille im mecklenburgischen Bellin; zwei Farbstiftskizzen der Kirche sind entstanden, deren eine, vom Freitagabend, ich hier zeigen möchte. Sie ist mit Farbstiften aud dunkelgrauem Papier gezeichnet, wie ich es in Amsterdam im Kurs von Pat Southern-Perace gelernt habe. Vor Ort war nur Zeit für die Dachlinie, den Himmel und die Binnenstruktur der Kirche habe ich heute fertiggestellt. (Das Wetter war ganz das richtige für einen Nachmittag am Zeichentisch.) Leider hat der schicke violette Acrylmarker von Derwent ganz fürchterlich gekleckst.

Gestern Abend, auf dem Rückweg von Bellin, habe ich noch eine Freundin besucht und mich im schwindenden Licht auch noch mit der Kirche beschäftigt – dieses Mal ganz „normal“ auf weißem Papier. Erst ein bisschen Farbe locker aufgetragen und dann vor Ort mit Marker Konturen und etwas Schatten angelegt. Die restliche Farbe kam, vielleicht ein bisschen zu bunt, heute dazu.

Die Dorfkirche von Kuppentin in Mecklenburg.

Zwei mal zwei

In den letzten beiden Wochen hatte ich viel zu tun, zum Zeichnen kam ich immer nur sporadisch: zwischendurch im Einkaufszentrum ein paar Passanten (Üben! Üben!), die hier nicht gezeigt werden sollen. Das Objekt der Begierde vom letzten Wochenende konnte ich nur in Etappen fertigstellen, die letzte heute Abend am Zeichentisch. Dafür habe ich es gleich zweimal gezeichnet, einmal „normal“ – Linie zuerst – und einmal „color first“.

Ich hatte die alte Ludwigsluster Autowerkstatt schon lange ins Auge gefasst, immer fürchtend, jemand könnte sie abreißen oder auch nur zu Tode renovieren, bevor ich sie zeichne. Repariert wird da übrigens schon lange nichts mehr – sie dient als Carport.

Heute war Sonntag, in Schwerin gab es gleich zwei nette Märkte und ich hatte Zeichenzeit eingeplant. Die Marktbesucher (Üben! Üben!) gibt es hier nicht zu sehen, dafür gleich zwei Domblicke auf getöntem Papier. Für einen Vortrag will ich verschiedene Varianten von Negativräumen zeigen; dabei kam mir die Idee, dass auch der Himmel, zeichentechnisch gesehen, ein Negativraum ist, und was für einer! Variante zwei ist eine Übung in Gouache.


Mittwochsmarkt

Ich wollte immer schon mal auf dem Schweriner Mittwochsmarkt zeichnen, doch es ist nie etwas daraus geworden. Heute hatte ich es mir fest vorgenommen und saß mit gespitztem Bleistift und neuem „Schmierheft“ (dem hübschen Rausreißbuch von Leuchtturm1917 aus dem Amsterdamer Gabenbeutel) auf einem der begehrten Außenplätze vom „Fuchs“. Ich wollte den Schwung vom letzten Wochenende nutzen und Menschen zeichnen.

Das tat ich auch – erst einmal. Doch der Kaffee war noch nicht ausgetrunken, als mich die Dächerlinie und der dramatische Himmel magisch anzogen, ich mein Aquarellbuch rausholte und ein bisschen was im Stil von Pat Southern-Pearce probierte – nur eben mit Aquarell und auf weißem Blatt. Ich begann mit der Dächerlinie, kolorierte dann den Himmel und widmete den Gebäuden möglichst wenig Aufmerksamkeit.

Und was wurde aus den „gesture drawings“? Die zwei ausdrucksstärksten habe ich zu Hause ausgeschnitten und in die „Sense-of-Place“-Kästchen geklebt, die ich schon vorbereitet hatte. Das Ergebnis ist eine Symbiose aus zwei sehr unterschiedlichen Seminarerfahrungen, ein bisschen unruhig und „wild“, und ich bin gespannt, wie es weitergeht.

Auf dem Schweriner Mittwochsmarkt.

Menschen!

Dieses Wochenende habe ich Menschen gezeichnet, und zwar viele. Unter Anleitung der Illustratorin Nicola Maier-Reimer ging es zwei Tage lang vor allem um eines: das Erfassen der menschlichen Gestalt in Bewegung. Stundenlang saßen wir in Hamburger Einkaufszentren und Selbstbedienungsrestaurants und versuchten, nicht nur schnell zu sein, sondern uns auch in die gezeichneten Gegenüber einzufühlen.


Immer noch Amsterdam

Ja, immer noch, und immer noch die Nachwirkungen des Workshops bei Pat Southern-Pearce: getöntes Papier, Kreide, ein leuchtender Himmel, Schrift und Kästchen mit Details. Hier nun das letzte Bild aus dieser Serie, entstanden am Freitagabend, als die Stadt noch heißer, noch lauter, noch voller zu sein schien als an den vorangegangenen Tagen. Ein bisschen von dieser Stimmung hat sich in meinem Bild niedergeschlagen, ein bisschen Unruhe in den unterschiedlichen Schriften, Hintergründen, Kästchen …

Es wird das vorerst letzte aus dieser Serie bleiben; als nächstes werde ich beobachten, ob sich etwas von dem Gelernten mit dem Bisherigen verbinden mag. Wobei nicht einmal alles neu ist – verschiedene Schriften habe ich schon immer gern verwendet und auch mit Stiften und Kreiden arbeite ich nicht zum ersten Mal.


A Sense of Place and a Story Told …

…, das war der Titel des zweiten Workshops, den ich in Amsterdam besucht habe. Gehalten wurde er von Pat Southern-Pearce, der großen alten Dame des Urban Sketching. Wie erfasse ich den Geist eines Ortes? Pat hat uns ihren Weg dazu gewiesen, oder besser: einen ihrer Wege, denn auch wenn sie einen charakteristischen Stil hat, so ist sie doch eine sehr vielfältige Künstlerin.

Technisch unterscheidet sich das Gelernte wesentlich vom Gewohnten, was für mich einen Teil des Reizes ausmachte: getönte Papiere, Farbstifte, Kalligraphie, das Arbeiten von dunkel nach hell … doch wie die Überschrift ahnen lässt, waren die Methoden Mittel zum Zweck, um zur Ausstrahlung eines Ortes vorzudringen. Und was da strahlt, ist zumindest draußen erst einmal der Himmel, daher bekommt er, gebändigt von der Dachlinie, den ersten großen Auftritt. Dazu kommen kleine „Bilder im Bild“ und sorgfältig placierte Schrift.

Das erste Übungsbild aus dem Workshop demonstriert dieses Vorgehen. In zweien der „Kästchen“ haben wir mit unseren Farbmaterialien experimentiert, den Rest frei gewählt.

Am Nachmittag des selben Tages habe ich das Gelernte auf ein anderes Motiv angewendet – den Begijnhof. Das zweite Bild von diesem Ort entstand an einem ruhigen Sonntagmorgen – ich habe es bereits gezeigt. Das erste allerdings – dieses hier – anzufertigen, glich ein wenig einem Hindernislauf. Vor den vielen Menschen zog ich mich in die Kirche der English Reformed Church zurück, die leider bald darauf schloss – ich schaffte es noch, die Umrisslinien der komplexen Balkenkonstruktuion zu zeichnen. Als ich gerade das Gleiche beim Eingang der katholischen Kapelle und den Zeichnern davor geschafft hatte, schloss auch der Hof – sicher sehr zur Freude der Anwohner, deren Geduld durch die vielen Menschen auf eine harte Probe gestellt wird.

Heute bin ich endlich dazu gekommen, das Bild fertigzustellen. Jenseits der technischen Details habe ich viel dabei gelernt. Das Vorgehen ist von meinem sonstigen ziemlich weit entfernt – fülle ich doch gern schwungvoll ganze Blätter mit einem Motiv. Diese andere Arbeitsweise könnte – adaptiert an meine üblichen Materialien – eine schöne Methode sein, mit der relativen Materialknappheit auf dem Pilgerweg umzugehen.


Begijnhof

Im Herzen des Amsterdamer Touristenrummels, zwischen Büchermarkt und Stadtmuseum, gibt es einen Ort der der Stille. Oder sagen wir mal: es gibt ihn vermutlich zwischen 17:00 und 09:00, wenn die Tore für Touristen verschlossen sind und der Platz denen gehört, die darin wohnen. Am Tage strömen die Menschen, zu denen auch ich zähle – immer sind wir selbst ein Teil des Problems – durch den für die Öffentlichkeit freigegebenen Teil und erdrücken durch ihre schiere Menge das, wonach sie suchen.

Ich nahm drei Anläufe, im Begijnhof zu zeichnen. Beim den ersten beiden wurde die Zeit knapp, weil anderes anlag oder die Tore schlossen; erst beim dritten, am Sonntagmorgen vor der Abfahrt, fand ich Zeit und Ruhe, etwas vom Zauber des Ortes einzufangen, in dem seit hunderten von Jahren fromme Frauen – Beginen – gelebt und gearbeitet hatten.

Das Bild ist nach Anregungen der britischen Künstlerin Pat Southern-Pearce, deren Workshop ich in Amsterdam besucht hatte, entstanden. Es ist das letzte Bild aus einer Serie, doch da ich auf der Heimfahrt im Zug daran arbeiten konnte, kam es – im Gegensatz zu den anderen – schon fast fertig in Schwerin an. Nur die Schrift und die Detailzeichnung der Madonna habe ich noch ergänzt. Dieses Madonna am Giebel sagt uns, dass wir uns am Ort eines lange Zeit sehr diskret, weil in eigentlich strikt calvinistischem Umfeld, praktizierten Katholizismus befinden.