Winterbilder

Nachdem die Schweriner Urban Sketchers im Januar im Innenraum der Schelfkirche gezeichnet hatten, trafen sie sich im Februar in der Dauerausstellung der Stiftung Mecklenburg, einem kleinen versteckten Museum im Schleswig-Holstein-Haus gleich um die Ecke. Dort versuchte ich mich in mehreren Anläufen an einer Porträtbüste der Luise von Mecklenburg-Strelitz, besser bekannt als Königin Luise von Preußen. Am Ende war ich so unzufrieden, dass ich keinen dieser Versuche hier zeigen mag, dafür eine mit lockerer Hand gezeichnete Tulpe auf dem Caféhaustisch bei der anschließenden Zusammenkunft.

Die grauen Linien im Hintergrund deuten eine Person an – mit gutem Willen kann das Bild so als Urban Sketch durchgehen.

Auch die Pilzsaison habe ich nach drinnen verlegen können. Dank fertig präparierter Zuchtboxen ernte ich seit Weihnachten immer mal wieder eine Pilzmahlzeit. Austernseitlinge sind neben Champignons und Shiitake die weltweit meistgezüchteten Pilze und fruktizierten auf meinem Fensterbrett zwar mit etwas Verspätung, doch um so hübscher.

Es ist ein ganz und gar grafisches Motiv und lud zu einer Bleistiftzeichnung ein. Ich habe zu diesem Zeichenmaterial ein ambivalentes Verhältnis: Das Endprodukt erscheint mir oft etwas blass und ohne Kontrast oder farbliche Delikatesse – das Zeichnen selbst genieße ich sehr – ähnlich dem Zeichnen mit Buntstiften, das jedoch deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt. Es hat etwas Meditatives, Nicht-Herausforderndes, Niederschwelliges; genau das Richtige nach einem langen Arbeitstag.

Um Niederschwelligkeit und Herausforderungen (oder eben nicht) wird es auch in meinem nächsten Projekt gehen, das bereits morgen beginnt. Man darf gespannt sein …


Erster Februar

Heute ist der erste Februar, im Garten blühen Schneeglöckchen und Winterlinge, und ich bin endlich damit fertig geworden, meine Weihnachtsgeschenke abzubilden. Es wollte mir scheinen, als hätte ich dieses Jahr besonders viele besonders ausgewählte Kleinigkeiten bekommen und ich freute mich sehr darauf, einen Teil davon auf einem Bild zu vereinen. Oder vielleicht gleich auf zweien?

Wie immer waren die Augen größer als der Magen und ich verkleinerte und verschob das Projekt. Die Briefe und Postkarten, handgemalt und -geschrieben, müssen in ihrem Karton auf die Gelegenheit warten, Teil einer gemalten Pinnwand zu werden. Und auch mit den hübschen und persönlich ausgewählten Dingen fing ich erst Ende Januar an – immer schön eines nach dem anderen zu beginnen, ist schließlich mein wichtigster Neujahrsvorsatz. (Genau genommen: der einzige.) Und so dauerte das Ganze; wenn ich alles um mich herum schön geordnet hatte (siehe Neujahrsvorsatz!) war es meist schon so spät, dass mir die Augen begannen zuzufallen.

Weihnachtsgeschenke – gezeichnet, gemalt und collagiert im alten 19x19cm Stillman&Birn Nova Trio aus Amsterdam, das immer noch freie Seiten hat.

Neben netten Kleinigkeiten wie Honig, Marmelade und Schokolade hatte ich gleich von mehreren Schenkenden Futter für meine Japansehnsucht bekommen – Tee, Gewürze, einen gezeichneten Reiseführer und – nicht zu übersehen – eine augenzwinkernde Winkekatze.

Die wird mir 2026 hinterherwinken, wenn ich endlich zu einer lange geplanten Japanreise aufbreche – bis dahin darf sie die Ostasien-Abteilung im Bücherregal vor Mäusen schützen.


Zitronat

Wann habe ich das letzte Mal mit Zitronat gebacken? In den 1980ern und 90ern, als ich mit Früchtebrot und wochenlang gereiften Lebkuchenteigen experimentierte? Vermutlich. Stollen habe ich nie gebacken, auch keine Königskuchen – wozu sollte Zitronat sonst gut sein? Und woraus wird es eigentlich hergestellt? In der DDR, so lese ich, experimentierte man mit grünen Tomaten, um die teuer importierten Zitronen einzusparen, doch das ist eher eine Fußnote der Geschichte.

Nein, Zitronat wird nicht aus Tomaten hergestellt, sondern aus – man hätte es sich denken können – Zitronatzitronen, urtümlichen, durch Züchtung nur wenig veränderten Zitrusfrüchten. Aus Neugier habe ich mir bei einem Versand für exotische Früchte ein Kilogramm Zitronatzitronen mitbestellt – das sind zwei Stück, deutlich größer als normale Zitronen.

Die Früchte bestehen zu einem großen Teil aus Schale, man kann daraus Likör, Limonade oder eben Zitronat herstellen. Likör trinke ich nicht, auch für Limonade habe ich im Winter wenig Verwendung – also wird es wohl Zitronat werden. (Und was mache ich dann damit?)

Vorher wollten die Früchte allerdings noch abgebildet werden, und mit dieser Gouache-Skizze (15×15 cm) ist endlich auch die Kunstsaison wieder eröffnet. Im Herbst hatte über sechs Wochen lang praktisch täglich etwas gezeichnet, dann kam die Vorweihnachtszeit mit zahlreichen anderen Aktivitäten; viel mehr als ein paar Meetings-Kritzeleien brachte ich nicht zustande. Nach fast acht Wochen Pause will die Hand-Auge-Koordination wieder neu trainiert werden; das braucht etwas. Zwei überdimensionale Zitronen sind als Motiv da gerade einfach genug. (Die Entscheidung zwischen Gouache und Aquarell habe ich erst in letzter Minute getroffen, mit beidem hatte ich im Frühherbst aufgehört, um mich eher grafischen Techniken zu widmen – mal sehen, wie es weitergeht …)


Inktober in Farbe

Jeden Tag ein kleines Bild zeichnen – für mich ist das eine echte Herausforderung, eine „Challenge“. Und dann auch noch monochrom! Wie die fastenden Mönche des Mittelalters Wassertiere zu Fischen erklärten und auf den Tisch brachten, fand auch ich eine Lösung: ich erklärte die schon erwähnten „Tuschestifte“ für zugelassen.

Das Ergebnis waren mehr oder weniger farbige „Tuschezeichnungen“:

Die „Walküre“ entstand nach einem Szenenfoto aus dem Film „Hagen im Tal der Nibelungen“, die Schweriner „Tuscherei“ ist eine Kreativwerkstatt, in der man selbst Keramik bemalen kann.


Das dritte Quadrat

Die letzten beiden quadratischen Bilder waren durch einen Domestika-Kurs angeregt. Die Künstlerin, Vicky McGrath, ist ein Teil der „Daily-Painting“-Bewegung. Es geht darum, jeden Tag ein kleines, abgeschlossenes Bild fertig zu stellen. Der „Erfinderin“, Carol Marine, ging es nicht nur darum, Hand und Seele zu lockern – sie stellte auch fest, dass sich viele kleine Bilder besser verkaufen als ein großes.

Die Formate liegen meist bei 15 bis 20 cm im Quadrat. Ich weiß nicht, wie klein meine Bilder werden müssten, damit ich eines am Tag schaffe – es bleiben Wochenendkreationen. Immerhin habe ich das heutige in zwei, drei Stunden fertig gestellt. Ich habe dabei auch nicht nach Foto gearbeitet, sondern nach wirklichen Äpfeln auf meinem Balkon – zumindest, bis die Sonne herumkam.

Ganz bewusst habe ich die Pinselstriche weniger perfekt gesetzt. Wenn ich das Format noch ein bisschen verkleinere und den breitesten Flachpinsel nehme, schaffe ich das nächste vielleicht am Abend eines Wochentags …


Klaräpfel

Früher hießen sie Augustäpfel, dieses Jahr fielen die ersten – noch winzig, doch schon genießbar – Ende Juni vom Baum. Seit einer Woche gehe ich jeden Tag in den Garten und lese ein paar Hände voll auf, von Tag zu Tag werden sie größer und strahlen im schönsten Apfelgrün.

Bereits als ich mit den Erdbeeren fertig war, hatte ich mir ein Klarapfelstillleben in Gouache vorgenommen, ein Paar Fotos in passendem Streiflicht gemacht – um erst einmal an einem Korb voller Tassen auf dem Töpfermarkt zu verzweifeln. (Das Bild wird halbfertig bleiben.) Dann riefen mich die Äpfel zum Muskochen, und gearbeitet wollte auch noch ein bisschen werden.

So verging eine Woche bis zum nächsten Bild.

Ich blieb ganz bewusst beim quadratischen Format und einer etwas bonbonbunten Farbigkeit, um erst einmal im neuen Kosmos anzukommen. Und anders, erstaunlich anders fühlt sich die Gouache gegenüber meiner sonstigen Art zu zeichnen an. (Das fängt schon beim Begriff an: bei Gouache würde ich eher von „Malen“ sprechen wollen.) Vor vielen Jahren, lange bevor ich mit diesem Blog begann, hatte ich mit Öl gemalt und später mit Acryl; Hände und Pinsel beginnen sich zu erinnern …


Erdbeeren am Abend

In den letzten Wochen und Monaten hatte mich manchmal die Langeweile in den festen Griff ihrer weichen Klauen genommen: nach zehn fleißigen Jahren konnte ich keine Skizzenbücher mehr sehen. Ob Teetassen oder Stadtansichten, Menschen an Nachbartischen oder Tulpen am Fenster – es war mir alles etwas fade geworden.

Hilfe kam von Domestika. Domestika ist keine beste Freundin, sondern eine Seminarplattform für alles, was sich kreativ nennt; vom Schreiben eines Romans über Spieledesign und Häkeln bis hin zu einer unendlichen Auswahl an Zeichen- und Maltechniken kann man dort alles lernen. Die Kurse sind preiswert, für um die zehn Euro bekommt man ein manchmal mehrstündiges Webinar. Natürlich gibt es Unterschiede, aber eine von der Plattform vorgegebene Struktur garantiert eine Grundqualität.

Fünf Spätwinterwochen lang arbeitete ich nach Anleitung von Marcella Trujillo an einer kurzen „Graphic Novel“, wirklich grafisch, in Inhalt und Form sehr verschieden von dem, was ich sonst mache, danach kamen zwei Geschenkprojekte, ein langer Urlaub (hier bleibt das Skizzenbuch eine feste Größe) und dessen „Nacharbeit“, bis ich wieder vor der gleichen Frage stand: Was jetzt? Domestika offerierte mir alles mögliche, bei einem Kurs mit quietschbunten Stillleben in Gouache biss ich an. (Ein sommerlicher Gegenentwurf zu tiefsinnigen Winterwerken in Schwarz-Weiß.)

Erdbeeren am Abend, Gouache auf Aquarellpapier, 18×18 cm

Ich folgte den Anleitungen des Kurses und machte etwas, was mir Zeit meines Lebens immer fast unmoralisch vorgekommen war: Ich zeichnete nicht vom Objekt, nicht einmal ein klitzekleines bisschen, sondern von einer Fotografie. Die hatte ich immerhin selbst aufgenommen und aus einer ganzen Zahl von Arrangements ausgewählt. Die Gouache-Farben hatte ich noch liegen, irgendwann für irgendeinen vergessenen Zweck angeschafft. Da war es eine gute Idee, erst einmal ein paar Farbkarten anzulegen, festzustellen, was für eine wunderbare Farbe das Ultramarin in der Tube war und mich für ein paar rote Höhepunkte aus den Aquarelltuben zu bedienen.

Am Ende brauchte ich drei gut gelaunte Sommerabende für das Bild. Auch wenn aus mir keine Pop-Art-Künstlerin werden wird: die ersten gelbgrünen Klaräpfel warten schon.


Nach Weihnachten

.. dass alle uns umgebenden Dinge narrativ aufgeladen waren: ihre Geschichte seit ihrem Eintritt in unsere Familie war bekannt, gehörte zu ihnen und wurde immer wieder erzählt. Das erschwerte es, sich von ihnen zu trennen und unterschied uns noch mehr von den Trägern der Wegwerfgesellschaft, denen vor allem eines fehlte: die Fähigkeit zum ‚Lesen‘ der Bedeutung der Dinge in ihrem Leben.

Rolf-Ulrich Kunze, Das halbe Jahrhundert meiner Eltern

Als kürzlich ein profilneurotischer Politiker den Weihnachtsbaum zum Teil der deutschen Leitkultur erklärte, lachte das halbe Land über ihn. Und wirklich: der Herr hat vermutlich weder an globalisierte Plastikbäume nach Disney-Art gedacht noch an die zahlreichen anderweitigen Bräuche rund um grüne Zweige, an Stechpalme, Mistel und Efeu … (Stammt der Herr nicht aus dem Sauerland, wo die ausgedehntesten Weihnachtsbaumplantagen Deutschlands beheimatet sind? Vielleicht hat er deshalb den Wald vor lauter Tannenbäumen nicht gesehen.)

Mitte Januar ist Weihnachten endgültig vorbei, die Wohnung ist einmal durchgelüftet und auf den Fensterbrettern stehen Hyazinthen und Amaryllis. Den Weihnachtsbaum habe ich am letzten Sonntag abgebaut, am Tag nach Epiphanias, und drei Schmuckstücke zum Zeichnen zurückbehalten.

Ich gebe es zu: der Echte-Kerzen-Strohsterne-Typ bin ich nicht. An meinem Tannenbaum darf es kitschig zugehen, altmodisch und naiv, was sich jenseits aller Logik gut mit den elektrischen Kerzen verträgt, die mein technikaffiner Großvater schon vor knapp hundert Jahren, kurz nach ihrer Erfindung, zum familiären Standard gemacht hatte.

Drei Lieblingsstücke, die nicht alle so alt sind, wie sie aussehen.

Die Kugel mit dem geprägten Muster ist eine Erinnerung an den „Formost“-Laden, der vor etwa einem Jahr aus dem Schweriner Stadtbild verschwand und mit ihm drei Schaufenster voller Bollhagen-Geschirr, erzgebirgischer und Thüringer Weihnachtskunst. Sie stammt aus einer Thüringer Manufaktur, wo sie nach alten Mustern geblasen wurde.

Das Wachsherz kam aus dem Benediktinerinnen-Kloster „Maria Frieden“ am Obermain; es war der kleinste Gegenstand in dem Klosterladen und passte 2015 noch in meinen Pilgerrucksack. In dem Kloster leben einige uralte philippinische Nonnen und vermutlich hat eine von ihnen das Herz gefertigt. (In dem Kloster habe ich zum ersten Mal benediktinische Tagzeitengebete gehört, trotz der dünnen Nonnenstimmen eine lange nachschwingende Erfahrung.)

Das älteste Stück ist der Rauschgoldengel. Er war schon immer da, mindestens fünfzig Jahre, vielleicht sechzig oder siebzig, und das Goldpapier hat sich überraschend gut gehalten. Nur die Krone ist ein bisschen zerknittert. Wie er einst in unseren Haushalt kam, kann er nicht berichten.


Allerleigrau

Ein langer grauer Januar ist endlich zu Ende! Als ich mich vorhin daran machte, die Skizzen zu scannen, die „nebenbei“ mit dem kleinen Gepäck – Miniskizzenbuch „Art Creation“ 12×12 cm und vier Kugelschreibern – entstanden sind, fand ich eine andere Kugelschreiberskizze wieder: Am 03. Januar, auf dem Heimweg von meinem „Neujahrsretreat“, war ich noch bei Barlach in Güstrow eingekehrt. In der Gertrudenkapelle hatte ich schon mehrfach gezeichnet, jedes Mal mit dem Gefühl, an einen Ort von besonderer Stille und Sammlung geraten zu sein. (An einen Ort auch, an dem noch keine Angst vor Kartoffelbrei und Tomatensuppe herrscht: Mit Hinweis auf mein Malzeug durfte ich den Rucksack mit ein die Ausstellung nehmen, in der ich lange allein [allein!] saß, wenn man von der Aufsicht per Kamera im Nebengebäude absieht.)

So kam ich zu einer Zeichnung von Barlachs „Lesenden Mönchen“, und natürlich gefiel mir besonders, wie es Barlach gelungen war, einen dicken Mann durchgeistigt aussehen zu lassen.

Doch dann kam er, der Januar, und mit ihm in paar Plagen von der Art einer hartnäckigen Grippe, die eigentlich schon Weihnachten hätte vorbei sei sollen … So blieben selbst die niedrigschwelligen Kugelschreiber im Rucksack und wurden erst gegen Ende des Monats wieder herausgeholt. Die ersten Striche sind so ungelenk, als hätte man nie einen Stift gehalten, und es braucht ein paar verkrakelte Blätter, bis die Hand wieder locker ist.

Wie sich das gehört in so einer Zeit, sitzt man auch länger als einem lieb ist in Wartezimmern herum, doch auch das geht vorbei, und man findet sich in der Oper wieder:

Eine grandiose Aufführung des „Freischütz“, konzertant mit einigen Verfremdungen nach Brechtscher Manier, die sich nicht in den Vordergrund drängten, sondern die Musik um so prächtiger strahlen ließen. (Hat jemand schon mal einen züchtig schwarz gekleideten Opernchor mittels einiger Taschenlampen sich in Wolfsschlucht-Geister verwandeln sehen?)

Und nach der Oper das epische Theater: eine Dienstversammlung. Für die Zeichnerin war sie fast zu kurz, sie schaffte gerade mal die Umrisse.


Leporello, mal wieder

Vor einigen Wochen sah ich mal wieder einen der hinreißenden Leporellos der Landschaftsarchitektin Martina Offenberg. Sie ist eine großartige Zeichnerin, die ihre Urban Sketches gern auf selbst gestaltete Leporellos zeichnet. Sie bereitet diese Papierstreifen als Collage aus unterschiedlichen Papieren und Stempeln vor, die unterwegs noch weiter ergänzt wird.

So etwas wollte ich auch machen! In vier Wochen habe ich Urlaub, und da wäre es schön, einen selbst gestalteten Leporello as Reisetagebuch mitzunehmen. (An fertig konfektionierten hatte ich schon zwei mal meine Freude gehabt – hier und hier) Ich beschloss einen Probelauf und sichtete meine sich als reichlich erweisenden Papiervorräte. Ich liebe die Resultate solcher Aktionen – wenn andere Leute sie angefertigt haben. Selbst bin ich darin ungeschickt; ich habe Freude an der Haptik der verschiedenen Aquarell- und Bastelpapiere, doch beim Schneiden und Kleben gab es erst einmal eine Menge Ausschuss.

Irgendwann war das Produkt fertig, zusammengeklappt hat es A6-Format. Ich hatte wild darauf los geschnippelt und geklebt, unterschiedlich Papiersorten gemischt, mit Aquarellgrundierung versehen und zusätzlich noch diverse Collage-Elemente vorbereitet.

Als erstes schnitt ich eine kleine Skizze vom Mittagessen bei „Nordsee“ aus einem anderen Skizzenbuch aus und klebte sie ein – sie ist hier nicht zu sehen, nur der Leuchtturm kündet auf dieser Seite davon. Zu sehen sind drei besondere Löffel – am liebsten hätte ich „Eine kleine Geschichte von mir in sieben Löffeln“ erzählt und mich unendlich in den Assoziationen verloren, die die Dinge an unserer Seite auftun. Aber ich beschränkte mich erst einmal auf drei – mit Fortsetzungsoption.

Eine kleine Löffelsammlung.

Den „Göffel“ hat eine Freundin liegengelassen. Es ist ein superleichtes superhartes Objekt aus Titan, die Minimalistinnen-Variante des Besteckkastens für den Rucksack. Seltsamer Weise trägt er die Inschrift „Light my Fire“.

Der Suppenlöffel mit dem „Konsum“-Signet entstammt den unendlichen Tiefen der Besteckkiste auf meiner Arbeitsstelle (und ist inzwischen dorthin zurückgekehrt). Ein rauchender Schornstein und eine Sichel ergeben in typisch ostmoderner Ästhetik zusammen ein „K“ wie „Konsum“ (gesprochen Kónsumm) – dem Inbegriff des Lebensmittelgeschäfts in der DDR. (Das interessante Wurzeln in Lebensreform und Sozialdemokratie hat und in einem gemeinwohlorientierten Land wie der Schweiz z.B. als „volg“ überleben konnte.)

Der geschnitzte „Folklore“-Löffel kam durch einen der zahlreichen Osteuropa-Kontakte meiner Mutter in unseren Haushalt und hing viele Jahre als Dekoration in der Küche – mit einer dazu passenden Gabel als Salatbesteck. Ich hätte es gern benutzt, doch es ist klein und unhandlich, so wanderte es in eine Schublade, die „Mein Museum“ heißt und voll ist mit kleinen Dingen, über die ich – irgendwann einmal – schreiben möchte.

Drei Äpfel über eine Stadtsilhouette gezeichnet.

Am nächsten Tag saß ich am Schweriner Marienplatz und versuchte mich – gleich mit Füller – an einer kleinen Stadtansicht. Über die Dachsilhouette und ein paar Oberleitungen der Straßenbahn kam ich nicht hinweg, so dass ich das Ganze abends mit drei Äpfeln übermalte.

Das hätte ich vermutlich in einem konventionellen Skizzenbuch nicht getan, doch die Anmutung von Collage, die dem ganzen Projekt eigen ist, machte es möglich. Wie immer nimmt die locker aufgebrachte Grundierung die Angst vor dem leeren Blatt, macht munter und mutig. Es liegt darin auch die Gefahr, Lockerheit mit Schlampigkeit zu verwechseln und die Struktur zu verlieren. So hat mich dieses Probe-Projekt bis heute schon gelehrt, es nicht zu übertreiben mit „Mixed media“, nicht zu viele unterschiedliche Papiersorten und Collageelemente zu verwenden – zumal die einem auf Reisen sowieso in reicher Zahl in Form von Eintrittskarten, Prospekten, Zuckertüten & Co. zufallen.

Am Tag nach den Äpfeln bin ich zu mal wieder zu einer Dorfkirche über Land gefahren: Fortsetzung folgt.