Drachentöter
Veröffentlicht: 11. Februar 2025 Abgelegt unter: Allgemein, Urban Sketching | Tags: Drache, Heiliger, Lübeck, Mittelalter Hinterlasse einen KommentarLetzten Freitag hatte ich in Lübeck zu tun; anschließend nutzte ich, nicht zum ersten Mal, die Gelegenheit, im St.-Annen-Museum zu zeichnen. Erweitert um moderne Anbauten befindet sich das Museum in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Klosteranlage. Der Gebäudekomplex war um 1500 gebaut worden und erfüllte nur kurze Zeit den ihm zugedachten Zweck, dann kam die Reformation und alles wurde anders; die Backsteinmauern mussten verschiedene säkulare Nutzungen ertragen, Brände, Bombenangriffe …
Im zentralen Teil der Anlage, in den Räumen um Kreuzgang und Klosterhof sind spätmittelalterliche Gemälde und Schnitzereien ausgestellt. Lübeck war ein Zentrum der Produktion dieser künstlerischen Massenware. Einiges von dem, was Reformation, Kriege und zivile Katastrophen überstanden hat, findet sich im Annenmuseum: Altäre voller vergoldeter Wimmelbilder, rührende Guckkastenszenen hinter hölzernen Maßwerkvorhängen und der eine und andere schwertschwingende Heilige oder Erzengel.


Ich habe hier schon mehrmals gezeichnet; es ist selten viel Betrieb, reichlich Platz und man kommt den Objekten viel näher als in einer Kirche. Dieses Mal entschied ich mich für einen heiligen Georg, der in Lübeck Jürgen heißt und fast lebensgroß auf seinem Pferd sitzt, das Schwert gegen einen lächerlich kleinen Drachen erhoben. Während der Reformation hatte man die kostbare Figurengruppe rechtzeitig in Sicherheit gebracht, der große Lindwurm aber, zu schwer zum Transport, war dem Bildersturm zum Opfer gefallen und endete als Brennholz in den Herdfeuern der Wutbürger. Als die Zeiten sich beruhigt hatten, zogen Held, Pferd und Prinzessin (sie betet außerhalb meines Bildes) in eine kleinere Kapelle um und man gab ihnen das handlichere Tier bei.
Die Skulpturengruppe wirkt modern, nicht mehr gotisch; sie entstand um 1505, ihr Schöpfer, Henning von der Heyden, ist namentlich bekannt, auch das ein Hinweis auf die heraufziehende neue Zeit. Die Geschichte, die erzählt wird, ist noch die alte, eine Heiligenlegende samt Mission und Martyrium, der erst im Hochmittelalter eine Drachentöterlegende angestrickt worden war. Ich habe in den letzten zehn Jahren mehrere heilige Ritter beim Drachentöten gezeichnet, meine liebste Drachentöter-Geschichte aber ist die des „berufsmäßigen Helden“ Lanzelot. Der kommt in die sprichwörtliche Kleine Stadt, die sich mit ihrem Drachen längst arrangiert hat. Auch die Jungfrau, die er sich dieses Jahr ausgesucht hat, begehrt nicht gegen ihr Schicksal auf, und bald muss der Drachentöter selbst um sein Leben fürchten: Die Märchenparabel „Der Drache“ von Jewgenij Schwarz wurde über fünfzehn Jahre lang am Ostberliner Deutschen Theater gespielt und hat dafür gesorgt, dass ich zeitlebens für schlechtes Theater verloren war.
Intermezzo: Basel
Veröffentlicht: 31. Oktober 2019 Abgelegt unter: Bewohntes Gelände 9, Pen&Ink, Reiseskizzen | Tags: Alpen, Basel, Drache, Heiliger, Inktober Hinterlasse einen KommentarNach der Harzreise ging es nach Süden, Richtung Schwäbische Alb und Bodensee, um an den Pilgerweg vom Frühjahr anzuknüpfen. Doch bevor ich dort ankam, gab es noch ein Intermezzo in Basel – Besuch bei Freunden. Gemeinsam gingen wir in die spektakuläre Ausstellung „Gold und Ruhm“, in der anlässlich der 1000-Jahr-Feier des Basler Münsters Kunstschätze aus der Zeit des frühen und hohen Mittelalters gezeigt wurden.

Das Basler Kunstmuseum enthält eine schier unüberschaubare Zahl an wunderbaren Kunstwerken; Schweizer Geschäfts- und Bürgersinn hat hier schon lange gesammelt. Seit Mitte der 90er war ich schon einige wenige Male dort gewesen, daher wusste ich, wo ich nach den Goldschätzen noch hinwollte: zu den Alpen! In einem langen lichten Korridor, der im ersten Stock um den Innenhof führt, hängen Alpenpanoramen von der frühen Neuzeit bis zur Moderne.

Ich entschied mich für das Bild „Die Wilde Frau von der Bundalp aus“ von Auguste Baud-Bovy . Vor Ort erfasste ich nur die Grundstruktur – und da immer noch Inktober war, blieb ich dann später bei Füller und Tinte.
Am nächsten Tag startete ich Richtung Schwäbische Alb, vorher ging ich noch für eine Mittagsstunde ins Münster. Mein Zeichenmotiv fand ich davor: einen heiligen Georg, der an der Turmfassade mit eingelegter Lanze seine Attacke gegen einen, ja, irgendwie devot aussehenden Drachen reitet.

Auch hier, wie beim Goldschatz-Bild, stand der Inktober Pate – und bei beiden Bildern hatte ich die spätere Überarbeitung mit Farbe bei der Zeichnung bereits mitgedacht. Gezeichnet habe ich in ein Stillman&Birn-Heft im seltenen quadratischen Format, die intensiven schwarzen Flächen sind mit dem Pentel-Pinselstift entstanden.




