Der dritte Kirchturm
Veröffentlicht: 16. Oktober 2025 Abgelegt unter: Urban Sketching | Tags: Kirche, Romanik, Südtirol Hinterlasse einen KommentarIm Örtchen Mals im oberen Vinschgau in Südtirol gibt es fünf Kirchtürme; in früheren Zeiten sollen es einmal sieben gewesen sein – bei einem Einzugsbereich von seinerzeit etwa tausend Einwohnern. Trotz dieser geringen Anzahl an Menschen war es ein regionales Zentrum, Markt- und Gerichtsort und Kreuzungspunkt wichtiger Passstraßen.
Von den heute erhaltenen Kirchtürmen zeigen drei ein romanisches Bild; sie sehen sich sehr ähnlich und wurden zwischen den Jahren 1000 und 1200 an schon vorhandene Kirchen „angebaut“. St. Benedikt und St. Martin habe ich bereits erwähnt.

Die Fülle an romanischen Bauten in der Region fasziniert viele Besucher. Sie blieben auch deshalb erhalten, weil es mit dem Beginn der Neuzeit zu einem wirtschaftlichen Niedergang kam. Der Schwabenkrieg hatte schwere Opfer unter der Zivilbevölkerung gefordert, gleichzeitig hatten die nahen Alpenpässe gegenüber dem Brenner an Bedeutung verloren. Später entvölkerten Seuchen das Land. Für die anderswo flächendeckend ausgeführte Barockisierung von Kirchen im Rahmen der Gegenreformation fehlte schlichtweg das Geld.
Zwischen Antike und Mittelalter
Veröffentlicht: 15. Oktober 2025 Abgelegt unter: Allgemein, Reiseskizzen, Urban Sketching | Tags: Antike, Kirche, Romanik, Südtirol 3 KommentareDas antike Rom wurde bekanntlich nicht an einem Tag errichtet; auch, dass es mehrere Jahrhunderte benötigte, um zu zerfallen, machen wir uns selten klar. Im Laufe der Zeit wurde etwas Neues daraus, mit neuen Werten, neuen Strukturen, weniger zentralisiert, noch geprägt von den zurückliegenden Wanderungsbewegungen.
Nur an wenigen Orten gelingt es heute noch, diese Übergangswelt sichtbar werden zu lassen. Das Kirchlein St.Prokulus, gelegen am Rand der Südtiroler Gemeinde Naturns, ist ein solcher Ort.
Erbaut wurde es irgendwann zwischen dem 06. und dem 08.Jahrhundert in einem schon weitgehend, aber noch nicht vollständig christianisierten Umfeld – auf dem umgebenden Friedhof fand man auch das Grab eines germanischen Kriegers, dem man sein Kurzschwert (Sax, daher stammt die Bezeichnung „Sachsen“) mit ins Grab gelegt hatte.
Man weihte die Kirche dem heiligem Prokulus, einem außerhalb des Südalpenraums kaum bekannten Heiligen, Schutzpatron der Alpenübergänge und des Viehs. Und man malte die Kirche aus.

Wegen dieser Malereien (bzw. dem, was die Jahrhunderte davon überdauerte) ist St.Prokulus eine der bekanntesten Kirchen der Region, sie hat zahlreiche Wissenschaftler beschäftigt und mittlerweile ein eigenes Museum bekommen.
Den Malereien werden byzantinische, irische und langobardische Einflüsse zugeschrieben, auch das angenommene Alter schwankt beträchtlich. Das bekannteste Bild zeigt einen Mann (an der Gloriole als Heiliger erkennbar), der in einem Korb von einer Stadtmauer abgeseilt wird. (Der Begriff „Schaukler“ ist eine moderne Zuschreibung.) Wen es darstellt, ob Paulus, Prokulus oder jemanden anders, ist wissenschaftlich umstritten.
Es gibt noch eine Rinderherde, eine Menschenmenge und großäugige Heilige im gleichen Stil; daneben Engel mit Schlangenleibern, vermutlich aus einer anderen Werkstatt, sowie Zierfriese.
Letztere haben mich besonders beeindruckt. Sie entstammen so sichtlich (geografisch) unterschiedlichen Stilregionen, spätrömische Määnder finden sich neben keltisch inspirierten Flechtbändern. Waren alle diese Handwerker in der gleichen Bauhütte beschäftigt? Zogen sie durch oder waren sie eher regional ansässig? Welchen der „wandernden Völker“ gehörten sie an?
Als ich das Kirchlein besichtigte, fand in ganz Südtirol der „Tag der Romanik“ statt, viele verborgene Schätze wurden geöffnet und waren kostenlos zugänglich. Ich verbrachte eine lange Mittagszeit in St.Prokulus, lauschte der Führerin, die virtuous zwischen Italienisch und Deutsch wechselte, und nahm mehr Fragen als Antworten mit nach Hause.
Im Kloster 2
Veröffentlicht: 11. Oktober 2025 Abgelegt unter: Allgemein, Reiseskizzen, Urban Sketching | Tags: Inktober, Kirche, Kloster, Romanik, Südtirol Hinterlasse einen KommentarNachdem ich mich von den freundlichen Nonnen verabschiedet hatte, stieg ich in den gelben Schweizer Postbus und fuhr fünfzehn Kilometer talabwärts zum Kloster Marienberg in Südtirol. Das Kloster thront wie eine Burg auf einem Bergsporn über der weitläufigen Talsohle, in der sich seit frühester Zeit die Wege von mehreren Alpenpässen treffen.

Die Gebäude wurden nach mehreren Bränden durchgehend barockisiert; in den 2000er Jahren verpasste eine für meinen Geschmack etwas zu ambitionierte Renovierung dem Museums- und Herbergsgebäude einen Stil mit Sichtbeton und schwarzemetallischem Industriedesign. Als Ausgangspunkt für die Touren der kommenden Tage war es praktisch und dazu noch ausgesprochen günstig, so dass ich fast eine Woche blieb.

Eine Tour führte mich in das Städtchen Glurns, dessen riesige Stadtmauer einen Ort von gerade einmal tausend Einwohnern umschließt. Durch die Laubengasse seien vor einigen zehn Jahren noch die Kühe getrieben worden, heute sitzt man hier sehr gut bei Kürbissuppe und regionalen Birnen-Spezialitäten.

Der Hauptort der Talregion ist Mals, etwa doppelt so groß und mit fünf Kirchtürmen gesegnet, davon drei romanischen.

Der zweite romanische Turm gehört zu dem Kirchlein St.Martin, dass sich seit dreihundert Jahren im privaten Besitz der ehemaligen Klosterpächter befindet. Geöffnet wird an Markttagen. Dann stehen Kirchentür und Scheunentor offen und wenn man Glück hat – so wie wir – findet man die Bäuerin am Spinnrad.
(Und wo bleibt der dritte Kirchturm? Von ihm wird noch die Rede sein.)
