Winterpilze

Den Jahreswechsel und ein paar Tage drumherum verbrachte ich in einem stillen Mecklenburger Dorf. Ich hatte Lust auf Naturstudien, auch reichlich Zeichenmaterial dabei. Gleich beim ersten Waldspaziergang leuchteten mir ein paar glänzende orangeocker Pilze entgegen: ich hatte mein Thema gefunden. Drei Tage lang sammelte ich die raren Exemplare ein, die der winterliche Wald bot, breitete sie auf dem Tisch aus, fotografierte und skizzierte sie. Meine Pilzbücher lagen zu Hause und meine Unterkunft im Funkloch; so konnte ich erst einmal nur den Bestand aufnehmen.

Zu Hause blätterte und wühlte ich und musste doch feststellen, dass ich nicht genau genug gewesen war – von vier Baumpilzen bleiben zwei unbestimmt. (Am liebsten hätte ich mich ins Auto gesetzt und wäre noch mal hingefahren.)

Die „Geweihförmige Holzkeule“, ein zähes, seltsames Gebilde, hatte ich schon früher einmal gesehen, sie wuchs gleich neben dem Samtfußrübling. Den kannte ich noch nicht, obwohl er ein begehrter Speisepilz ist, der sogar gezüchtet wird. Dann heißt er „Enoki“ und ist meist winzig und weiß. (Ich hatte ihn in dieser Form auch schon im asiatischen Essen.)

Ja, bei den Baumpilzen verließen sie mich … Ich bekam zwar nicht raus, wie die beiden oberen Gesellen heißen, erfuhr aber bei meinen Studien, dass es Pilzforensiker gibt: das sind Leute, die beispielsweise klären, ob ein Baum, der auf Fahrzeug oder Mensch fiel, schon länger mit Pilzen befallen war und ergo schon hätte gefällt worden sein müssen …

Am dritten Tag kamen noch einmal neue Fundstücke dazu. Der „Eichenwirrling“ ließ sich zu Hause anhand seines Porenmusters, das an ein Labyrinth erinnert (daher der Name!) bestimmen. Die „Schmetterlingstramete“ kannte ich bereits; man sieht manchmal ganze Baumstümpfe von den schichtweise angeordneten, wie Schmetterlingsflügel gemusterten Pilzkörpern überwuchert. Sie sind unterschiedlich in der Färbung, diese hier waren mit ihren Blauanteilen besonders apart. Früher hat man sie zu Dekorationszwecken, zum Beispiel an Hüten, genutzt, und heute ist das getrocknete Pulver unter dem Namen Coriolus als Heilpilz im Handel.

Der „Goldgelbe Zitterling“ macht seinem Namen alle Ehre, er fühlt sich an wie ein Stück verknäulter Wackelpudding. Man sieht ihn nur bei feuchtem Wetter; wird es trocken, bleibt nur eine unscheinbare Hülle zurück. Wer unbedingt will, kann ihn essen – er schmeckt nach nichts und tut niemandem etwas Böses.

Dieser Pilz hing als etwa handgroßer „Lappen“ aus einem Totholzstamm, begleitet von einigen kleineren, leicht violett getönten Exemplaren. Ich zerbrach mir den Kopf und nichts schien zu passen, bis ich ihn Kleingedruckten eines Beitrags las, dass der Austernseitling, ein begehrter Speise- und Zuchtpilz, nach dem Frost weiter wächst, aber dann eben so ausgefranst aussieht … Alle meine Bücher und Bestimmungsseiten waren jedoch voller frischer, knackiger und ungefrosteter Exemplare gewesen. Aber – ich hatte das Rätsel gelöst und bin nun am Überlegen, ob ich nicht aus eine Pilzkultur auf dem Balkon haben will …


One Comment on “Winterpilze”

  1. Jenny sagt:

    Liebe Annette, danke für das Teilhabenlassen an Deinen winterlichen Pilzexkursionen. Als Pilzunkundige sehr spannend. Nun weiß ich auch wie der bunte Baumpilz heißt, den wir schon oft hier bewundert haben.

    Gefällt 1 Person


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