Roskilde im Regen (und danach)

Roskilde ist vielen durch sein Rockfestival bekannt. Mein Ziel war der Dom, Grablege aller dänischen Könige und Königinnen seit dem Mittelalter. Schon auf dem Weg dorthin hatte es zu regnen begonnen, der erste Regen der Tour, zeitweilig goss es in Strömen – das ideale Wetter, um mir Zeit zu nehmen.

Und die konnte ich gut gebrauchen. Ich habe selten einen Ort erlebt, an dem der Geist verschiedene Epochen sich auf solche Weise vereint. Ich saß lange einfach da und nahm die Atmosphäre einer langen Geschichte in mich auf, bevor ich anfing herumzugehen und mir die Altäre, Sarkophage und Grabkapellen anzusehen.

Zum Zeichnen entschied ich mich für das Grab der Königin Margarethe I., einer starken und machtbewussten Frau. Während ihrer Lebenszeit – und noch lange darauf – war im dänischen Königtum keine weibliche Erbfolge vorgesehen; regierende Königin war sie nach dem Tod ihres Mannes nur in Norwegen und Schweden. Das hinderte sie nicht daran, als Vormund ihres minderjährigen Sohnes und auch nach dessen frühem Tod die Macht in ihren Händen zu behalten.

Nachdem sie 56-jährig an der Pest gestorben war, wurde sie zunächst, ihrem Wunsch entsprechend, in einem Kloster begraben. Bald darauf überführte man den Leichnam auf das Betreiben des dortigen Bischofs nach Roskilde; dessen Kalkül ging auf, der Dom gewann an Bedeutung und wurde zur regulären Grablege des dänischen Königshauses und weiterer bedeutender Familien.

Der Sarkophag ist ein spätgotisches Kunstwerk von hohem Rang, aus schwarzem Marmor und Alabaster gefertigt; die Statue zeigt die Königin in einer seltsamen Mischung aus Stehen und Liegen, mit geschlossenen Augen unter der für diese Zeit typischen Mauerkrone.

Am nächsten Morgen hatte sich der Regen verzogen. Unter zunehmend lichter werdendem Himmel widmete ich mich lebendiger mittelalterlicher Geschichte. Um das Jahr 1000 herum hatte man im flachen Roskilde-Fjord mit Steinen beschwerte Schiffe versenkt und damit eine Barriere gegen den Angriff feindlicher Flotten geschaffen. Der Fund dieser Schiffswracks führte ab 1960 zum Bau des Wikingerschiffsmuseums.

Heute kann man hier nicht nur die restaurierten Schiffsfunde bewundern, sondern auch diverse Workshops in historischen Handwerkstechniken besuchen, ein echtes Mitmachmuseum, in dem nicht nur Kinder leuchtende Augen bekommen.



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